Foto: Imago

Eine Spaltung mit Symbolcharakter

Auf den ersten Blick ist die Spaltung des deutschen Schriftstellerverbandes PEN keine Sache von besonderer Wichtigkeit für einen Staat, der ganz andere Probleme hat. Und da Dichter, Publizisten und Romanautoren ein sehr individualistisches Völkchen mit ganz unterschiedlichen Weltbildern sind, nehmen Konflikte unter ihnen auch nicht wunder. Wirklich bedeutende Literaten spielen in solchen Verbänden ohnehin keine große Rolle, weil sie das in der Regel gar nicht nötig haben.

Von Wolfgang Hübner

Doch auch nicht so wichtige Schöpfer von gedruckten und verbreiteten Texten sind für die Kultur einer Nation von Relevanz, weil sie den veröffentlichten geistigen Diskurs mitbestimmen und prägen.

Nun gab es kürzlich großen Krach im deutschen PEN, der sich vor allem an der Figur ihres inzwischen zurückgetretenen Präsidenten Deniz Yücel entzündete. Yücel, der noch immer von seinem Opferstatus wegen längerer Haft in der Türkei profitiert, hetzt und pöbelt nicht nur in seinen stark linksgerichteten publizistischen Arbeiten nach Herzenslust, sondern tat das auch im Verband, verbunden mit autoritärem Gehabe. Da er sich im PEN nicht mehr so durchsetzen konnte wie er wollte, trat er schließlich im Zorn zurück und hat nun mit etlichen gleichgesinnten Literaten, oder was sich für solche hält, den PEN Berlin gegründet. Und selbstverständlich wurde Yücel zusammen mit der Romanautorin Eva Menasse auch gleich zu den beiden „Sprecher:innen“ gewählt.

Was daraus wird, muss die Zukunft erweisen. Tatsache ist jedenfalls, dass die deutschen Schriftsteller nicht mehr bereit sind, in einem Verband miteinander zu reden und ihre Interessen wahrzunehmen. Damit verstärkt sich die Tendenz einer immer stärker und schärfer werdenden gesellschaftlichen Spaltung in größere oder kleinere Bevölkerungsteile, die keine Gemeinsamkeiten mit Andersdenkenden, Anderslebenden oder Andershandelnden erkennen können oder erkennen wollen. Die Deutschen sind zunehmend weniger ‚ein Volk‘, sondern immer mehr eine vielfach untereinander zerstrittene, zerrissene, atomisierte Bevölkerung.

Für den politisch-medialen Machtkomplex in Deutschland ist das eine sowohl gewollte wie günstige Entwicklung nach dem uralten Motto „Teile und herrsche“. Ob Massenmigration, „Kampf gegen rechts“, Corona oder nun der Ukraine-Krieg – immer wieder werden Spaltungen nicht nur erzeugt, sondern auch massiv gefördert. In Anbetracht dieser Entwicklung ist es absurd, auf eine höhere militärische und zivile Wehrbereitschaft zu hoffen, indem 100 Milliarden Euro für Rüstung ausgegeben werden. Diese so fragmentierte Bevölkerung, die kaum mehr als Volk bezeichnet werden kann, wird Deutschland weder verteidigen können noch wollen. Und einer wie Deniz Yücel wird genau das sehr gut und sehr progressiv finden.

Entdecke mehr von Journalistenwatch

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen