„Echte Männer sind rechts“, schreibt der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah. Echte Männer sollten aber nicht nur rechts sein, sondern auch Charakter und Glaubwürdigkeit haben. Diese Qualitäten sind umso wichtiger, je seltener sie bei nichtrechten politischen Männern festzustellen sind. Es ist deshalb zu überprüfen, ob der Politiker Krah, der einen spektakulären Konflikt mit dem rechten Aktivisten und Theoretiker Martin Sellner provoziert hat, nicht nur argumentativ überzeugt, sondern wie es auch um seinen Charakter und seine Glaubwürdigkeit bestellt ist.
Von Wolfgang Hübner
Krah wirft Sellner vor, mit seinem Konzept der „Remigration“ nicht integrierbarer und nicht integrierwilliger Migranten in Deutschland einen staatsgefährdenden, verfassungswidrigen Weg zu vertreten und zu propagieren. Im Kontrast dazu schlägt Krah die „Hinnahme der Existenz verschiedener ethnischen Gruppen mit der deutschen Gruppe als der klar größten und dominierenden“ vor. In einem längeren Text hat Krah seinen Vorschlag ebenso begründet wie seine Ablehnung von Sellner Konzept. Ich komme inhaltlich darauf später zurück.
Vorerst stellt sich aber die Frage: Welche Dringlichkeit hat Krahs Angriff auf Sellner in Sachen „Remigration“? Ist dieses Thema derzeit so wichtig, dass es definitiv geklärt werden müsste? Ich kann das nur verneinen. Es ist in der Rechten unbestritten, dass Remigration in großem Maßstab erfolgen muss. Krah schreibt selbst, die „ethnisch bewusste Mehrheit“ der Deutschen „muss in einem ersten Schritt jede weitere Einwanderung stoppen und auf einen umfassende Ausschaffung von Ausländern drängen, die problematisch sind, also zum einen Kriminelle und zum anderen Transferempfänger“. Dazu bestehe „keinerlei Dissens mit Martin Sellner“.
Dabei hätte es Krah belassen können und sollen. Denn ob und was Sellner an weiteren Maßnahmen zur Remigration im Sinn hat, spielt realpolitisch keine Rolle außer in den Fantasien der Antifa. Sellners Verdienst ist es aber, den Begriff durchgesetzt zu haben, er wird auch nicht mehr mit der Hysterie von Anfang 2024 bekämpft. Warum also Krahs Attacke zur Unzeit und ohne konkreten Anlass? Vieles spricht für einen Verdacht, der höchst unerfreulich ist: Krah wählt sich ausgerechnet seinen Autorenkollegen vom Antaios-Verlag als „Watschenmann“ aus, um seine neue Sicht des Migrationsproblems möglichst öffentlichkeitswirksam in der Rechten zu präsentieren und sich, wie einst Joschka Fischer bei den Grünen, als Stimme der realistischen Vernunft in dem noch immer „gärenden Haufen“ (Alexander Gauland) der AfD zu profilieren.
Da Krah nach seinem 2023 erschienenem, noch immer lesenswerten Erfolgsbuch „Politik von rechts“ an einem neuen Werk arbeitet, dürfte die Aufregung um den Konflikt mit Sellner auch schon vor Erscheinen seines nächsten Buches auflagenfördernd sein. Zumindest nimmt Krah diese willkommene Nebenwirkung hin. Beider Verleger Götz Kubitschek hingegen ist gewiss alles andere als begeistert über das Geschehen. Denn Kubitschek dürfte den politischen Weg des schon oft von staatlichen Repressalien verfolgten unermüdlichen Kämpfers Martin Sellner für authentischer und glaubwürdiger halten als denjenigen des erst 2016 von der CDU zur AfD gewechselten Krah.
Zwar gilt auch für diesen die Devise „Lieber spät als nie“. Doch an der Frontlinie gesellschaftlicher Auseinandersetzungen hat der promovierte Jurist Krah bislang noch nicht gestanden. Ganz anders Sellner, den Krah herablassend einen „modernen Don Quichotte“ nennt. Bestimmt würde Krah den APO-Protagonisten Rudi Dutschke, an den nicht nur äußerlich Sellner Zeitzeugen wie mich erinnert, ebenso tituliert haben. Sich selbst begreift Krah als Mann, der „Deutschland retten“ will, dessen Nüchternheit leider „unsympathisch und kalt“ sei und der „keine Zeit für Träumereien“ habe.
Ich tue ihm sicher nicht unrecht, wenn sich da einer dem rechten Publikum und seiner Partei AfD als weitblickende Führungspersönlichkeit empfiehlt. Umso wichtiger ist deshalb der nähere Blick auf die neuen inhaltlichen Positionen in Krahs Migrationspolitik. Der Bundestagsabgeordnete sieht, da gebe ich ihm recht, keine Chance, in Deutschland und Europa „zu einer ethnischen Komposition der Bevölkerungen von vor 1970 zurückzukehren“. Ob Sellner diese Illusion hegt, möchte ich übrigens bezweifeln.
