Eine satirische Groteske
Jetzt frisst die Energierevolution ihre eigenen Wähler, die der CDU. Der Grunewald, ein 22 Quadratkilometer geschützter Wald im Westen der Hauptstadt, ungefähr 10 Kilometer lang und stellenweise über 3 Kilometer breit, ist für viele Berliner so heilig wie der Petersplatz in Rom für Katholiken. Ein Rückzugsort, ein Symbol. Keine Eventfläche, sondern Berlins natürliche Antwort auf Beton und Lärm. Hier leben Seeadler, alte Buchen und Menschen und viel Prominenz in der teuersten Wohnlage Berlins.
Und genau hier sollen nun Windräder gebaut werden. Bis zu 270 Meter hoch. Fast so hoch wie der Berliner Fernsehturm. Und fast doppelt so hoch wie der Funkturm. Der Berliner Senat, unter CDU-Führung, will liefern: 0,5 Prozent der Landesfläche sollen für Windkraft ausgewiesen werden. Ergebnis: 72 Hektar Grunewald sollen gerodet, betoniert und zu einem Industriegebiet mit Ökosiegel gemacht werden. Ein Skandal, der besonders schmerzt, weil der Grunewald im CDU-Wählerstärksten Bezirk der Stadt liegt. Es ist, als würde man dem eigenen Stammklientel die Hecke anzünden – mit einem offiziellen Umweltzertifikat.
I. CDU-Ortsversammlung Wilmersdorf – Teil I: Erste Erschütterung
Wir schalten nun live in eine fiktive CDU-Ortsversammlung in Wilmersdorf, wo der Grunewald beginnt – und wo das politische Nervensystem langsam in die Knie geht.
Vorsitzender (nach Wasser schnappend):
„Wir müssen den Leuten sagen, dass das kein Verlust ist, sondern ein Beitrag. Ein Beitrag zur Zukunft. Ein Beitrag zur Verantwortung.“
Ein Teilnehmer ruft dazwischen:
„Was für ein Beitrag? Dass unsere Kinder später statt Baumhäusern Windmühlen zeichnen?“
Gelächter. Kurz. Dann betretenes Schweigen.
Vorsitzender:
„Wir haben hier eine Pflicht. Berlin muss Windkraft liefern. Wenn nicht wir, dann wird es anderswo schlimmer. Und … die Technik ist ja wirklich sehr modern.“
Ein Architekt mit CDU-Nadel:
„Modern? Das Fundament eines Windrads ist 3000 Tonnen schwer. Das sind 300 Betonmischer pro Turm. Wo kommen die durch? Durch die Wildschweinsuhle oder durch die Liegefläche?“
Eine Dame in Kaschmir:
„Ich wohne seit 35 Jahren hier. Ich habe damals gegen die Waldschänke protestiert, wegen der Parkplatzfläche. Und jetzt kommen da Rotorblätter so groß wie Flugzeugtragflächen?“
II. CDU-Ortsversammlung Wilmersdorf – Teil II: Widerstand formiert sich
Vorsitzender (klammert sich an Notizen):
„Wir können betonen, dass der Eingriff punktuell ist. Also: einzelne Rodungen. Die Wurzel bleibt erhalten. Bildlich gesprochen.“
Ein Teilnehmer mit Jagdhut:
„Wissen Sie, was die Rehe machen, wenn die ersten Rotoren anlaufen? Die ziehen nicht um. Die reißen aus.“
Vorsitzender:
„Das Projekt ist nun mal gesetzt. Es ist nicht die Frage ob, sondern wie wir es kommunizieren. Ich bitte Sie alle: Gehen Sie an die Haustüren. Reden Sie mit Ihren Nachbarn. Sagen Sie: Es ist halb so schlimm. Es wird sogar neue Waldwege geben, durch die Zufahrten. Vielleicht nutzen wir das für Jogging-Routen.“
Eine pensionierte Richterin:
„Joggen zwischen Trafostationen? Wie nennen wir das dann – Energielauf mit Scheuchwirkung?“
Vorsitzender hebt die Hände:
„Wir brauchen jetzt Rückgrat. Und Diplomatie. Und Ohrstöpsel.“
III. CDU-Ortsversammlung Wilmersdorf – Teil III: Eskalation und der Görli-Plan
Vorsitzender:
„Wir dürfen nicht alles emotionalisieren. Es gibt Studien, die zeigen, dass Katzen mehr Vögel töten als Rotorblätter.“
Ein Zwischenruf:
„Dann bauen wir demnächst Windkatzen. Hat auch Bewegung.“
Ein CDU-Mandatsträger:
„Ich sage es offen: Der Standort Grunewald ist ein Fehler. Wenn schon Windräder in Berlin, dann doch bitte im Görlitzer Park. Da wohnen die Grünen. Da wären die Windräder doppelt nützlich.“
Vorsitzender:
„Wie … doppelt nützlich?“
Antwort:
„Sie würden Vögel vertreiben und auch die Drogendealer. Endlich ein Ort, wo Scheuchwirkung politisch gewünscht wäre.“
Applaus. Unironisch.
Ein Bezirksverordneter:
„Ein Anwohner will wissen, ob sein Immobilienwert sinkt, wenn er künftig Rotorengeräusche hört. Ich hab geschrieben: Nein, er wird nachhaltiger.“
Ein Aufschrei
Ein PR-Berater meldet sich:
„Wir starten eine Kampagne. Slogan: Windkraft – Natürlich bei Ihnen. Dazu ein Bild vom Grunewald mit einem stilisierten Rotor, freundlich schwebend.“
Ein Aufschrei:
„Das ist doch kein Schmetterling! Das ist eine Abrissbirne mit Markenführung!“
Vorsitzender:
„Gut. Dann einigen wir uns auf drei Dinge:
Erstens: Wir tun so, als könnten wir noch etwas ändern.
Zweitens: Wir schicken Sie alle raus – zu den Nachbarn, an die Haustüren. Reden Sie von Chancen. Von Verantwortung. Von Wind.
Drittens: Wir beten, dass es vor der Wahl regnet – möglichst stark. Dann sieht man den Baufortschritt nicht.“
Letzte Protokollnotiz des eingeschleusten Natur-Romantikers: Diese Partei hat noch einen Puls. Aber er liegt unterhalb der Geräuschgrenze eines Windrads bei Windstille.
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Hinweis d. Red.: Ähnlichkeiten der vorstehenden Schilderungen mit der Realität wären mehr als rein zufällig!