Frau Helene Fischer - Foto: Imago

Gut & Günstig: Frau Helene Fischer verabscheut Herrn Wladimir Putin

Wer kam am 5. August 1984 in Krasnojarsk/Sibirien, 3.300 Kilometer östlich von Moskau zur Welt? War es Sergei Gergiev? War es Anna Netrebko? Nein, es war Frau Helene Fischer. Und das hätte im Jahr 2022 gefährlich werden können. Wurde es dann aber nicht. Wos a Erleichterung. Die Medienkritik.

von Max Erdinger

Vermutlich jeder in Deutschland weiß, wer Frau Helene Fischer ist. Und wer Herr Wladimir Putin ist, das weiß auch jeder. Auf mehr als sechzehn Millionen verkaufte Tonträger kann aber nur Frau Helene Fischer blicken. Sie zählt zu den finanziell erfolgreichsten Sängerinnen Deutschlands und ist eine der bestverdienenden Musikerinnen weltweit. Da kann Herr Wladimir Putin einpacken. Von dem will in Deutschland keiner mehr etwas vorgesungen bekommen. Damit das auch so bleibt, wurden sämtliche medialen Windräder angepustet, daß es nur noch so rauscht im frühlingsgrünen Blätterwald. “Bild”, “t-online”, “Spiegel”, “Weserkurier”, “SHZ”, “Welt”, “n-tv”, “Kölner Stadtanzeiger”, “Merkur” und was-weiß-ich-wieviele Hochinformationsgazetten noch berichteten über Frau Helene Fischer und das Gefühl der Abscheu, welches sie dem Herrn Wladimir Putin gegenüber kultiviert hat – und über Frau Helene Fischers Solidarität mit der Ukraine.

Nun ist aber Frau Helene Fischer nicht nur eine begnadete Sangeskünstlerin, welche mit ihren tiefsinnigen Chansons die Herzen der “die Menschen” in Deutschland berührt, sondern sie sieht auch noch ziemlich gut aus, was einen akustischen Nebeneffekt zeitigt, der vom Rauschen des Blätterwaldes lässig übertönt wird, um nicht zu sagen, schamvoll verschwiegen. Er stammt von den Trällermännchen, die nach einem anstrengenden Tag im Blätterwald atemlos die nächtlichen Palmen schütteln, während sie mit Stielaugen auf das Cover des Tonträgers glotzen. Sie sind klein, ihr Herz ist rein. Doch im Traum sind sie der große Stecher, nicht Putin, dieser Erzverbrecher. Es gibt Illusionen, die das Trällermännchen ungern verliert. Und schon hat der Blätterwald wieder gewonnen gegen das eigenständige Denken. Kein Frau-Helene-Fischer-Fan wird auch nur noch ein einziges gutes Haar an Herrn Wladimir Putin lassen. Schon aus Solidarität mit der schönen Helene nicht. Bei 16 Millionen verkauften Tonträgern, auf denen aus guten Gründen Frau Helene Fischer abgebildet ist – und nicht das wunderschöne Krasnojarsk, wo Fischers Fritz im Jenissei einst frische Fische fischte – , ist das ein enormes Ukraine-Solidaritätspotential. Das kann man medial nicht einfach brachliegen lassen. Schlimm genug, daß Frau Helene Fischer von ihrem Anti-Putin-Gefühl beim “Snowpen-Air-Festival” im schweizerischen Grindelwald erzählte, dem ersten Auftritt nach ihrer Babypause. Wo sie nur dieses Baby herhat … frust. Aber egal jetzt.

Geteert und gefedert

Man kann Frau Helene Fischer schon glauben, daß sie ein Gefühl der Abscheu dem Herrn Wladimir Putin gegenüber hat. Solche Menschen gibt es tatsächlich. Man muß es ihr aber nicht glauben. Sie hat ein sehr erfolgreiches Management, das genau weiß, wie man finanziellen Erfolg produziert. Als Tonkünstlerin zu Herrn Wladimir Putin und der Ukraine einfach zu schweigen, ist allerweil wenig erfolgversprechend. Todsicher erfolgreich ist es hingegen, Herrn Wladimir Putin in Grund & Boden zu verdammen. Das zahlt sich aus und sichert die Rente. Gut denkbar ist deshalb, daß Frau Helene Fischers Management der gutaussehenden Sangeskünstlerin gräßliche Fotos gezeigt hat von einem russischen Star-Dirigenten und einer russischen Weltklasse-Sängerin, die geteert und gefedert aus dem Lande gejagt wurden, mit deutschen Politikern im Hintergrund, die ihnen lange Nasen drehten, während sich die beiden Kunstrussen geknickten Taktstocks und gebrochener Stimme in ihr Schicksal fügten.