Er will aber, wie ich und viele andere Rechte auch, dass Deutschland nicht in „Allerland“ umgevolkt wird. Ich möchte das nicht, weil Deutschland auch künftig die Heimat der Deutschen, ihrer Geschichte, Kultur, Sprache und ihrer nicht immer sympathischen Eigenheiten bleiben soll. Wortreich beteuert Krah das auch zu wollen. Er schreibt aber: „Die Bewahrung des Deutschen kann daher nicht über den Staat erfolgen, sondern nur neben ihn.“ Dem sei – Sellner hin, Sellner her – widersprochen: Selbstverständlich muss der Staat, der sich Bundesrepublik Deutschland nennt, seinem Anspruch gerecht werden, der Staat der Deutschen zu sein.
Diese Deutschen können als Staatsbürger selbstverständlich auch nichtdeutsche Wurzeln besitzen, also unter Berücksichtigung bestimmter integrativer Voraussetzungen eingebürgert sein und damit alle staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten haben. Ob sie von weißer, brauner, schwarzer oder gelber Hautfarbe sind, ist dann egal – daraus darf keinerlei Diskriminierung folgen. Mit der von ihnen angestrengten Einbürgerung geben die Neubürger allerdings das Recht auf, ethnische Sondergruppen im Staat zu bilden. Krah hingegen, das ist der Kern seiner keineswegs originell neuen Überlegungen, will ihnen faktisch dieses Recht geben!
Die Ideologen von Multikulturalität und Diversität können ihr Glück kaum fassen, dass dieser Vorschlag von einem kommt, der sich für einen echten rechten Mann und Denker hält. An dieser Stelle erlaube ich mir einen leidvollen Blick zurück in meine Zeit als Frankfurter Kommunalpolitiker: Zwischen 2008 und 2010 fand in meiner Heimatstadt ein Grundsatzkonflikt von bundesweiter Bedeutung statt. Damals wurde von der berüchtigten grünen Integrationsdezernentin Eskandari-Grünberg das sogenannte „Diversitäts-Konzept“ vorgestellt. Dieses war nichts anderes als der strategisch gut geplante, wissenschaftlich verbrämte Abschied von der Mühsal der Integration von Ausländern in die deutsche Gesellschaft.
Mit massiver Unterstützung der Partei CDU, der Krah damals noch angehörte, wurde dieses integrationsfeindliche Konzept in Frankfurt durchgesetzt und zum Modell für ganz Deutschland. Seitdem wird hierzulande nicht mehr integriert – mit allen negativen Folgen. Ich habe auf verlorenem Posten mit meiner kleinen Fraktion versucht dagegen zu halten. Denn uns war klar, welche Folgen dieses „Diversitäts-Konzept“ politisch und gesellschaftlich haben würde.
Keine Rechte, keine rechte Organisation oder Partei wie die AfD kann und darf akzeptieren, dass Integration als Voraussetzung für Einbürgerung faktisch gestrichen wird. Und erst recht ist nicht akzeptabel, dass der deutsche Staat die Bildung fremder Ethnien im Bundesgebiet hinnehmen soll, wie es Krah offenbar vorschwebt. Zwar mögen die Kartellparteien sich mit der dramatischen Fehlentwicklung abgefunden haben, Gerichte ebenfalls. Doch die Rechte verliert geradezu ihr Existenzrecht, wenn sie das auch tut.
Der Hinweis, die Realität sei nun einmal so, wie sie ist, zeugt von Resignation und Hilflosigkeit. Die Realität kann immer politisch verändert werden, dazu ist ja auch ein Maximilian Krah im Bundestag. Dort könnte er sich übrigens viel sinnvoller den Themen zuwenden, die tatsächlich wichtig sind: Dem Irrsinn der Aufrüstung und Kriegspolitik, der unverantwortlichen Verschuldung Deutschlands, den sozialen Nöten der Normalverdiener usw.
Das sind allerdings Probleme, bei denen Krah nicht als Parteivisionär glänzen könnte und zu diesem Zweck reichlich skrupellos einen Einzelkämpfer wie Martin Sellner quasi als Staatsfeind denunziert.
Ich habe Krahs Buch „Politik von rechts“ nicht nur zustimmend gelesen, sondern auch sehr positiv für ein größeres Publikum rezensiert und empfohlen. Das war kein Fehler. Ein Fehler wäre es jedoch, in Zukunft einem AfD-Politiker zu vertrauen, der untaugliche Ideen für die Rettung Deutschlands präsentiert. Ein Maximilian Krah, das sagt mir meine langjährige politische Erfahrung wie auch das Bauchgefühl, wird noch viele Häutungen durchführen, um an die Spitze zu kommen. Für mich hat er sich als charakterlos und falscher Prophet entlarvt. Hoffentlich auch für andere.