Kulturstaatsminister Wolfram Weimer : Peinliches Eigentor (Foto:Imago)

Peinlich, peinlicher, Weimer: Ein Kulturminister als Dieb geistigen Eigentums?

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Kulturstaatsminister Wolfram Weimer inszeniert sich gerne als Kämpfer gegen die AfD und will nationale Wahrzeichen wie das Hermannsdenkmal oder das Hambacher Schloss vor der angeblichen “Vereinnahmung” durch diese schützen. Außerdem prophezeit er der Partei für die nächste Bundestagswahl einen Absturz auf neun (!) Prozent. Diese Töne sind für den parteilosen Dampfplauderer und in die Politik gewechselten schöngeistigen Verleger aber recht neu – denn seine Berührungsängste mit der AfD begannen offenbar erst mit der Übernahme seines Regierungsamtes. Denn seit 2017 steht die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel offiziell auf der Autorenliste des zu Weimers Medienkonzern gehörenden Portals „The European“ – oder vielmehr: stand, denn seit dieser Umstand bekannt wurde, wurde sowohl Weidels Name als auch die rund 100 Publikationen aus ihrer Feder, die beim „European“ erschienen, gelöscht.

Diese auffällige damnatio memoriae und Archivbereinigung, mit der sich der Opportunist Weimer offenbar früherer verfänglicher Kontakte entledigen will, ist jedoch nicht der eigentliche Skandal: Um die Absurdität perfekt zu machen, kam im Zuge der Löschung heraus, dass Weidel von ihrer vermeintlichen Autorenschaft beim „European“ überhaupt nichts wusste! Denn ihr Büro teilte gegenüber dem Blog von Alexander Wallasch (wo der auch bei Ansage! schreibende Rechtsanwalt Dirk Schmitz die delikate Autorenstreichung Weimers öffentlich gemacht hatte) mit: „Weder hat Alice Weidel je als Autorin für die Plattform ‚The European‘ geschrieben, noch wurde sie über die Nennung als Autorin informiert oder um entsprechende Freigabe dieser Veröffentlichungen gebeten.“ Die Methode, auf diese Weise eine größere Anzahl an – zudem namhafter – Autoren zu suggerieren, erscheine „durchaus dubios und unseriös“. In der Tat: Im Zuge der bekanntgewordenen Löschorgie beim “European” haben sich inzwischen auch weitere Persönlichkeiten gemeldet, die fälschlicherweise als Autoren auf dem Portal aufgeführt sind – obwohl deren Texte dort lediglich übernommen oder zusammenkopiert wurden, ohne dies kenntlich zu machen und die Autoren darüber zu informieren.

Schwere Blamage

Für Weimer ist das – abgesehen von der Rückgratlosigkeit, sich von zuvor offenbar selbst zusammengeklaubten unautorisierten Beiträgen Weidels aus Sorge um auf seine politische Tragbarkeit zu distanzieren – eine schwere Blamage, die an seiner vermeintlichen Seriosität kratzt. Denn pikanterweise hatte ausgerechnet er sich gerade erst in einer aggressiven Rede auf der Frankfurter Buchmesse zum moralischen Scharfrichter über US-KI-Konzerne aufgeworfen, die das kreative Potenzial “aus unzähligen klugen Köpfen saugen” und geistiges Eigentum rauben würden, wie er kritisierte: „Ich benutze das Wort ganz bewusst: Ich halte das für einen geistigen Vampirismus. (…) Als hätten sie eine Lizenz, Rohstoffe abzubauen und weiterzuverarbeiten. Doch es handelt sich hier nicht um Rohstoffe. Es handelt sich um Texte und Bilder, um Musik, um Filme. Um ganze Lebensleistungen. Und vor allem: Eine Lizenz haben sie nicht. Es herrscht da Goldgräberstimmung. Doch was in den Rechenzentren von Silicon Valley bis Shenzhen passiert, das ist ein höchst lukrativer, ein industriell organisierter, ein technologisch super beeindruckender, aber eben doch ein Raubzug“, so Weimer. Er nenne das „digitalen Kolonialismus, den wir nicht länger hinnehmen sollten“.

Und nun wird kurz darauf bekannt, dass ebendieser Weimer selbst als geistiger Vampir fungiert hat, um der Öffentlichkeit vorzugaukeln, „The European“ sei ein Medium, bei dem Dutzende bekannte Persönlichkeiten wissentlich und und regelmäßig publizieren – während er sich offenkundig einen Autorenpool herbeicollagiert hat, der noch nicht einmal etwas von seinem Glück wusste, dort publiziert zu werden. Weimers Nischenportal sollte dadurch offenkundig der Ruf eines angesagten Debattierraumes verliehen werden, den es in Wahrheit nie hatte. Hier wurde möglicherweise Urheberrechtsverletzung in riesigem Ausmaß begangen, ganz zu schweigen vom Betrug an den Lesern. Ironischerweise wäre all das nie aufgeflogen, hätte Weimer nicht aus Gefallsucht und vorauseilendem Gehorsam seinen demonstrativen AfD-Exorzismus durch Nachzensur der eigenen Medienformate auf die Spitze getrieben und so schlafende Hunde geweckt. Si tacuisses, philosophus mansisses, möchte man ihm zurufen. Angesichts dieser Enthüllungen dürfte Weimer eigentlich keinen Tag länger im Amt bleiben. (WF)

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