Freundliche Plattitüden an der Oberfläche: Merz bei Trump (Foto:Imago)

Merz von Trump mit Nettigkeiten abgespeist – Deutsche Medien phantasieren von „diplomatischem Erfolg“

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Friedrich Merz hat es geschafft, seinen gestrigen Antrittsbesuch bei US-Präsident Donald Trump unfallfrei zu absolvieren. Dies reicht bereits, um ihn in den deutschen Medien als beachtlichen Erfolg darzustellen. Die zwischenzeitliche Befürchtung, Trump werde Merz vor der Weltöffentlichkeit ähnlich brutal bloßstellen wie den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Februar, erfüllte sich nicht.
Dies dürfte jedoch auch schlicht daran liegen, dass Deutschland mittlerweile längst viel zu unwichtig geworden ist, um ihm noch größere Aufmerksamkeit zu schenken. Merz brachte Trump als Geschenk die Geburtsurkunde von dessen aus Deutschland stammendem Großvater mit und gab ein paar Plattitüden von sich. „Wir haben so viele Gemeinsamkeiten in unserer Geschichte. Wir haben den Amerikanern viel zu verdanken, das werden wir nie vergessen. Und deswegen sage ich auch, dass Amerika wieder eine ganz starke Position hat, etwas zu tun, um diesen Krieg zu beenden. Sprechen wir also darüber, was wir gemeinsam tun können. Und wir sind bereit, das zu tun, was wir tun können. Wir unterstützen die Ukraine und wir würden gerne mehr Druck auf Russland ausüben. Die EU ebenfalls“, fabulierte er.

Trump ging jedoch kaum darauf ein und nutzte die Gelegenheit für einen Monolog. Laut „Bild“ sprach er über 30 Minuten, während Merz insgesamt auf ganze vier Minuten kam. Auch das Medieninteresse an Merz fiel mehr als überschaubar aus: als Trump fragte, ob einer der Journalisten vielleicht eine Frage an „Friedrich“ habe, kam keine Reaktion. Stattdessen wurde gefragt, ob Trump weiterhin die Ukraine unterstütze. Dieser nutzte den Termin mit Merz für einen Monolog über die eigene Politik, streute aber auch harsche Kritik an Ex-Kanzlerin Angela Merkel ein: „Zu euch sind böse Leute gekommen, aber das war nicht dein Fehler, Friedrich. Ich habe es ihr damals gesagt“, sagte Trump mit Bezug auf Merkels irre Migrationspolitik. Merz entgegnete darauf völlig faktenfrei: „Aber es wird besser.“ Was die Nord-Stream-Pipeline betrifft, erinnerte Trump daran, dass er Merkel auch davor gewarnt habe: „Wir zahlen Milliarden, um Deutschland zu schützen, und Deutschland zahlt dafür Milliarden an Russland. Ich habe ihr gesagt, den Deal verstehe ich nicht“, so Trump. Zwischendurch streute er einige Komplimente für Merz ein, unter anderem für sein gutes Englisch und äußerte sich wohlwollend über die deutschen Aufrüstungsbemühungen.

Am Flughafen nur peinlich kleiner Bahnhof für Trump

Aus lauter Furcht, von Trump überrollt zu werden, hatte Merz sich im Vorfeld des Besuchs Tipps bei mehreren Staats- und Regierungschefs geholt, die bereits bei Trump zu Gast waren. Insgesamt unterstrich der Auftritt, dass Deutschland keine nennenswerte Rolle mehr spielt. Merz war einer von vielen Gästen, mit denen man als US-Präsident eben Kontakte pflegen muss, aber doch niemand, der übergroße Konzentration erfordert. Die lobenden Worte, die Trump sich für Merz abrang, hätte man fast wortgleich auch über die meisten anderen europäischen Politiker sagen können. Am Flughafen wurde er von US-Beamten der dritten Garnitur empfangen. Auch dies wurde von den hiesigen Hofmedien natürlich nicht erwähnt. Randnotiz des Besuchs: Dass Julian Reichelt von “Nius” über seine US-Kontakte vom Trump-Team eingeladen wurde, schmeckte etlichen seiner deutschen Journalistenkollegen gar nicht, die seine Anwesenheit im Weißen Haus neidisch mit bösartigen Kommentaren quittierten.

Dass der Besuch nicht zu einer solchen Peinlichkeit geriet, wie der von Außenminister Johann Wadephul in der vergangenen Woche, für den sein US-Kollege Marco Rubio sich nur eine Viertelstunde (!) Zeit nahm und auch keine gemeinsame Pressekonferenz für nötig gehalten hatte, gilt inzwischen schon als diplomatisches Glanzstück. Dass Vizepräsident JD Vance und Rubio bei Trumps Begegnung mit Merz im Oval Office ebenfalls anwesend waren und auf „Provokationen“ verzichtet hätten, könne Merz laut „Spiegel“ als „Erfolg“ deuten. Auch das zeigt, welchen Stellenwert ein deutscher Bundeskanzler in Washington noch hat. Wenn man noch mit ihm redet und ihn dabei nicht demütigt, gilt dies bereits als Erfolg. Das ist das Ergebnis einer Außenpolitik, die sich nur noch darauf beschränkt, andere Länder, selbst die, von denen man völlig abhängig ist, großmäulig und pöbelhaft zu belehren, während man das eigene Land vor aller Welt zugrunde richtet.

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