Täuschung (Bild: shutterstock.com/MemoryMan)
Täuschung (Bild: shutterstock.com/MemoryMan)

Institutionalisierte Täuschung

Das Robert Koch-Institut verschleiert vorsätzlich mit allen erdenklichen Statistik-Tricks die Zahlen und Daten über die Impfeffektivität.

Ein Beitrag von von Florian Schilling bei Rubikon

Wir müssen uns zuerst mit einigen grundlegenden Perspektiven beschäftigen, wozu verschiedene Definitionen zählen, die vom Robert Koch-Institut (RKI) verwendet werden.

Die Berechnung der Impfeffektivität hängt bezüglich Plausibilität und Signifikanz ganz erheblich davon ab, nach welchen Kriterien Datensätze inkludiert beziehungsweise exkludiert wurden. Bereits beim Impfstatus findet hier eine Selektion statt, da Fälle bei Grundimmunisierten binnen der ersten 14 Tage nach Impfung nicht gezählt wurden, analog bei den Geboosterten binnen der ersten sieben Tage. Dies eliminiert bereits enorm viele Impfdurchbrüche, da diese in der ersten Woche nach Impfung doppelt so häufig auftreten wie in den folgenden acht Wochen.

Interessant sind auch die Falldefinitionen: Das RKI arbeitet erstmalig mit dem Kriterium „aufgrund Covid-19“, das heißt, PCR-positive Fälle mit anderweitiger Hauptdiagnose werden nicht berücksichtigt — zumindest nicht, was die Schweregrade „Hospitalisierung“ und „Intensivstation (ITS)“ angeht. Bei den Todesfällen genügt hingegen PCR+ in Verbindung mit einem covidassoziierten Symptom, um in die Berechnung einzugehen, ein kausaler Zusammenhang muss nicht gegeben sein — also wieder einmal „an“ und „mit“ Corona. Das hat beispielsweise zur Folge, dass für den Berichtszeitraum kurioserweise doppelt so viele Todes- wie ITS-Fälle ausgewiesen werden.

Wozu das RKI überhaupt keine eigenen Daten beisteuern kann, sind die Schweregrade Infektion und symptomatische Erkrankung, dementsprechend auch nichts zum Themenkomplex Transmission (Übertragung).

Das ist äußerst bitter, da diese Phänomene das Thema Fremdschutz abbilden, der wiederum zentraler Baustein der G-Regeln sowie der höchstrichterlichen Absegnung von Impfpflicht im Gesundheitswesen und der Bundeswehr ist. Das Bundesverwaltungsgericht berief sich im sogenannten Soldatenprozess in Leipzig explizit auf eine hinreichende Schutzwirkung bezüglich Übertragung laut RKI. Wenige Stunden später veröffentlicht dieses dann seinen Monatsbericht und verkündet, es könne zur Impfeffektivität im Kontext Infektionsverhütung nichts aussagen. Damit ist das Urteil eigentlich hinfällig.

Es mag Zufall sein, dass die Veröffentlichung wenige Stunde nach Urteilsverkündung erfolgte, ein seltsames Bauchgefühl ob dieses exklusiven Timings stellt sich dennoch ein.

Wie aber begründet das RKI, dass es unmöglich ist, Zahlen zu Infektionen und symptomatischen Erkrankungen (vulgo milden Verläufen) anzugeben? Nun, mit veränderten Teststrategien — diese würden die Zahlen verzerren.

Um welche Änderungen geht es hier? Ganz einfach: den Wegfall der G-Regeln, insbesondere 3G. Bisher wurden aufgrund dieser Regelungen vor allem (ja fast ausschließlich) Ungeimpfte getestet — anlasslos und anhaltend. Folge: relativ viele positive Ungeimpfte und in Relation wenige positive Geimpfte.

Nach Aufhebung dieser Vorschriften und damit einhergehend einer „gleichberechtigten“ Testung von Geimpften und Ungeimpften schneiden Erstere unvermeidbarerweise schlechter ab als in der Vergangenheit, die Inzidenz Geimpfter steigt rapide an. Um eine Verzerrung der RKI-Daten durch die Realität zu vermeiden, wird daher beschlossen, über diesen Themenbereich erst gar nicht zu berichten. Mangels eigener Zahlen sucht das RKI sein Heil mit internationalen Daten. Was diesbezüglich im Bericht angeboten wird, ist ein Live-Review internationaler Studien zu diesem Thema, auf das wir später noch genauer eingehen werden.

