Judenhass im Kulturbetrieb: Wie Ulf Poschardt den intellektuellen Konsens durchbrach

“Welt”-Herausgeber Poschardt: Gewichtige Stimme gegen den bigotten antiisraelischen Hauptstrom (Foto:Imago)
Ulf Poschardt, Chefredakteur der Zeitung Die Welt , am 15.03.18 in seinem Buero im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin bei einem Gespraech mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ulf Poschardt, Chefredakteur der Zeitung Die Welt *** Ulf Poschardt Editor-in-Chief of the newspaper Die Welt on 15 03 18 in his office in the Axel Springer high-rise building in Berlin during a conversation with the Evangelical Press Service epd Ulf Poschardt Editor-in-chief of the newspaper Die Welt Copyright: epd-bild/JuergenxBlume

Für die Nazis war es eine der leichteren Übungen, Wien einzunehmen. Im März 1938 marschierte die Wehrmacht im Zuge des sogenannten „Anschlusses“ in Österreich ein, und die Hauptstadt wurde kampflos von den Nationalsozialisten übernommen. Die Bevölkerung begrüßte Hitler größtenteils mit Jubel, Fahnen, Hitlergruß und “Heil!”-Gebrüll – eine massive Zustimmung, die auf breite ideologische Übereinstimmung, aber auch Opportunismus und Angst zurückzuführen war. Widerstand gegen die Machtergreifung blieb eine Randerscheinung; die wenigen, die opponierten, wurden rasch verhaftet oder zum Schweigen gebracht.

Ganze 87 Jahre später scheint es, als ob sich gar nicht mal so viel in Wien verändert hat. Mehr noch: Ein einziger Journalist, so scheint es, hält dort den konstruktiven Widerstand gegen den grassierenden Judenhass hoch – und der ist ausgerechnet ein Deutscher. Bei den diesjährigen Wiener Festwochen, einem dieser intellektuellen Selbstvergewisserungs-Events, bei denen sich eine moralisch erhabene Kulturblase alljährlich in ihrer selbstgerechten Weltanschauung suhlt, durchbrach ein einzelner Mann die Mauer des Konformismus: Ulf Poschardt, Herausgeber der „Welt“. Er stellte sich offen und unmissverständlich an die Seite Israels. An Poschardt gab es bislang durchaus vieles zu kritisieren. Seine Kritik an der sogenannten Corona-Impfung und den Maßnahmen kam zu einem Zeitpunkt, als der Widerstand dagegen bereits im Mainstream angekommen ist. Auch sein zu spätes Widersprechen gegen die suizidale Flüchtlingspolitik von Merkel und Komplizen wirkte wie eine wohl inszenierte Kehrtwende, die sich an das Gemüt der Mehrheit anpasste. Denn wirklich ins Risiko ging der gebürtige Franke damit nicht.

So lange den Worten keine Taten folgen, wird sich nichts ändern

Diesmal aber zeigt Poschardt die Courage rechtzeitig – und positioniert sich unbeirrt gegen eine Mehrheit der Deutschen, die offenkundig kein Verständnis dafür hat, dass Israel um seine Existenz kämpft und sich mit der notwendigen Entschlossenheit verteidigt.  „Benjamin Netanjahu ist mir näher als Milo Rau“, machte der Journalist in Wien hingegen unmissverständlich klar – und meinte damit Milo Rau, den Intendant der Wiener Festwochen. Rau steht sinnbildlich für einen westlichen Kulturapparat, der sich nur allzu gerne im moralischen Glanz seiner “Israelkritik” suhlt; der das Töten von Juden in Israel relativiert, solange es unter der Flagge der „Dekolonisierung“ und „Palästina-Solidarität“ geschieht. Poschardt hingegen entlarvt diesen kaum erträglichen Zirkus als das, was er ist: ein bigottes Schauspiel, das Judenhass akademisiert und damit in sogenannten intellektuellen Kreisen möglich macht. In den wohltemperierten Salons, nicht minder wohltemperierten Rotwein schwenkend und angeregt daherplaudernd, ohne die Gefahr ständig drohender Raketeneinschläge und ohne Sorge um nahe Angehörige in bestialischer Geiselhaft, ist es natürlich ein Leichtes, gegen Israel zu hetzen und wohlfeil die “Wahl der Mittel” zu kritisieren.

