AfD-Chefin Alice Weidel hat der Linkspresse leider einen willkommenen Vorwand geliefert, ihr Doppelmoral vorzuwerfen. Während sie und die gesamte AfD sich vehement dafür einsetzen, den „Majestätsbeleidigungsparagraphen“ 188 des Strafgesetzbuches abzuschaffen, den vor allem linke Politiker dazu missbrauchen, Bürger, die sich kritisch über sie äußern, mit einer Flut meist lächerlicher Anzeigen zu überziehen, hat offenbar auch Weidel selbst eine dreistellige Zahl von Anzeigen wegen Beleidigungen gestellt. Ein großer Teil davon scheint sich auf den Begriff „Nazi-Schlampe“ zu beziehen. 2017 hatte das Hamburger Landgericht geurteilt, dass Weidel so bezeichnet werden darf. Allerdings nicht anlasslos, sondern nur in einem satirischen Zusammenhang, wie auch der Rechtsanwalt Markus Haintz noch einmal klarstellte. Weidel selbst hatte in der ARD-Sendung Anne Will den Eindruck erweckt, es sei grundsätzlich erlaubt, sie so zu bezeichnen.
Die AfD rechtfertigt die Anzeigen damit, dass es „töricht“ wäre, wenn man sich bis zur Abschaffung des Paragraphen nicht zur Wehr setzen würde. Hier gehe es auch um „rechtliche Waffengleichheit“. Selbst wenn man dies alles zugesteht und auch davon ausgehen kann, dass Weidel mit wirklich widerlichen und ehrenrührigen Beleidigungen konfrontiert ist, die weit über harmlose Bezeichnungen wie „Schwachkopf“ und ähnliche Lächerlichkeiten hinausgehen, wegen denen linke Politiker wie Robert Habeck die Staatsanwaltschaft auf harmlose Bürger loslassen, hat Weidel sich damit doch ein Eigentor geschossen, sich zumindest unnötig angreifbar gemacht.
Angreifbar gemacht
„Wie kann das eigentlich sein, dass irgendwelche linke und grünen Politiker, die sich irgendwie beleidigt fühlen, anders damit umgehen können als der freie normale Bürger“, hatte sie noch Ende letzten Jahres zu Recht kritisiert. Es wäre ehrlicher gewesen, wenn sie offen kommuniziert hätte, dass sie den Paragraphen 188 ihrerseits nutzt und nicht einsieht, dass sie sich schwerstens beleidigen lassen soll und dabei passiv bleibt, während die Gegenseite eine Flut von Anzeigen loslässt und sich dabei sogar solch dubioser Unternehmen wie „So Done” bedient, die es zum Geschäftsmodell gemacht haben, das Internet systematisch nach vermeintlichen Beleidigungen zu durchforsten und geradezu dazu auffordert, deswegen Strafanträge zu stellen.
So oder so muss dieses unsägliche Gesetz, dass den demokratischen Diskurs vergiftet und Politikern ein Sonderrecht gegenüber Normalbürgern einräumt, endlich abgeschafft werden. Sein Inhalt und seine ganze Existenz ist lächerlich und eine Schande für ein freies Land. (TPL)