Nach einer Übersicht der Impfquoten schreitet das RKI zur Darstellung der Inzidenz.

Wer nun hier präzise Daten zum Berichtszeitraum Kalenderwochen (KW) 20 bis 23 erwartet, wird enttäuscht. Statt genauer Zahlenangaben wird ein Liniendiagramm präsentiert (Abbildung 5 im Bericht), die Werte lassen sich so nur mühsam ablesen.

Das Hauptproblem ist aber, dass die Inzidenzen von Zwei- und Dreifachgeimpften sowie Ungeimpften so nah beieinanderliegen, dass Unterschiede kaum erkennbar sind. Dankenswerterweise integriert das RKI einen Zoom mit vergrößerter Darstellung, nur leider bezieht sich dieser auf die KW 12 bis 19 und nicht auf den eigentlichen Berichtszeitraum KW 20 bis 23 — über den erfahren wir an dieser Stelle also nichts brauchbar Genaues. Offizielle Begründung: Warten auf Nachmeldungen.

Tatsächlich nähern sich die Inzidenzen zwischen Geimpften und Ungeimpften im eigentlichen Berichtszeitraum so weit an, dass keine signifikanten Unterschiede mehr bestehen.

Der Verdacht liegt daher nahe, dass man das lieber nicht mit einem prominenten Zoom abbilden wollte. Hier die Übersicht der RKI-Angaben zur Hospitalisierungsinzidenz — jeweils angegeben in Fälle pro 100.000 — in den KW 16 bis 19:

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Abbildung 1: Hospitalisierungsinzidenz KW 16-19 nach Impfstatus und Altersgruppe.

Die Werte fallen laut Grafik für den eigentlichen Berichtszeitraum im weiteren Verlauf a) weiter ab und nähern sich b) weiter einander an, das heißt also weniger Fälle. Blickt man nun zwei Seiten später aber auf die Krankenhauszahlen und Impfdurchbrüche (Abbildung 6 im Bericht), ergeben sich völlig andere, deutlich höhere, statt wie erwartet niedrigere Werte:

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Abbildung 1: Hospitalisierungsinzidenz KW 20-23 nach Impfstatus und Altersgruppe (Daten aus Abbildung 6 des Monatsberichts).

Es wurden daher entweder unterschiedliche Datensätze verwendet oder gleiche Datensätze aber mit unterschiedlichen Kriterien. Einziger, relevanter Hinweis im Text: Für die ursprüngliche Inzidenzberechnung gibt das RKI an, der Impfstatus sei bei 66 Prozent der übermittelten Fälle bekannt gewesen, bei Erfassung der Impfdurchbrüche dagegen 78 Prozent.

Mangels Bereitstellung der Rohdaten bleibt es das Geheimnis des RKI, woher die jeweiligen Zahlen kommen und wie sie verrechnet wurden. Unabhängig davon gilt es festzuhalten: Mindestens ein Fünftel bis ein Drittel aller Fälle werden bei der Effektivitätsberechnung von vornherein nicht berücksichtigt, unabhängig von der weiteren Verarbeitung der Daten. Jedenfalls sind die tatsächlichen Fallzahlen (Abbildung 6 im Bericht) deutlich höher, als man aufgrund der angegebenen Inzidenzwerte erwartet hätte:

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Abbildung 1: Vergleich der Fallzahlen zwischen Inzidenzberechnung (erwartet) und Impfdurchbrüchen (berichtet) in der Altersgruppe >60 Jahre.

Überhaupt fördert die Darstellung von Krankheitsschwere nach Impfstatus und Alter erstaunliche Risikorelationen zutage.

So gab es im gesamten Berichtszeitraum beispielsweise weder ITS-Aufnahmen oder Todesfälle in der Altersgruppe 5 bis 11. Deren Hospitalisierungsrisiko (ungeimpft) lag bei 1 zu 292.000 und damit 60 Prozent unter dem jährlichen Risiko, an Leukämie zu erkranken. Für ungeimpfte Jugendliche lag das Risiko für Hospitalisierung und ITS bei 1 zu 232.000, respektive 1 zu 1,2 Millionen. Vor diesem Hintergrund eine Impfempfehlung auszusprechen, die mit einem Risiko für schwere und schwerste Nebenwirkungen von 1 zu 800 einhergeht, ist rational nicht erklärbar.

