"zele nski volo domi" & Robert Habeck (Foto: 360b/Shutterstock)

Warum Kiew im Osten verliert

Der renommierte israelische Militärtheoretiker Martin van Creveld hat in einem aktuellen Beitrag für die WELT seine Prognose für den Ausgang des Krieges in der Ukraine revidiert: Creveld hält nun anders als zu Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen einen russischen Sieg für wahrscheinlich. Für diese Neueinschätzung gibt er mehrere Gründe an, von denen nämlich der Charakter der ukrainischen Kriegsführung besondere Beachtung verdient.

Von WOLFGANG HÜBNER

Creveld hatte in der Frühphase deswegen einen Erfolg der ukrainischen Seite erwartet, weil die Erfahrungen seit 1945 zeigten, dass „zahlreiche staatlich geführte Armeen an Aufständen, Unruhen, Guerillakriegen, Terror, asymmetrischer Kriegsführung und vergleichbaren Formen kriegerischer Auseinandersetzung gescheitert“ seien.

Doch kommt es nun in der Ukraine offenbar anders. Crevelds Erklärung: „Die Ukrainer führen keinen Guerillakrieg. Stattdessen versuchen sie, wie die Liste der Waffen, um die sie den Westen gebeten haben, zeigt, einen konventionellen Krieg zu führen: Panzer gegen Panzer, Geschütz gegen Geschütz, Flugzeug gegen Flugzeug. All das, wie es aussieht, in der Hoffnung, die russischen Kräfte nicht nur aufzuhalten, sondern sie aus dem Land zu drängen. Angesichts der Tatsache, dass auf eine ukrainische Salve zehn russische kommen, kann eine solche Strategie eigentlich nur das Rezept für eine Niederlage sein.“

Was der Militärtheoretiker in seinen Überlegungen nicht behandelt, ist die Frage, warum Kiew keinen Guerillakrieg zum Widerstand gegen die russischen Kräfte wählte oder zumindest nun in diesen umgeschaltet hat. Die naheliegende, doch politisch sehr heikle Antwort könnte sein: Weil Kiew das wegen der überwiegend prorussischen Bevölkerung im Osten und Süden der Ukraine gar nicht riskieren könnte. Um einen erfolgreichen Kampf führen zu können, muss sich nämlich die Guerilla „wie der Fisch im Wasser“ bewegen können, also sich der Unterstützung der Zivilisten in der Kriegszone sicher sein.

In den russischsprachigen Teilen der Ukraine ist das aber wohl nicht der Fall. Im Gegenteil, dort werden die Soldaten aus Russland und den Separatistengebieten im Donbass eher als Befreier angesehen. Das allerdings kann in den westlichen Teilen der Ukraine ganz anders empfunden werden. Ob sich die Russen bis dorthin kämpfen oder ob sie das überhaupt wollen, kann deshalb mit guten Gründen bezweifelt werden. Den Osten und Süden aber dürfte Kiew verlieren, daran dürften auch westliche Waffen nichts ändern. Denn am Ende entscheidet immer der menschliche Faktor.

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