Foto: Dmitry Molchanov/Shutterstock

„Trimarium“, wirklich die Welt von gestern?

Konservative Kräfte in Polen wollten schon immer eine Idee wiederbeleben, die noch aus der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg stammt: ein Bündnis der Staaten, die zwischen Russland und Deutschland liegen. So ein Bündnis könne im Notfall bisherige Strukturen wie die EU ersetzen.

Das politische Konstrukt des Trimariums ist eher unbekannt und liegt mehr im Verborgenem als an der Oberfläche. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass die zwischen den drei Meeren liegenden Länder zusammenarbeiten. Die drei Meere sind die Adria, die Ostsee und das Schwarze Meer. Die zugehörigen Länder sind Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Der polnische Präsident Andrzej Duda hielt bei seinem Besuch in Kiew bereits 2016 eine bemerkenswerte Rede. Vor ukrainischen Diplomaten skizzierte er ein Staatenbündnis, das alle Länder zwischen Deutschland und Russland umfassen könnte. Seine Grenzen sollen die Ostsee im Nordosten sein, das Schwarze Meer im Südosten und die Adriaküste im Südwesten.

Vor ukrainischen Diplomaten skizzierte er ein Staatenbündnis, das alle Länder zwischen Deutschland und Russland umfassen könnte. Er sagte: „Dieses Gebiet können wir deshalb auch als Drei-Meer-Region bezeichnen. Hier sind sowohl die Polen als auch die Ukrainer historisch verwurzelt. Damit diese Region Wirklichkeit werden kann, muss das östliche Mitteleuropa selbstständiger werden. Das ist notwendig, um das Gleichgewicht in dieser Weltgegend zu erhalten, in der – wie wir aus der Vergangenheit wissen – die Dominanz fremder Hegemonialmächte Krieg und Konflikte gebracht hat.“

Die Schuldigen …

Damit spielte er auf Deutschland, Russland und Österreich an, die das östliche Mitteleuropa einst unter sich aufgeteilt hatten. Bereits in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg strebte der damalige polnische Staatschef Jozef Pilsudski ein solches Bündnis an, dessen Herzstück Polen und die Ukraine sein sollten. Er nannte es „Intermarium“ – Zwischenmeer-Allianz. Wie damals Pilsudski will Präsident Duda eine Zusammenarbeit auch auf militärischem Gebiet. Als erstes Beispiel dafür nannte er die polnisch-litauisch-ukrainische Brigade, die in den vergangenen Jahren im ostpolnischen Lublin aufgebaut wurde.

Selbst wenn man das Konstrukt für eine Totgeburt hielt, lehren uns die letzten Monate und ihre Entwicklungen Besseres. Denn plötzlich wird das Konzept nachvollziehbar tragfähig und zeigt damit, dass es manchmal einfach auf einen langen Atem und den geeigneten Zeitpunkt ankommen könnte, um eine politische Idee auf den Weg zu bringen. Der Nachbarstaat Polen gilt inzwischen als engster Verbündeter der Ukraine. Dabei ist die Geschichte zwischen beiden Ländern blutig und schmerzhaft. Wirklich aufgearbeitet wurde sie bisher nicht. Polen haben inzwischen wichtige strategische Stellen in Kiew eingenommen, um aus der Ukraine und Polen ein Gebiet zu erstellen.

Zankapfel ukrainischer Boden

Ein wichtiger Grund, warum Zelensky weitere Landgewinne fordert, liegt an einem Gesetz, welches er 2020 erlassen hat. Damit hat er das ukrainische Land, welches für seine Fruchtbarkeit berühmte „schwarze Erde” bekannt ist, für Anleger freigegeben. 30% des ukrainischen Bodens –17 Millionen Hektar, mehr als sämtliche Agrarflächen Deutschlands – sind mittlerweile im Besitz von multinationalen Konzernen unter der Kontrolle von Blackrock, Vanguard und Co.

Innerhalb dieses Kriegs geht ein weiterer Riss quer durch den ukrainischen Boden. Es geht um Landwirtschaftsflächen, mit Dupont auf der einen Seite und Russlands Verbot von genetisch verändertem Saatgut auf der anderen. Dass die fruchtbarsten Böden der Ukraine im mittlerweile russisch kontrollierten Süden und Osten des Landes liegen – ebenso wie die großen Erdgasfelder im Donbass, die Exxon gerne hätte.

