Die Qual der Wahl (Foto: Imago)

Lauterbach sichtlich angefressen: Ärtzetag in Essen wird zur Generalabrechnung

In seiner Eröffnungsrede zum 127. Ärztetag in Essen nahm der Präsident der Bundesärztekammer kein Blatt vor den Mund und rechnete mit dem amtierenden Gesundheitsminister Karl Lauterbach regelrecht ab. Der war am Ende sichtlich konserniert, denn Dr. Klaus Reinhardt schloss seinen Vortrag zielgerichtet mit einem Zitat des Altkanzlers Helmut Schmidt an Lauterbach: “Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. In diesem Sinne, heiße ich Sie herzlich willkommen auf dem Deutschen Ärztetag.”

Der BÄK-Präsident kritisierte vor allem, daß den eigentlich Betroffenen und Beteiligten Experten aus der Ärzteschaft komplizierte Gesetzesvorlagen so kurzfristig vorgelegt würden, daß sie keine Zeit mehr haben, diese überhaupt zu durchdringen. Dadurch würden Gesetzentwürfe durchs Parlament gewinkt, ohne die wahren Experten anzuhören. Für ihn sei ein solches Vorgehen “demokratiegefährdend” und “eine nicht mehr länger hinnehmbare Dehnung unseres Rechtsstaates”, schoß Reinhard knallhart gegen den Gesundheitsminister in der ersten Reihe, der sichtlich angefressen war.

“Ich muss das hier in aller Deutlichkeit sagen: Die nach wie vor engen Fristsetzungen für Stellungnahmen der Organisationen aus dem Gesundheitswesen können und werden wir nicht weiter hinnehmen!
Wie absurd diese Verfahren vermeintlicher Beteiligung laufen, darf ich Ihnen, Herr Minister Lauterbach, noch einmal anhand einige Beispiele vor Augen führen:
– Die Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zum Ausgleich für Steigerungen der Kosten für den Bezug von Erdgas und Strom: Eingang des Entwurfs: 21.11.2022, 11.00 Uhr, Stellungnahmefrist: 21.11.2022, 19.00 Uhr
– Die Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus: Eingang des Entwurfs: 24.06.2022, 13.45 Uhr, Stellungnahmefrist: 24.06.2022, 18.00 Uhr
– Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes: Eingang des Entwurfs: 09.03.2023, 01.08 Uhr (!), Stellungnahmefrist: 09.03.2023, 10.00 Uhr
Ich könnte Ihnen zig weitere dieser Beispiele nennen. Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um umfangreiche und komplexe Gesetzentwürfe und Verordnungen, die zu prüfen und zu bewerten mindestens Tage, wenn nicht Wochen in Anspruch nehmen würde.”

In Vor-Corona-Zeiten hätte man den am Stellungnahmeverfahren beteiligten Organisationen diese Zeit zugebilligt, doch seit Corona scheine die Notlösung zum Normalfall zu werden, führte Reinhard aus. Doch Expertenanhörungen und Stellungnahmeverfahren sind aus gutem Grund feste Bestandteile von Verordnungs- und Gesetzgebungsprozessen.
“Nur wir können den Praxischeck machen, ohne den jede Reform zu Verwerfungen in der Versorgung führt oder ins Leere läuft”, erklärte der BÄK-Präsidenten dem Gesundheitsminister unterstellte ihm sogar Absicht: “Herr Minister, Sie stellen fest, Sie wüssten im Vorhinein, was Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Pflegerat und viele weitere Organisationen zu Ihren Reformplänen sagen würden – und deshalb beteiligen Sie uns erst gar nicht an Ihren Reformkommissionen.
Mit Verlaub, das ist billig, aber nicht Recht! Wir sind keine Lobbyorganisationen!
Ärztekammern sind als Körperschaften öffentlichen Rechts für die Einhaltung des Berufsrechts zuständig und übernehmen wichtige Aufgaben im staatlichen Auftrag.
Als ärztliche Selbstverwaltung ist uns der Gemeinwohlbezug immanent.
Nachhaltig gut für die Patientenversorgung können Reformen nur sein, wenn wir, die Ärztinnen und Ärzte, zuvor den Praxischeck durchgeführt haben.
Partizipation vor Planung sollte deshalb am Anfang einer jeden Reformidee stehen.
Herr Minister, Sie haben zweifellos eine Vision von der Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens.
Altkanzler Helmut Schmidt hat dazu einmal gesagt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.
In diesem Sinne, heiße ich Sie herzlich willkommen auf dem Deutschen Ärztetag”, so Reinhard und erntete Applaus aus den eigenen Reihen. Zurück blieb ein sichtlich verärgerter Gesundheitsminister , dem von höchster Stelle mal gründlich die Leviten gelesen worden waren. (MS)

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