Angaben zu Vorerkrankungen fehlen im Übrigen vollständig. Äußerst tendenziös ist auch die Darstellung, dass 100 Prozent der ITS-Fälle in der Altersgruppe 12 bis 17 bei ungeimpften Kindern aufgetreten seien — es gab nämlich genau einen einzigen Fall im betrachteten Zeitraum, der dann natürlich 100 Prozent entspricht. Bei der Berechnung der Schutzwirkung vor Hospitalisierung in dieser Altersklasse stützt sich das RKI im Übrigen auf ganze 7 Fälle, 2 in der Boostergruppe, 5 bei den Ungeimpften — und dies bei einer Population von 4,27 Millionen.

Nimmt man die vom RKI behaupteten Inzidenzwerte (expected) sowie die berichteten Impfdurchbrüche und Fallzahlen (observed) als Basis für einen einfachen Signifikanztest, stellt sich heraus, dass der Impfstatus, basierend auf den vorliegenden Daten, keinerlei signifikanten Einfluss auf die Krankheitslast hat (p = 0,87). Das kann bedeuten, dass die Impfung keinen signifikanten Schutzeffekt hat oder die erhobenen Daten qualitativ minderwertig sind — oder beides.

In diesem Zusammenhang: p-Werte gibt das RKI bei seinen berechneten Effektivitäten generell nicht an, was für einen gesonderten Spezialbericht mit mehr als zwei Monaten Vorlaufzeit doch etwas ernüchternd ist. Auch die Inzidenzen „Schwerer Verläufe“ bei Erwachsenen sind überschaubar. Unter-60-jährige hatten beispielsweise ein Hospitalisierungsrisiko von 1 zu 285.000 und selbst die Hochrisikogruppe (über 60 Jahre) kommt auf gerade einmal 1 zu 25.000. In allen Altersklassen ist das Nutzen-Risiko-Profil der Impfung negativ (Risikoreduktion Covid gegenüber Risiko Impfkomplikationen).

Das Thema Signifikanz besitzt allerdings noch mehr Problemebenen, wirft man einen Blick auf weitere RKI-Zahlen. Verschiedene Berichtformate und Datensammlungen arbeiten offensichtlich mit unterschiedlichen Datensätzen — und widersprechen sich erheblich.

Tabelle 3 des Monatsberichts erweckt den Anschein, dass das RKI mindestens seit Sommer 2021 (KW 28) genaue Daten zum Thema Hospitalisierung „wegen oder mit“ Corona hatte.
Wir erinnern uns — im Herbst 2021 kam wegen steigender Inzidenzen Panik auf: Den Intensivstationen drohe Überlastung, man müsse über Triage nachdenken und als Konsequenz wurde ab September die Booster-Kampagne forciert.

Zu diesem Zeitpunkt war, laut dem aktuellen Bericht, dem RKI anscheinend klar, wer mit oder wegen Corona und mit welchem Impfstatus im Krankenhaus war — man beteuerte aber öffentlich, hierzu nichts Definitives sagen zu können.

Erst nach massiver Kritik mussten Bundesländer zugeben, Fälle mit unklarem Impfstatus den Ungeimpften zugerechnet zu haben, die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI) wurde dazu verdonnert endlich zu erfassen, ob eine Aufnahme mit oder wegen Corona erfolgt war. Was bedeutet dies?

  • Möglichkeit 1: Es gab diese Zahlen damals wirklich und sie sind zuverlässig — das heißt, nicht nur ein kleiner Ausschnitt aller Fälle. Dann hätte das RKI potenziell wertvolle Informationen zurückgehalten.
  • Möglichkeit 2: Es gab die Zahlen zum damaligen Zeitpunkt, aber sie waren damals und sind auch noch heute unzuverlässig und stellen nur eine Teilerfassung der Fälle dar — womit die Effektivitätsangaben im Bericht Makulatur wären.
  • Möglichkeit 3: Es gab die Zahlen im Sommer 2021 nicht — was die Frage aufwirft, woher sie jetzt auf einmal kommen.

Die Unterscheidung in Neben- und Hauptdiagnose wird in den Wochenberichten und kumulierten Daten zu „Klinischen Aspekten“ seit Anbeginn der Pandemie mit der Begründung nicht konsequent umgesetzt, das würde bei der Meldung nicht berücksichtigt. Woher also auf einmal diese Daten, rückwirkend für fast ein Jahr?

