Das Pharmaunternehmen Biontech will zur Genehmigung seines neuen “Impfstoffes” gegen die mild verlaufende Omicron-Variante zur Genehmigung nur Tierdaten einreichen, auf klinische Studien am Menschen verzichten und stößt dabei bisher noch auf Widerstand.
Biontech-Chef Ugur Sahin setzt weiter auf schnelles Geld und will, daß seine “Weiterentwicklung” so schnell wie gewöhnliche Grippeimpfstoffe durch die Kontrollgremien gewinkt wird, berichtet die Welt. Der in der Türkei geborene und in Deutschland aufgewachsene Gründer des Mainzer Biotech-Unternehmens will, daß die Behörden bis Ende diesen Monats grünes Licht für seine neuen, angepassten “Impfstoffe” geben. Widerspruch kommt vom Chef des Paul-Ehrlich-Instituts Klaus Cichutek, der auf “Sorgfalt” dringt, gleichzeitig aber von “mehr Flexibilität” spricht. Laut Chichuk, fordert “Goldesel” Sahin, dass für die Genehmigung der Variantenimpfstoffe nur Tierdaten vorgelegt werden müssen. Doch die dafür nötige Notlage sei derzeit nicht gegeben, meint Chichuk. “Wenn wir uns in Ruhe vorbereiten auf die Herbstwelle, gibt es überhaupt keinen Grund, auf die entsprechenden klinischen Daten beim Menschen zu verzichten”, erklärt der 66-jährige Biochemiker.
Der Zeitplan für die “neuen” experimentellen Impfstoffe ist sowieso schon wieder schneller als üblich. Bereits im September könnten die aktualisierten “Impfstoffe” den Markt erneut überschwemmen, wie der Chef des EMA-Impfstoffprogramms Marco Cavalieri vor kurzem bekannt gab. “Wir erwarten, dass die Ergebnisse der laufenden klinischen Studien in den kommenden Wochen und Monaten vorgelegt werden”, erklärte Cavalieri. Geht es nach der Behörde, müssten die neuen Impfstoffe erst einmal zeigen, daß sie den bisherigen Seren überlegen sind.
Auch Virologe Alexander Kekulé dringt – wohl angesichts der möglichen schweren Nebenwirkungen – auf klinische Studien am Menschen: “Die mRNA-Vakzine sind nicht vergleichbar mit Influenzaimpfstoffen. Die Veränderung weniger mRNA-Bausteine kann unerwartete Wirkungen haben“, warnt er. Die “sehr seltenen Herzmuskelentzündungen” seien selbst für selbst für Fachleute überraschend gewesen. Eine Notlage könne Kekulé nicht erkennen: Schließlich seien in Deutschland mehr als 85 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft, gut 91 Prozent bei den über 60-jährigen und viele Millionen Menschenketten durch eine Infektionen zumindest eine Teilimmunität erworben. Außerdem “sind Omikron und seine Untervarianten deutlich weniger gefährlich als ihre Vorgänger”, so Kekulé.
Doch Biontech-Gründer Sahin drückt aufs Gas. Sieben Monaten für klinische Studien am Menschen scheinen ihm zu lang und so will er eine Abkürzung nehmen. Der saisonale Grippeimpfstoff würde schließlich auch ohne entsprechende Studien auf den Markt gebracht werden und dadurch bereits nach drei Monaten liefern, so seine Begründung. Das sieht auch der Virologe Klaus Stöhr so: “Eine vollumfängliche klinische Studie würde zu lange dauern, auch für die potenziell jährliche Anpassung der Impfstoffe”, sagt er gegenüber der Welt am Sonntag. Für ihn hat das Zögern der Zulassungsbehörden einen anderen Grund: Die Wirksamkeit der neuen “Impfstoffe” sei nicht so überzeugend wie erhofft.
Den Überfliegern Şahin und seiner Ehefrau Özlem Türeci sitzt die Konkurrenz im Nacken: Beim neuen Serum des Pharmakonzerns Moderna ist zwar offen, wie gut es gegen die Omikron-Untervarianten schützt, weil es nur gegen Omikron entwickelt wurde, doch die US-Firma scheint bereits einen Schritt weiter. Auch sie habe laut Welt bisher nur Labor- und Tierdaten eingereicht, doch die Firma habe sich mit den Behörden auf ein “kleineres Datenpaket” geeinigt, heißt es. Ein „Entgegenkommen der Behörden“ nennt das der medizinische Direktor Alfred von Krempelhuber.
Şahin zählt zu den 500 reichsten Menschen der Welt. Er hält 17,25 % der Anteile an Biontech. Er verfügt (Stand November 2021) über ein Vermögen von 13,3 Milliarden US-Dollar. (MS)