Von allen guten Geistern verlassen: BND-Chef Martin Jäger (Foto:Imago)

Unverantwortliche Kriegsrhetorik: BND-Chef Jäger sieht Russland vor „direkter Konfrontation mit NATO“

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Lange ist es her, dass in Deutschland die Chefs von Bundesbehörden sachlich fundiert, qualifiziert und unabhängig von tagespolitischer Beeinflussung ihre Einschätzungen von Risiken und Bedrohungslagen vortrugen, mit Augenmaß in der Beurteilung, mit Bedacht in der Formulierung und durchaus auch bereit, den Regierenden, wo nötig, mit der Autorität ihrer privilegierten Insidereinblicke zu widersprechen. Davon ist seit Merkel nichts übriggebliebene: Heute gehört es zu den Grundanforderungen weisungsgebundener Oberbehörden, die jeweils gerade erwünschten Hysterie und Panikmache ohne zu murren und pflichtschuldig nachzuplappern und ungeheuerliche Aussagen mit dem Anstrich fachlicher Expertise zu schmücken, ganz so, wie dies die Politik jeweils vorgibt und erwartet. Diese unselige Gleichschaltung wurde erstmals Ende 2018 im Fall des geschassten Bundesverfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen sichtbar, als dieser sich weigerte, die – mittlerweile auch gerichtlich als solche erwiesenen – Lüge von den angeblichen “Hetzjagden auf Ausländer” in Chemnitz, auf der Merkel beharrt hatte, zu bestätigen, woraufhin er durch den servilen Befehlsempfänger Thomas Haldenwang ersetzt wurde. Wenig später, während der Corona-Krise, taten dann die Chefs von Robert-Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Institut widerspruchslos das, was die Regierung von Ihnen forderte, und stellten für die geforderte pseudowissenschaftliche Propaganda sogar gegenteilige wissenschaftliche Erkenntnisse zurück.

Heute, da die neue Hauptbedrohung aus dem wieder mal als Ur- und Erbfeind dämonisierten Russland kommen soll, stehen natürlich möglichst blumige Schilderungen einer Kriegsgefahr in Mitteleuropa und drastische Einordnungen des zuständigen Geheimdienstes hoch im Kurs. Und wie nicht anders zu erwarten, liefert diese der neue Präsident des Bundesnachrichtendienstes natürlich gerne: Martin Jäger, gerade erst als Nachfolger Bruno Kahls im Amt, hängt offenbar an seinem Job – zu sehr jedenfalls, als dass er dafür nicht bereit wäre, in die unterste Schublade zu langen. Also trägt der BND-Chef im Interview mit dem “Deutschlandfunk” gleich ganz dick auf: Russland bereite eine “direkte Konfrontation mit der NATO” vor, weiß er. Putin sorge außerdem für eine “stetige Eskalation” der Bedrohungslage. Seine Einschätzung basiere dabei auf “aktuellen Geheimdienstanalysen” sowie darauf, dass “der Kreml unter Wladimir Putin die NATO als primären Gegner” betrachte; nein, sowas aber auch! Eine Einschätzung, die bahnbrechend ist wie jene, dass es am Nordpol Eisbären gibt (denn schon immer betrachteten im West-Ost-Dualismus NATO und Russland einander als “primäre Gegner”) – doch hier wird sie als brandgefährliches Novum dargestellt.

In mehrfacher Hinsicht obszön

Es ist eben jener Aufguss aus raunenden Allgemeinplätzen und und nebulösen, angeblich akuten Bedrohungsszenarien, für die es jedoch konkret – zumindest jenseits der säbelrastenden Unterstellungsrhetorik westlicher Militärs – nicht den geringsten objektiven Anhalt gibt. Der Sinn dahinter ist simpel: So soll die Kriegstüchtigkeit und -bereitschaft in der Bevölkerung gesteigert werden. Jäger sagt es ganz offen: Es bedürfe nun der dringenden “Stärkung der westlichen Verteidigungsfähigkeiten” – denn Russlands “anhaltende Aggression in der Ukraine” sei “nur der Auftakt zu einer größeren Konfrontation”. Nochmals, Beweise für diese These werden nicht vorgelegt und diese kontrafaktischen und logikfreien Behauptungen werden inzwischen nun also nicht mehr nur von verantwortungslosen Medien mit Elan weiterverbreitet, sondern auch von just den Behörden unters Volk gebracht, die es eigentlich besser wissen müssten. Dass Russland gegen die konventionell-militärisch und vom Verteidigungsetat her vielfach – zwischen dem Faktor 3,5 und 13-fach – überlegene NATO ernsthaft einen Angriffskrieg wagen würde (was zwingend seinen eigenen Untergang zufolge hätte), ist ein Ammenmärchen, das einzig dem Zweck dient, die bereits vollends enthemmte Ukraine-Solidarität durch Übertragung von deren angeblichem Schicksal als überfallenes, unschuldiges, friedliebendes, wertebasiertes Land auf den ganzen Westen nochmals zu steigern. Das ist in mehrfacher Hinsicht obszön: Einmal, was es die komplexe Vorgeschichte des Ukrainekrieges sträflich außer Acht lässt und die These von der willkürlichen Expansionslust Russlands fortschreibt; und zum anderen, weil Russland zu keinem Zeitpunkt Sicherheitsinteressen des Westens nachweislich verletzt hat – denn alle angeführten angeblichen Gegenbeispiele und -beweise lösten sich bislang in Luft auf, von verletzten Überflugrechten bis hin zu den Geisterdrohnen.

Trotzdem schwadroniert der Chef des Bundesnachrichtendienstes in besorgniserregender Fahrlässigkeit von einer eingebildeten äußeren Bedrohung und bemüht damit eine Rhetorik, die frappierend an die des Sommers 1914, an den Vorabend des Esten Weltkriegs erinnert. Dass Jäger dann auch noch für eine “totale Mobilmachung” der Ressourcen plädiert, zeigt endgültig, dass Deutschlands Sicherheitsbehörden wie auch die sie steuernden Politiker völlig übergeschnappt sind. Wenn es irgendwann knallt, dann nicht wegen Putin, sondern weil diese galoppierende Hysterie irgendwann zu Kurzschlusshandlungen führt. Diesen Kriegstreibern muss dringend das Handwerk gelegt und endlich wieder zu einer Politik des Dialogs und der Entspannung gefunden werden – sonst reiten uns die skrupellosen Scharfmacher und Sprechpuppen einer rüstungslobbyistischen, globalistischen Klasse kollektiv ins Verderben. (TPL)

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