Vergleichen wir einmal die Zahlen der Wochenberichte — und der darauf basierenden Datensätze „Klinische Aspekte“ und „Covid-19-Todesfälle“ sowie DIVI-Daten — mit den Zahlen des nun vorliegenden Monatsberichts zur Impfeffektivität:

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Abbildung 1: Gegenüberstellung der Zahlen aus verschiedenen Berichten zu KW 20-23; kumuliert für alle Altersklassen unabhängig vom Impfstatus.

Von Deckungsgleichheit oder auch nur annähernd ähnlichen Zahlen kann keine Rede sein, vielmehr weichen die Daten um mehr als eine Zehnerpotenz voneinander ab. Was sind mögliche Erklärungen?

Zunächst einmal ist von 22 Prozent der Patienten im Krankenhaus der Impfstatus nach wie vor nicht bekannt, womit sie aus der Berechnung herausfallen. Dann wurden vom RKI laut eigenen Angaben für den Monatsbericht — nicht für die fortlaufenden Wochenberichte! — die Falldefinitionen geändert. Statt „Covid-19 mit klinischer Symptomatik“ ist nun die Rede von „aufgrund Covid-19“. Beispiel: Statt „Auf ITS betreute symptomatische Covid-19-Fälle“ heißt es nun „Betreuung auf einer ITS aufgrund von Covid-19“.

Wo genau allerdings der Unterschied liegt, wie sich die Verarbeitung der Daten durch Anwendung dieser neuen Definition verändert, wird vom RKI nicht ausgeführt. Es könnte auch schlicht so sein, dass sich durch die Selektion „aufgrund Covid-19“ im Monatsbericht der Großteil der Fälle in den Wochenberichten (an/mit Corona, ohne Unterscheidung) in Luft auflöst. In dem Fall ergibt sich aber die Frage, warum man diese dann überhaupt berichtet. Die Fälle mit unbekanntem Impfstatus außen vor, liegen die Anteile derer mit Hauptdiagnose Corona bei verschwindenden 2 bis 9 Prozent:

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Abbildung 1: Zahlen der Wochenberichte und des Monatsberichts für KW 20-23; KH= Krankenhaus, ITS=Intensivstation.

Das wäre also die Variante, in der das RKI genau weiß, wer mit/wegen Corona hospitalisiert wird — und in der die Wochenberichte komplett entwertet werden, weil sie fast ausschließlich Nebendiagnosen abbilden würden.

Eine andere Möglichkeit, die in Betracht gezogen werden muss, ist: Dem RKI sind nur bei verschwindend wenigen Fällen sowohl der Impfstatus als auch die Haupt- und Nebendiagnose bekannt. In dem Fall hätten wir folgerichtig eine enorme Grauzone von Fällen, die zwar gemeldet wurden — die aber nicht in die Effektivitätsberechnung eingehen. Diese würde dann im Extremfall auf 5 Prozent der gemeldeten Hospitalisierungen, 2 Prozent der gemeldeten ITS-Fälle und 9 Prozent der gemeldeten Todesfälle beruhen.

Für die Konfidenzintervalle hätte dies katastrophale Folgen. Schlagen wir zum Beispiel die „unbekannten“ 1.008 Todesfälle den Ungeimpften zu, wie es in der Vergangenheit unter anderem in Bayern und Hamburg praktiziert wurde, ergäbe sich nach der vom RKI verwendeten Farrington-Methode eine Schutzwirkung der Impfung vor Tod von 99 Prozent. Schlagen wir sie den Geimpften zu, ergäben sich minus 393 Prozent. Da eine Zuordnung seitens des RKI unterbleibt, müsste man aufgrund der vorliegenden Daten die Berechnung der Effektivität eigentlich einstellen — oder ehrlich angeben, dass diese irgendwo zwischen minus 393 Prozent bis plus 99 Prozent liegt.

Es kommt noch schlimmer, insbesondere wenn man einen Blick auf die jüngste Altersgruppe wirft.

Die bereits erwähnte Abbildung 6 zu Impfdurchbrüchen (Seite 14 des Monatsberichts) weist für die Altersgruppe 5 bis 11 Jahre exakt null Kinder mit Auffrischungsimpfung („Booster“) und dem entsprechend null Fälle in dieser Gruppe aus. Eine Seite vorher berichtet das RKI dagegen von 2.439 symptomatischen Impfdurchbrüchen — bei 5- bis 11-Jährigen mit Auffrischimpfung.

