Deutsche Westpolitik (Foto: vchal/Shutterstock)

Das Verhängnis der „Werte“

Gibt es universelle Werte, also Werte, die auf der gesamten Welt von allen Kulturen, Nationen, Staaten und Individuen geteilt und akzeptiert werden? Die Antwort auf diese Frage erübrigt sich, wenn wir nicht gleich auf die ganze Welt, sondern auf unsere eigene deutsche Gesellschaft blicken. Dann werden wir nämlich ganz schnell ernüchtert feststellen müssen, dass die Wertvorstellungen von Mitgliedern und vielen Wählern der Grünen sich krass unterscheiden von Mitgliedern und vielen Wählern der AfD.
Von Wolfgang Hübner
Kurzum: Wer Werte propagiert, meint in der Regel die eigenen Werte und Wertvorstellungen, nicht aber die durchaus sehr unterschiedlichen Werte der anderen. Die einen sind betont weltoffen und einwanderungsfreudig, die anderen betonen ihre nationale Identität und sind gegen Grenzöffnung für fast alle, die kommen wollen.
Ebenso groß sind die Unterschiede in den Wertvorstellungen auf internationaler Ebene. Dort gibt es Demokratien, autoritäre Herrschaftssystem und auch Diktaturen. Doch so wie auf unserem Planeten sehr unterschiedliche Demokratien existieren, gibt es auch etliche Varianten autoritärer Herrschaft und selbst von Diktaturen.
Nun hat Deutschland nach offizieller Darstellung eine „wertebasierte“ demokratische Ordnung, die allerdings die faktische Ausgrenzung oder Diskriminierung bestimmter Meinungen, Parteien oder eben auch Wertvorstellungen bekanntlich keineswegs ausschließt. Nicht erst die Berliner Ampel-Regierung betreibt sogar recht großmäulig eine „wertebasierte“ Außenpolitik, von der grünen Außenministerin noch zugespitzt zu einer „feministischen“ Variante – weltweit einmalig.
Was passiert aber mit dieser „wertebasierten“ Außenpolitik, wenn in der restlichen Welt so gut wie alle anderen existierenden Staaten eine interessenorientierte Außenpolitik betreiben? Also eine Politik, die im jeweiligen nationalen Interesse ist oder zumindest sein soll? Das Ergebnis dieses Zusammenpralls höchst unterschiedlicher Vorstellungen lässt sich im Ukraine-Konflikt schon deshalb sehr gut erkennen, weil die Folgen für die Deutschen sehr spürbar sind und wohl noch weit spürbarer werden dürften.
Denn die Folge der „wertbasierten“ Außenpolitik ist nicht nur die immer gefährlichere Verwicklung in die bedrohlichste internationale Konfrontation seit der Kuba-Krise 1962. Es sind auch sehr schmerzliche wirtschaftliche Einschnitte und astronomisch hohe finanzielle Kosten, die niemand anderen treffen als die gesamte Bevölkerung Deutschlands.
Mit der Beschränkung auf eine strikt interessenbasierte Politik wäre das alles vermeidbar gewesen. Doch eine Regierung, die gegen alle geschichtliche Erfahrung nach dem bereits zweimal katastrophal gescheiterten Motto handelt: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“, will das nicht wahrhaben. Und natürlich will sie auch nicht wahrhaben, wie unvermeidlich die „wertebasierte“ Innen- wie Außenpolitik in Heuchelei und Lügen münden muss. Denn warum treibt man dann noch profitable Beziehungen zu so unterschiedlichen Diktaturen wie China, Saudi-Arabien oder Aserbaidschan? Wo war und ist die „wertebasierte“ Politik bei den militärischen Interventionen der USA mit Millionen Opfern und bei der gezielten NATO-Aufrüstung der von Korruption und Armut geprägten Ukraine?
Wer die eigenen „Werte“, wer eine „wertebasierte“ Politik zum Maßstab des Handelns macht, kann und wird letztlich nicht nur scheitern. Wer das macht, kann auch sich selbst und das eigene Land mit selbstgefälliger Intoleranz und Verletzung anderer Interessen ins größte Unglück stürzen. Annalena Baerbock und die Ampel-Regierung sind dabei, genau das zu tun.