Die jüdische Aktivistin Malca Goldstein-Wolf würdigte Poschardt ausdrücklich für seine Standfestigkeit:  „Er gehört der kleinen, feinen Medien-Armee gegen Judenhass an. Als Last Man Standing hält er den Bessermenschen den Spiegel vor. Seine Worte klar und deutlich, jedes einzelne ein Schwert, das sein Ziel nicht verfehlt.“ Und weiter schreibt sie auf X: „Ich habe Tränen in den Augen, weil es mich so berührt, dass da noch Menschen sind, die sich dem Zeitgeist der Israelhetze nicht unterwerfen, die sich den Hatern wie ein Fels in der Brandung in den Weg stellen.“ Und genau darum geht es. Während andere sich in Distanzierungsritualen üben, während Intellektuelle sich wegducken und Journalisten sich mit eifriger Selbstzensur überbieten, bleibt Ulf Poschardt, zumindest bei diesem Thema, stabil. Und in diesem Aufrechtbleiben liegt eine moralische Kraft, die größer ist als jede Resolution des Bundestags zur „Staatsräson“, die zu einer unglaubwürdigen Floskel verkommen ist, die sich für Sonntagsreden eignet, aber in der Realpolitik keinen Platz findet, so lange den Worten keine Taten folgen.

Poschardt nicht alleine lassen

Die Wahrheit ist: Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz wird für jüdisches Leben in Deutschland kein Aufbruch sein – sondern ein Sargnagel. Die CDU hat längst kapituliert vor dem linken Kulturkampf und dem migrantischen Antisemitismus. Der Kanzler schweigt dazu, wenn Juden auf deutschen Straßen gejagt werden. Stattdessen redet man von „frustrierten” oder “besorgten Jugendlichen” oder „falscher Tonlage Israels“. Der jüdische Bürger wird erneut zur Projektionsfläche, zum Störfaktor, zum Erklärungsnotstand. Aus der Geschichte zu lernen bedeutet, im wahrsten Sinne des Wortes historische Fehler auf die Gegenwart zu projizieren, um daraus Schlüsse zu ziehen. Denn auch 1938 gab es in Wien Menschen, die sich gegen die Nazis wehrten: Friedrich „Fritz“ Löhner-Beda zum Beispiel. Der jüdische österreichische Librettist und Dichter weigerte sich, mit dem neuen Regime zu kollaborieren – und wurde 1939 verhaftet. Löhner-Beda war in mehreren Konzentrationslagern interniert, darunter Dachau und Auschwitz, wo er heimlich Texte und Lieder schrieb, um die Moral der Häftlinge zu stärken, bis er 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Löhner-Beda ließ letzten Endes für seine Überzeugung sein Leben, während der heutige Widerstand gegen das judenfeindliche Erzählmuster kaum Gehör findet; wenn dann auf wütende Gegenrede stößt, wie man es in Wien gesehen hat.

In einer Zeit, in der der Antisemitismus in immer raffinierteren Formen gedeiht, sowohl in der Gesellschaft als auch in den kulturellen Institutionen, auf dem Campus und im Deutschen Bundestag, ist es an uns, mit Stimme und Taten uns für jüdisches Leben einzusetzen. Die Frage muss also lauten: Wo sind heute die Stimmen, die sich gegen den Mainstream stellen, um die Floskel „Nie wieder!“ mit Leben zu füllen? Ulf Poschardt, immerhin, machte hier einen Anfang. Alleine lassen dürfen wir ihn dabei nicht!

27b175c7bd7a4113997605740960a860

image_printGerne ausdrucken
[hyvor-talk-comments]

Themen