Allerdings gibt es an der Stelle nicht an, mit welchem Schweregrad. War der Schweregrad nicht bekannt? Oder handelt es sich ausschließlich um milde Verläufe? Falls Letzteres: Wie stellen sich dann die symptomatischen Verläufe bei ungeimpften Kindern im Vergleich dar, die sich wegen Verzerrung angeblich nicht erheben lassen? Der letzte Wochenbericht mit Angaben zur Impfeffektivität vom 28. April 22 wies für diese Altersgruppe und diesen Schweregrad eine Schutzwirkung von 0 Prozent aus. Damals lag die Fallzahl bei 194 symptomatischen Impfdurchbrüchen in vier Wochen.

Wie interpretiert das RKI eine Verzehnfachung der Impfdurchbrüche, nachdem die Effektivität bereits vorher bei 0 Prozent lag? Könnte es vielleicht doch negative Effektivitätswerte geben, wie sie in anderen Ländern seit Weihnachten 2021 offiziell ausgewiesen werden?

Das vermeintliche Kernstück des Berichts ist die grafische Darstellung der Impfeffektivität in Abbildung 7 des Monatsberichts.

Nachdem wir gesehen haben, wie problematisch die Rohdaten sind, müssen die Ergebnisse mit äußerster Vorsicht interpretiert werden. Wenig überraschend finden sich seltsame Phänomene, von denen wir einige im Folgenden betrachten wollen.

Beginnen wir mit „Hospitalisierung aufgrund Covid-19“ bei Kindern. Die Effektivität der Grundimpfung erhöht sich im Berichtszeitraum um etwa 35 Prozent — nachdem sie vorher kontinuierlich über Monate gefallen war. Im Gegenzug nimmt die Wirkung der Auffrischimpfung dramatisch ab, von circa 85 Prozent auf circa 65 Prozent. Das würde bedeuten: Die Zweifachimpfung schützt besser als die Dreifachimpfung. Kann durchaus möglich sein, zeigen andere Studien doch, dass direkt nach einem Booster das Infektionsrisiko ansteigt. Es kann aber auch sein, dass die extrem geringen Fallzahlen in dieser Bevölkerungsgruppe keine signifikanten Rückschlüsse zulassen, es sich mithin um statistisches Rauschen handelt.

Bereits ein einziger Fall mehr oder weniger kann aufgrund der extrem geringen Grundmenge zu massiven Veränderungen der Effektivität führen. Dazu passend schwankte die Impfeffektivität bei Kindern in der Vergangenheit im Wochenrhythmus zwischen 0 Prozent und 100 Prozent hin und her — was bedeutet, dass hier nicht wirklich die Effekte der Impfung zu sehen sind, sondern das sporadische Auftreten von Ereignissen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 232.000 bis 1 zu 2,5 Millionen (Rauschen). Ebenso ist es möglich — und meiner Meinung nach wahrscheinlich —, dass sowohl die Daten unbrauchbar (nicht signifikant) als auch der Booster problematisch sind.

Schutz vor ITS bei Erwachsenen zeigt, dass die Grundimmunisierten bei Effektivität null liegen. Maximal null muss man sagen, da das RKI negative Werte ja als nicht existent betrachtet.

Konkret bedeutet dies: Ein heute Zweifachgeimpfter hat im Bestfall das gleiche ITS-Risiko wie ein Ungeimpfter, tatsächlich aber wohl ein deutlich höheres. — Wir werden diese Perspektive am Ende nochmals aufgreifen.

Gleichzeitig steigt wie durch Magie die Effektivität der Grundimpfung bei über 60-Jährigen um knapp 30 Prozent an. Wie kann es sein, dass ein und dieselbe Impfung in der einen Altersgruppe 0 Prozent Schutz bietet, in der anderen 80 Prozent? Tatsächlich an pharmakologischen Mechanismen? Oder doch eher wieder an einer unsicheren, fehlerbehafteten und/oder unvollständigen Datenbasis?

Diese Themen wiederholen sich in der Kategorie „Schutz vor Tod“. Grundimmunisierte unter 60 Jahren genießen einen zehnprozentigen Schutz, über 60 Jahre immerhin 46 Prozent. Ersteres ist eine Bankrotterklärung, Letzteres unter der allgemein anerkannten Benchmark von 50 Prozent.

