Auf nach Kiew, Putin jagen (Foto: ViDI Studio/Shutterstock)

Alles rennet, rettet, flüchtet nach Kiew

Welche deutschen Minister waren eigentlich in letzter Zeit noch nicht in Kiew? Sollte das ausgerechnet Antifa-Nancy gewesen sein, die doch so gerne Leute mit Nazitätowierungen bekämpft? Na egal, nun will jedenfalls endlich auch Kanzler Olaf Scholz die Hauptstadt von Selenskyjs und Melnyks kleiner werdendem Reich besuchen.

Von Wolfgang Hübner

Nicht allein, sondern in hochrangiger Begleitung, der wohl auch als Geleitschutz gegen russische Raketen dient – mit Frankreichs Macron und Italiens Euroschlawiner Draghi. Die drei EU-Schwergewichte wollen in Kiew – ja, was wollen sie dort überhaupt? Die ukrainische Wehrkraft stärken? Putin ganz aus der Nähe die lange Nase zeigen? Noch mal Kiew ansehen, bevor sich der Russe dort dicke macht?

Man weiß es nicht. Aber es gibt einen schlimmen Verdacht unter den vielen Blau-Gelb-Freunden in deutschen Landen: Scholz, Macron und Draghi fahren zu Selenskyj, um ihn zu Verhandlungen mit den Moskowitern zu drängen. Denn alle drei haben festgestellt, dass der Plan mit dem Putin-Ruinieren überhaupt nicht funktioniert. Weder ist – wie voreilig angekündigt – die russische Armee „auf den Knien“ und die ukrainische Siegesparade vorm Kreml bereits in Planung, noch provozieren all die westlichen Sanktionen Massendemonstrationen in den russischen Großstädten oder gar den Sturz des kleinen Zaren aus der Leningrader Kommunalka. Vielmehr verursachen die Sanktionsfolgen immer größere Probleme und Kosten im inflationsgebeutelten WertlosWesten.

Das darf natürlich nicht zugegeben werden, denn wir stehen ja bekanntlich in Deutschland endlich mal auf der richtigen Seite der Geschichte. Also muss die Kiew-Reise der drei Machthaber dem Publikum als grandioser Beweis für die unverbrüchliche und ewige Solidarität mit der Ukraine verkauft werden. Und Scholz, Macron oder Draghi werden den Teufel tun, Zweifel an dieser Version zu nähren.

Doch wenn die drei mal ganz allein mit Selenskyj und Vertrauten im Luftschutzkeller des Präsidentenpalastes in Kiew konferieren, werden sie ihn schon heftig ins interreligiöse Gebet nehmen. Ihn nämlich beschwören, endlich einen Deal mit Putin auszuhandeln, der ihren Gesprächspartner ebenso zu retten vermag wie ihre schönen Führungspositionen. Danach allerdings wird der Komiker seine Chefs in Washington anrufen. Und dann geht eben alles weiter wie bisher, oder?