Der einstige CSU-Chef Horst Seehofer, früher spöttisch „Drehhofer“ genannt, meldet sich aus dem Ruhestand zurück – und leistet der AfD unfreiwillig Wahlkampfhilfe. Als bayerischer Ministerpräsident (2008–2018) und Bundesinnenminister (2018–2021) war er für seine wankelmütigen Kehrtwenden berüchtigt, nun scheint sein Gewissen zu nagen: In der „Süddeutschen Zeitung“ warnt er: Wenn die Union ihre Wahlversprechen nicht hält, könnte die AfD die CDU/CSU überholen. Das ist bemerkenswert – war es doch genau Seehofers Zaudern, das die AfD gestärkt hat, besonders weil er ein maßgebliches Rechtsgutachten von Udo di Fabio ignorierte. Seehofer kritisiert Angela Merkels Grenzöffnung 2015/16 nun als „Grundfehler“, der die AfD groß machte.
Er lobt Friedrich Merz‘ (angebliche) “Grenzkontrollen”, sieht aber die AfD „auf Schlagdistanz“. Umfragen zeigen sie bei 23 Prozent, nur knapp hinter der Union (27 Prozent). Doch wer trägt maßgebliche Mitverantwortung? Seehofer selbst. 2015, als Bayern unter dem Migrantenstrom ächzte, beauftragte er Udo di Fabio, einen angesehenen Verfassungsrechtler und ehemaligen Bundesverfassungsrichter, mit einem Rechtsgutachten. Dessen Ergebnis war eindeutig: Der Bund ist verfassungsrechtlich verpflichtet, die Grenzen effektiv zu kontrollieren.
Seehofer lobt die AfD
Doch was tat „Drehhofer“? Nichts. Statt das Gutachten als Hebel zu nutzen, knickte er ein. Die CSU blieb in der Koalition, die Grenzen offen. Selbst als Innenminister setzte er seine Forderung nach einer Obergrenze nicht durch. Sein Mut erlosch, das Gutachten verstaubte. Kommentatoren auf „Welt“ werfen ihm vor: „Seehofer hätte Merkel 2015 stoppen können, aber er zog den Schwanz ein.“ Ein anderer spottet: „Jetzt, ohne Amt, wird er mutig.“ Sein spätes Eingeständnis wirkt wie ein Versuch, sein Gewissen zu beruhigen, doch es ändert nichts an seiner Mitverantwortung.
Die AfD profitiert von Seehofers Worten. Seine Warnungen bestätigen: Die Union sei unzuverlässig, nur die AfD konsequent, was als Anerkennung gewertet werden kann. Während die SPD die Migrationswende bremst und Gerichte Zurückweisungen blockieren, steht die Union vor einem Dilemma. Di Fabios Gutachten hätte damals klare Grenzen ermöglicht. Seehofer verspielte diese Chance. Sein Gewissen mag plagen, doch die Wähler erinnern sich: Wer sich zu oft dreht (um 360 Grad, laut Baerbock), der verliert. Und die Deutschen wurden zu den größten Verlierern. Auch seinetwegen.