Zusammenfassend muss man zu den präsentierten Effektivitätswerten Folgendes sagen: Insbesondere bei Minderjährigen ist die Datenbasis so gering, dass signifikante Aussagen schlicht nicht möglich sind. Für diese Altersgruppe spielen statistisch nur milde Verläufe eine Rolle, alle anderen Schweregrade treten viel zu selten auf. Milde Verläufe werden aber gerade nicht erfasst. Grundsätzlich ist die Datenbasis durch eine Vielzahl von Faktoren kompromittiert: Widersprüche zu anderen RKI-Berichten, Filterung von Daten nach nicht genannten Kriterien, unklare Definitionsänderungen, Elimination aller Impfdurchbrüche die in den ersten 14 Tagen nach Impfung auftraten und ein unbekannter Impfstatus bei bis zu einem Drittel der gemeldeten Fälle. All das führt zu einem unheilvollen Chaos und widersprüchlichen Ergebnissen, was sich hervorragend besichtigen lässt, wenn man die Impfeffektivität im jüngsten Wochenbericht vor Umstellung mit dem jetzt vorliegenden Monatsbericht vergleicht. Wohlgemerkt für identische Zeiträume:

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Abbildung 1: Impfeffektivität aus den Wochenberichten (oben) und nach Umstellung auf den Monatsbericht.

Die Unterschiede sind gravierend, finden sich auch in anderen Altersstufen, allen anderen Schweregraden (bis hin zu „Tod“) und betragen durchaus auch einmal 30 Prozent und mehr. Dieses Vorgehen lässt einen jetzt ratlos zurück. Möglicherweise war die alte Definition „mit symptomatischem Covid“ unbrauchbar, und die neu berechneten Werte im Monatsbericht („aufgrund Covid“) sind qualitativ höherwertig. Oder umgekehrt. Oder beide taugen nichts. Jedenfalls bringt es das RKI fertig, mit ein und demselben Datensatz zweierlei Effektivitäten zu berechnen, die im Extremfall 30 Prozent und mehr voneinander abweichen. Problematisch ist zudem, dass sich die neuen Zahlen nicht mehr mit den alten vergleichen lassen, ebenso wenig die Wochen- mit den Monatsberichten.

Um es einmal ganz klar zu formulieren: Solange das RKI die Rohdaten nicht veröffentlicht, gleichzeitig mehrfach die Definitionen, Kriterien und Filter verändert, ohne diese Änderungen und ihre Effekte umfänglich transparent zu machen — so lange kann das RKI aus seinen Daten nach Belieben die gewünschten Resultate generieren, einfach durch eine „Anpassung“ der Parameter. Seine Kalkulationen sind für Dritte weder nachvollziehbar noch reproduzierbar, da in den Berichten immer nur Fragmente, Teilmengen der eigentlichen Daten gezeigt werden. Wie viele Datensätze es, aus welchen Gründen, gar nicht in die Berechnung geschafft haben, bleibt im Dunkeln.

Um diesen Missstand, der eklatant und für eine öffentliche Gesundheitsbehörde untragbar ist, zu beseitigen, müssen alle Rohdaten vollständig veröffentlicht werden — mit allen gesammelten Informationen wie Impfstatus, Haupt- und Nebendiagnose, Alter, Vorerkrankungen et cetera. Zudem muss klar kommuniziert werden, wie sich geänderte Definitionen auf die Datensätze auswirken. Wir haben bei den Todesfällen gesehen, wie zwischen Wochenbericht und Monatsbericht 1.008 von 1.106 Toten abhandenkamen — Erklärung? Fehlanzeige.

Was ebenfalls im Dunkeln verbleibt, ist das Thema Übertragung und symptomatische Erkrankung. Wie bereits erwähnt ist dies besonders problematisch, da hier das Thema Fremdschutz abgebildet wird und die Impfpflicht für medizinisches Personal und Soldaten auf einem postulierten Fremdschutzeffekt beruht.

