Digitale Zahlungen gehören längst zum Alltag. Ob beim Online-Shopping, im Abo-Modell oder beim kontaktlosen Bezahlen an der Supermarktkasse: Die Kreditkarte ist zum unsichtbaren Begleiter geworden. Doch während Verbraucher von Geschwindigkeit und Komfort profitieren, arbeiten Konzerne wie Mastercard im Hintergrund an einer technischen Umstellung, die das Zahlungssystem grundlegend verändert – und neue Fragen aufwirft.
Mit der sogenannten Tokenisierung wird der klassische Kreditkartendatensatz durch einen digitalen Platzhalter ersetzt – den Token. Dieser funktioniert wie ein Einmal-Schlüssel: Beim Bezahlen wird nicht mehr die reale Kartennummer übermittelt, sondern ein pseudonymisierter Code, der nur für einen bestimmten Händler oder eine bestimmte Transaktion gilt. Das soll die Sicherheit erhöhen, Datenmissbrauch erschweren und zugleich eine personalisierte Nutzererfahrung ermöglichen. Fast die Hälfte aller Mastercard-Transaktionen in Europa erfolgt laut neuen Zahlen mittlerweile über genau diese Technik.
Tokenisierung: Mastercard digitalisiert sensible Zahlungsdaten
Was für Laien unsichtbar bleibt, ist ein hochkomplexer Prozess. Sobald ein Kunde seine Kartendaten bei einem Online-Dienst oder Händler speichert, wandelt Mastercard diese – gemeinsam mit Banken und Zahlungsdienstleistern – in Token um. Diese sind an das jeweilige Endgerät, die App oder den Online-Shop gebunden. Selbst wenn ein Hacker den Token abfängt, bleibt er nutzlos – die echten Zahlungsdaten bleiben verborgen.
Mastercard hat laut einem Bericht von PYMNTS.com (Juni 2025) bereits rund 50 % aller europäischen Kartentransaktionen tokenisiert. Bis Jahresende sollen es noch deutlich mehr werden. Ziel ist eine Infrastruktur, bei der kein Verbraucher je wieder direkt seine Kreditkartendaten eingeben muss – weder beim ersten Einkauf noch bei Folgetransaktionen. Das klingt effizient, ist technisch beeindruckend – und dennoch auch problematisch.
Denn wo klassische Kartenkunden früher bewusst entscheiden konnten, ob sie ihre Daten speichern oder bei jeder Transaktion erneut eingeben, verschwimmen mit Tokenisierung viele Grenzen. Die Entscheidung, ob, wann und wo Zahlungsdaten dauerhaft eingebunden sind, wird zunehmend von Plattformen, Wallet-Anbietern und Konzernen getroffen – nicht vom Nutzer.
Anwendungsfelder im Alltag – und die stille Rolle bei sensiblen Zahlungen
Tokenisierung greift bereits weit: vom Streaming-Abo bis zum Flugticket, vom Online-Bestellservice bis zum App-Kauf. Für die meisten Nutzer bleibt das unbemerkt – Zahlungen funktionieren schneller, reibungsloser, und die Risiken von Datenlecks sinken. Doch genau darin liegt auch eine gewisse Trägheit: Je unsichtbarer ein System wird, desto weniger Kontrolle übt der Einzelne darüber aus.
Das gilt nicht nur für den Einkauf bei Amazon oder Netflix, sondern auch für weniger offensichtliche Bereiche. In manchen Ländern sind Zahlungen in bestimmten Sektoren – etwa bei Online Glücksspielen – teils streng reguliert oder sogar verboten. Dennoch können technische Lösungen wie die Tokenisierung dafür sorgen, dass Kreditkartenzahlungen auch in solchen Bereichen möglich bleiben, ohne dass diese beim Zahlungsdienstleister sofort als solche erkennbar sind.
So lässt sich zum Beispiel auch mit der Kreditkarte im Online Casino einzahlen – selbst wenn der direkte Weg über die klassische Karteneingabe womöglich gesperrt wäre. Die technische Abwicklung läuft im Hintergrund über Zwischenschritte, bei denen Tokenisierung den ursprünglichen Zahlungszweck verschleiern kann. Für Anbieter ist das ein Weg, Regularien zu umgehen; für Nutzer ein unbemerktes Sicherheitsrisiko – je nach Blickwinkel.
Datenschutz, Verantwortung und digitale Autonomie
Dass Mastercard mit seinem Tokenisierungsprogramm für mehr Sicherheit sorgt, lässt sich nicht leugnen. Doch zugleich stellt sich die Frage, wie viel Autonomie der einzelne Nutzer in dieser neuen Struktur noch hat. Wer entscheidet, welche Tokens wann aktiv sind? Welche Händler Zugriff erhalten? Und was passiert mit alten, ungenutzten Tokens? Werden sie gelöscht – oder lediglich in der Datenbank „schlummernd“ verwaltet?
Gerade in Europa, wo der Datenschutz einen hohen Stellenwert genießt, werden sich Datenschützer mit diesen Fragen beschäftigen müssen. Denn technische Innovation bedeutet nicht automatisch gesellschaftlichen Fortschritt. Intransparente Zahlungswege, automatisierte Entscheidungsprozesse und unsichtbare Datenströme könnten langfristig genau das Vertrauen gefährden, das sie eigentlich fördern sollen.