“Du bist in Krasnojarsk zur Welt gekommen, Helene! Willst du, daß es dir so ergeht wie den beiden Starrsinnigen auf diesen Fotos?”, könnten sie die Künstlerin gefragt haben, die atemlos und mit schreckensgeweiteten Augen ihren Blick zwischen den Bildern und einer Speisekarte hin- und herwandern ließ. “Weißt du, was wegen der Inflation übermorgen die Pizza kosten wird, die hier noch für 8 Euro 50 abgebildet ist, Helene? Willst du uns alle dem Hungertod ausliefern mit deinem Schweigen? Sag´ endlich was!”. Tja, und dann könnten sie vereinbart haben, daß Frau Helene Fischer bei ihrem ersten Auftritt nach der Babypause im schweizerischen Grindelwald etwas sagt. Zu Putin und zur Ukraine. Und zwar das richtige. So könnte das gewesen sein.

Wahrscheinlich war es aber anders. Wahrscheinlich empfindet Frau Helene Fischer tatsächlich Abscheu dem Herrn Wladimir Putin gegenüber. Auch für diese Annahme gibt es gute Gründe, wie ich bereits am eigenen Leibe erfahren durfte. Das hat mit der Menschlichkeit jener “die Menschen” zu tun, von denen nicht wenige Frau-Helene-Fischer-Fans sein dürften. Von denen bekomme ich immer Reaktionen auf meine Artikel zu Herrn Wladimir Putin, den fiesen Russen und dem Ukrainekrieg. Ihr menschliches Solidaritätsgefühl mit der Ukraine führt ihnen die Feder. Das darf man nicht verwechseln. Ihre Solidarität gilt ausdrücklich der Ukraine, nicht den Ukrainern. Mir gilt sie überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Die Kommentatoren hatten schon Bilder von mir im Kopf, mit denen sie jeden Eignungstest für das ukrainische Asow-Regiment bestanden hätten. Erst gestern wieder wurde ich als “Kinderficker” bezeichnet, der sich nach Russland verziehen soll, wenn es ihm hierzulande nicht mehr gefällt. Von russischen Panzerketten soll ich bis zur Unkenntlichkeit zermatscht werden; zum Tode sei ich bereits verurteilt und dergleichen mehr. Alles, was eben vor Solidarität mit der lieben Menschlichkeit nur so strotzt.

Deshalb: Frau Helene Fischer singt schon schöne Lieder für die menschlichen “die Menschen” im Lande der deutschen Menschlichkeit. Die Abscheu dem Herrn Wladimir Putin gegenüber paßt da bestens dazu. Die ganze Solidarität mit der Ukraine des Herrn Selenskyi ebenso. Das ist auch so ein total menschlicher Typ. Und soooo ein freiheitsliebender Demokrat ist er.

Es bleibt dennoch dabei: Ehe ich auch nur einen Cent ausgebe für einen Tonträger von Frau Helene Fischer, ziehe ich lieber mit Herrn Gergiev und Frau Netrebko nach Russland und schaue von dort aus zu, wie die deutschen Frau-Helene-Fischer-Fans auf der Jagd nach der letzten Rolle Klopapier atemlos durch die Nacht hetzen. Nach Gergiev und Netrebko, nach Angriffen auf Russen und ihre Kinder in Deutschland: Frau Helene Fischer sagt etwas – und der ganze deutsche Blätterwald hat nichts besseres zu tun, als freudig erregt – , sich fast überschlagend vor serviler Dienstbarkeit, darüber zu berichten, was Frau Helene Fischer gesagt hat. Es ist f*cking unfassbar! Den vereinigten und gleichgeschalteten “Kollegen” von der Frau-Helene-Fischer-Presse in Menschlichdeutschland wünsche ich, daß ihnen ihre Zeitungen erhalten bleiben. Damit sie wenigstens noch etwas in der Hand haben, mit dem sie sich künftig ihre Hintern abwischen können.

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