Obwohl es (angeblich) keine eigenen Daten hat, möchte das RKI hier dennoch Aussagen zur Effektivität treffen — insbesondere auch was aktuelle Virusvarianten, das heißt Omikron, angeht. Der Ansatz ist ein Living Systematic Review, also eine kontinuierliche und systematische Analyse aktueller Studien, um daraus einen Erkenntnisgewinn abzuleiten. Um auf diesem Weg die eigenen aktuellen Datenlöcher zu stopfen, bräuchte man Studien, die möglichst nah an der Gegenwart sind und sich möglichst mit den aktuellen Virusvarianten beschäftigen. Welchen Ansatz wählt das RKI? Es setzt einen Cut-Off Anfang Februar 2022, jüngere Studien werden nicht berücksichtigt. Das hat gravierende, ja katastrophale Folgen: Keinerlei Informationen zu den momentan grassierenden Varianten — vor allem BA.5 mit 77 Prozent, in geringerem Maß BA.2/.4, stattdessen zu BA.1, das bereits in KW 16 nur noch 1.6 Prozent der Fälle ausmachte und mittlerweile hierzulande ausgestorben ist!

Die Escape-Fähigkeit insbesondere von BA.5 ist unvergleichlich größer als die von BA.1. Die Effektivitätswerte, die aus dem Review abgleitet werden, sind damit überhaupt nicht auf die aktuelle Situation in Deutschland übertragbar, sondern liegen viel zu hoch. Ebenfalls effektivitätsmindernd wirkt sich der große Zeitversatz aus. Hier werden Studien von Weihnachten 2021 zitiert und deren Resultate auf die Gegenwart projiziert. Wir wissen aber inzwischen, dass die Impfwirkung schnell nachlässt und nach drei Monaten nahezu null wird. Wir erleben diese beiden Mechanismen ja gerade in Aktion — die BA.5-Sommerwelle zieht ihre Dynamik aus eben diesem Immun-Escape in Kombination mit nachlassender Wirkung der Impfung. Neueste Studienergebnisse zeigen, dass Geimpfte nicht in der Lage sind, spezifische Antikörper gegen BA.2/.4/.5 zu bilden, sondern stattdessen mit Antikörpern gegen den Wildtyp reagieren. Und dies, sowohl nach erneuter Boostergabe als auch nach Infektion mit den besagten Omikronvarianten. Ursache dürfte wohl die Original Antigenic Sin (Antigenerbsünde) sein.

Mit anderen Worten: Für Geimpfte ist Immunität gegen die neuesten Varianten schlicht nicht mehr erreichbar. Was das RKI hier präsentiert, sind historische Daten aus vergangenen Zeiten, die in keiner Weise der aktuellen Situation in Deutschland entsprechen.

Aktuelle Erkenntnisse würden zeigen, dass ein Booster auf Wildtyp-Basis keinerlei signifikante Schutzwirkung gegen BA.5 entfaltet — was gravierende Konsequenzen für unsere Herbststrategie hätte. Die jetzt vermehrt empfohlene vierte Impfung ist aufgrund der Datenlage zum Scheitern verurteilt.

Vereinfacht gesagt: Das RKI hat sich hier einen Studienzeitraum ausgesucht, der die einzige Omikronvariante abbildet, gegen die noch halbwegs ein Schutz vor Übertragung nachweisbar war — und dies auch nur in den ersten vier Wochen nach Impfung.

Die Studienauswahl und vor allem die Art und Weise, wie die dazu gehörigen Studienergebnisse präsentiert werden, sind desaströs.

Mal handelt es sich um relativ kleine, äußerst spezielle und damit wenig repräsentative Kohorten, wie zum Beispiel 1.200 Dialysepatienten, mal wird nicht zwischen Tod mit/an Corona unterschieden, mal werden Altenheimbewohner sowie Menschen, die bereits eine Durchbruchsinfektion hatten, ausgeschlossen. Die Liste ließe sich problemlos fortsetzen. Die Übertragbarkeit dieser Daten auf die deutsche Bevölkerung zum jetzigen Zeitpunkt ist exakt null. Daten zu den bekannten Risikogruppen — um die es ja hauptsächlich gehen soll: keine. Auch die Gewichtung der Ergebnisse und ihre grafische Darstellung sind beeindruckend (Abbildung 8 im Monatsbericht): 50 Prozent der Grafik und der Großteil der Studien beschäftigen sich mit der Impfeffektivität in den ersten 14 Tagen (!) nach Impfung, gerade einmal knapp 20 Prozent der Darstellung und nur drei von 17 Studien mit dem Zeitraum drei Monate und mehr. Von diesen dreien thematisieren zwei die Grundimpfung, nur eine die Auffrischimpfung.

Das RKI zitiert diese Studie in der Kategorie „>14 Tage bis zu 3 Monate“. Die Formulierung „bis zu“ ist hier interessant, weil besagte Studie nur Tag 1 bis 30 untersuchte — die Grafik aber lädt dazu ein, die berechneten 50 Prozent Effektivität auf die ganzen drei Monate zu beziehen.