Die eigentlichen Mitspieler

Neben den USA und dem Großkapital hat nun auch Boris Johnson seine Liebe für die Ukraine entdeckt. Der britische Premierminister Boris Johnson hat Kiew am ukrainischen Unabhängigkeitstag einen Überraschungsbesuch abgestattet. Er überbrachte Präsident Zelensky die Nachricht, dass Großbritannien dem Land unter anderem neue Drohnen und andere ferngesteuerte Waffen liefern wird.

Die USA an Öl und Land interessiert, die multinationalen Konzernen bereits alle im Boot und ein Landstrich, der für die USA viel spannender wäre als Länder wie Frankreich, die Niederlande oder Deutschland. England, welches nicht mehr in der EU weilt, immer schon tief getroffen von den Bevormundungen der Deutschen und Franzosen, könnte mit dem Zusammenschluss das politische Konstrukt des Trimariums endlich wieder zur alten Größe in Europa aufsteigen. Die restlichen EU Staaten würden mit dem Rücken zur Wand stehen. Sind das nur Gedankenspiele der Polen oder könnte das eine reale Vorstellung sein?

Und was hat die EU zu vermelden?

Während die EU, die uns ständig erklärt, der Ukrainekrieg, sei unser Krieg – für den wir zu zahlen haben, fühlt sich gleichzeitig niemand für die „Einheit der EU” zuständig. Die Politik von EU-Bürokraten treibt Europa mit ihren Sanktionen in eine wirtschaftlich schwierige Situation – um nicht Katastrophe zu schreiben, welche die „Einheit” der EU bald auseinander fallen lassen wird. Wäre das nicht ohne Frage ein optimaler Zeitpunkt, um das seit dem Zweiten Weltkrieg gewünschte Trimarium zu errichten?

Mit viel Glück reicht das Gas für die Wirtschaft und die Ernte – vielleicht aber auch nicht. Wir stehen staunend daneben und schauen dieser Politik zu, die die Arbeit ganzer Generationen und unser Vermögen verspielt. Es ist einfacher an das Glück im mobile Casino Deutschland zu glauben, als an die glückliche Hand eines Robert Habecks. Abgeschnitten von preiswerter Energie aus dem Osten, von günstigen Ernten und anderen seltenen Vorkommen aus Russland, sind die europäischen Industrienationen nicht mehr konkurrenzfähig und zum ökonomischen Niedergang verurteilt. Politik wird wieder einmal zum lebensbedrohlichen Glücksspiel.

Für den Moment leider keine guten Perspektiven

Werden wir uns später die Augen reiben und uns fragen, wie das passieren konnte? Warum so viele Menschen für diesen Krieg trommelten und daran glaubten, dass es in irgendeinem Krieg je um Demokratie und Freiheit ging? Was ist passiert, dass wir das Spiel um die Geopolitik ausblenden und Egon Bahrs Zitat vergessen haben? „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“

Vielleicht werden wir uns dann unter den Trümmern der Wirtschaft, in verdammt kalten Zeiten, wieder die Hände reichen und ein normales Gespräch führen können, ohne die Verbannung von Wörtern, Verurteilungen und Verachtung einer anderen Meinung gegenüber. Denn die Geschichte lehrt uns, dass die Geisteshaltung einer Gesellschaft vor oder in einem Krieg jegliche zu berücksichtigen reale Punkte ausblendet.

Der Wiener Psychiater und Autor Ralph Bonelli hat Erinnerungen von Stefan Zweig (“Die Welt von gestern”) gelesen, der von dem europäischen „Klimawandel“ in Kultur, Politik und öffentlicher Debatte zu Kriegsbeginn 1914 erzählt. Es liest sich wie eine Wiederholung:
Als es „unmöglich“ wurde….

“…mit irgendwem ein vernünftiges Gespräch zu führen. Die Friedlichsten, die Gutmütigsten, waren von der Blutrunst wie betrunken. Freunde, die ich immer als entschiedene Individualisten und sogar als geistige Anarchisten kannte, hatten sich über Nacht in fanatische Patrioten verwandelt und aus Patrioten in unersättliche Annexionisten. (Es ging damals um die „Einverleibung“ Serbiens, MB) Jedes Gespräch endete in dummen Phrasen: “Wer nicht hassen kann, kann auch nicht richtig lieben.” und falschen Verdächtigungen. Kameraden, mit denen ich seit Jahren nie einen Streit gehabt hatte, beschuldigten mich ganz grob, ich sei kein Österreicher mehr, ich solle doch hinübergehen, nach Frankreich oder Belgien“

92a40f60fcbd4110bfa2b4bb5e4e8cff