Der endgültige Tiefpunkt wird vom RKI aber an anderer Stelle erreicht, beim Schutz vor Infektion durch die Grundimmunisierung. Die Werte der Abbildung liegen hier zwischen 0 Prozent und 20 Prozent, laut RKI. Blickt man in einige die zitierten Studien, stellt sich heraus, dass deren Autoren zu völlig anderen Zahlen kamen als null, nämlich minus 76 Prozent und minus 42 Prozent. Wir haben hier also eine Behörde, die Ergebnisse aus publizierten Peer-Review-Studien grob verfälscht wiedergibt.

Um dieses Thema abzuschließen: Die Daten des Living Reviews sind veraltet, null und nichtig — zu lange her (Wirkungsverlust), ausgestorbene Virusvarianten. Die Studienauswahl ist selektiv statt repräsentativ, die Wiedergabe der Studiendaten erfüllt den Tatbestand der Täuschung. Aus diesem Gebilde Erkenntnisse zu Fremdschutz zu gewinnen, ist vollkommen unmöglich. Wie wenig die Resultate dieses Reviews die Realität in Deutschland abbilden, erkennt man auch beim Vergleich zwischen den aktuellen Zahlen des RKI und den Werten des Reviews. Letzteres postuliert einen Schutz Grundimmunisierter vor schwerem Verlauf und Tod von etwa 40 bis 85 Prozent. Aktueller Messwert des RKI: 0 Prozent (ITS) beziehungsweise 10 Prozent (Tod).

Abschließend noch ein Blick ins Ausland, diesmal aber mit Fokus auf aktuellere Daten, und breiter angelegte epidemiologische Auswertungen.

Jüngste Untersuchungen aus Großbritannien bis März 2022 zeigen seit Dezember 2021 (und damit dem massiven Aufkommen von Omikron) negative Impfeffektivität für Erwachsene — in allen Schweregraden und insbesondere bei Älteren. Auch versagt die Impfung beim Schutz vor Long-Covid auf ganzer Linie, die Daten deuten eher an, dass Geimpfte häufiger und stärker an diesem Syndrom leiden als Ungeimpfte. Umgekehrt verfügen Genesene mit natürlicher Immunität über einen hervorragenden Schutz von 95 Prozent vor schwerer und tödlicher Erkrankung durch Omikron — egal mit welche Virusvariante sie sich ursprünglich angesteckt hatten. Dieses Thema wird vom RKI komplett übergangen. Zielführend wäre eine Untersuchung der Immunität auf Bevölkerungsebene gewesen, allein schon, um etwaige Immunitätslücken gezielter angehen zu können. Über die Gründe kann spekuliert werden.

Möglicherweise will man vermeiden, keine Immunitätslücken zu finden — was wahrscheinlich ist, da mehr als 90 Prozent der Bevölkerung eine mehr oder weniger ausgeprägte Immunität haben dürften, wie Daten wiederum aus Großbritannien belegen. Damit wäre eine erneute Impfkampagne nur schwer voranzubringen, überhaupt würde eine solche Erkenntnis den Paniklevel erheblich senken, was hauptberuflichen Alarmisten alles andere als entgegenkommt.

Was können wir als Fazit festhalten? Das Komplettversagen einer Behörde — auf technischer, organisatorischer, ethischer und politischer Ebene.

Das RKI will keine aussagekräftigen Zahlen erheben, es hütet sich vor Transparenz wie ein Vampir vor der Sonne. Es will diese Daten deswegen nicht, weil sie das eigene Narrativ zum Einsturz bringen würden. Deswegen werden permanent Definitionen und Kriterien geändert, Datensätze ausgeschlossen, Berichtelemente eingestellt oder internationale Zahlen in irreführender Weise und teils verfälscht vorgeschoben.

Dieser Monatsbericht beantwortet vor allem eine ungelöste Frage: War es bislang nicht sicher, ob die mangelnde Qualität der RKI-Berichte auf Unvermögen oder Absicht beruhte, so kann nun ein abschließendes Urteil getroffen werden: Es ist Vorsatz.

Ein äußerst beunruhigender Gedanke — vor allem auch mit Blick auf den anstehenden Herbst.

Redaktioneller Hinweis: Dieses Werk ist zuerst bei Rubikon erschienen und unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.

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