Der Spiegel; Foto: © jouwatch Collage

Twitter-Files: “Wenig Neues” im SPIEGEL

Man müsste sich nicht wundern, wenn die Chefredaktion beim Hamburger Relotiusblättchen, dem SPIEGEL also, vor Wut & Verzweiflung in die Tischkante gebissen hätte, als ihr bewußt wurde, daß sie wohl kaum darum herumkommen würde, etwas über die “Twitter-Files” zu bringen, damit die SPIEGEL-Leser wieder “mehr wissen”. Wie sie beim Relotiusblättchen mit dieser heiklen Aufgabe umgegangen sind, ist einfach zum kringeln.

von Max Erdinger

Für den SPIEGEL gäbe es inzwischen eine ganze Reihe sinnvoller Synonyme. “Relotiusblättchen” ist nur eines davon. “Bills & Melindas Pharmapostille” würde ganz gut passen. “Pippi Langstrumpf News” wäre auch nicht schlecht. Letzthin haben sie dort vorsichthalber wieder ein paar tränentreibende Flüchtlingsgeschichten vom Netz genommen wegen des Verdachts, es könnte erneut ein emotional übereifriger Spiegelant von seiner phantasievollen Gutmenschlichkeit hinfortgeschwemmt worden sein. Und daß sich das anhand seiner hingenässten Zeilen möglicherweise nachweisen läßt. Gut so. Auf diese Weise sind sie diesen wahnsinnig “unabhängigen Faktencheckern” zuvorgekommen, die ihnen ihre rührseligen Reportagen ganz bestimmt um die Ohren gehauen hätten. Diese “unabhängigen Faktenchecker” sind nämlich ganz scharfe Hunde. Die warten bloß darauf, daß die selbsternannten Qualitätsmedien ein Fehlerchen machen. Es könnte natürlich sein, daß ich mich täusche.

Wie hat sie sich also wieder herausgewunden, diese Crème de la Crème der treudeutschen Haltungsjournaille, die den lieben langen Tag “hinterfragt” und “für Sie einordnet”? – So hat sie das gemacht: “Elon Musk veröffentlicht interne Twitter-Mails“. Jede Wette, daß sie sich wieder für recht pfiffig gehalten hat dabei. Und getäuscht hätte sie sich dabei auch schon wieder.

Der Herr Anton Reiner (m/w/d) hat sich als erstes einmal einen Abwiegelungs-Teaser einfallen lassen. Der liest sich so: “Im US-Wahlkampf 2020 blockierte Twitter vorübergehend eine Enthüllungsgeschichte über Joe Bidens Sohn. Den Vorwurf der politischen Zensur will der neue Chef Elon Musk mit internen Mails belegen – doch er zeigt wenig Neues.” – Was ist Bauernschläue? Bauernschlau ist es schon, die ganze Story bereits im Teaser auf die einkassierte Story von Hunter Bidens Laptop einzudampfen. Dabei geht es um sehr viel mehr. Noch bauernschlauer ist es, einen bereits feststehenden Beleg für Zensur mit “will belegen” zum momentanen “Nichtbeleg” herabzustufen. Am bauernschlauesten ist es, zu behaupten, daß es wenig Neues zu berichten gebe. Da hätte der mordsgewiefte Herr Reiner, Anton auch gleich schreiben können: “Blättern Sie weiter, hier gibt es nichts Interessantes zu lesen.” – Ha-ha-ha! Es ist nämlich so: Wenn es wenig Neues gibt, dann wären ausgerechnet die SPIEGEL-Leser diejenigen, die es schon vorher gewusst hätten, weil sie nämlich “mehr wissen”. Aber der für das Relotiusblättchen Tippende hat dann trotzdem noch einen Artikel unter seinen Teaser gepackt, um ausführlich zu beschreiben, wie wenig Neues es zu berichten gibt. “Dein lustiges Relotiusblättchen – das Comedy-Magazin aus Hamburg”, wäre vielleicht ein ganz gelungener Werbeslogan.

Spaß beiseite

Jetzt aber mal ernsthaft: Wenn es wirklich so wenig Neues zu berichten gibt, dann könnten die wackeren Relotiusmannen ja mal eine Mail nach Amerika schicken und den naseweisen Dauerberichterstattern und Kommentatoren – etwa bei Fox, dem meistgesehenen Sender dort – erklären, daß sie völlig auf dem Holzweg sind, weil es nicht viel Neues zu berichten gibt. Und daß sie das ganz alleine herausgefunden hätten. Jetzt aber …

Joe and Hunter Biden
“The Nice Guys”: Hunter & Joe Biden – Screenshot Facebook

Bei den veröffentlichten Dokumenten geht es konkret um einen Vorfall im Oktober 2020. Mitten in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs brachte das konservative Boulevardblatt »New York Post« damals eine Titelstory über Joe Bidens Sohn Hunter und dessen umstrittene Geschäftsbeziehungen in die Ukraine. Hauptquelle war offenbar ein Laptop, den Hunter Biden bei der Reparatur vergessen hatte und der es später über Umwege zur »New York Post« schaffte.” – Brüll! Das ist zuuuu komisch. “Konkret geht es um einen Vorfall” – Ha-ha-ha!

Mein lieber Schieber: Noch konkreter geht es da um sehr viel mehr konkrete Vorfälle als nur einen einzigen “konkreten”. Es geht nicht nur um Hunters dubiose Geschäftsbeziehungen in die Ukraine, sondern auch um Geschäftsbeziehungen in alle jene Länder der Welt, die auf dem internationalen Korruptionsindex die Spitzenplätze einnehmen. Um solche, die auf dem Korrutionsindex keinen unrühmlichen Platz einnehmen, geht es ausdrücklich nicht. Dann geht es konkret auch noch um den “Big Guy”, der 10 Prozent dafür kassiert hat, daß er als Türöffner für diese Geschäftsbeziehungen diente. Beim “Big Guy” handelt es sich mit fast 100-prozentiger Sicherheit um Joe Biden, Hunters Papa, den damaligen Präsidentschaftskandidaten selbst. Dann geht es außerdem noch um Sexfotos und Drogenfotos – Hunter hält offensichtlich gern ein Nickerchen mit der Crackpfeife im Mund und wiegt im Wachzustand feinstes Weizenmehl ab.

Ganz konkret geht es dann auch noch um die Tatsache, daß das FBI bereits zehn Monate vor dem später zensierten Artikel in der “New York Post” im Besitz dieses Laptops gewesen ist, daß der Besitzer des Laptop-Reparaturladens in Delaware mit Klagen überzogen und bedroht wurde, daß dann beim FBI angeblich die Festplatte des Laptops – das Beweismittel schlechthin – “verloren gegangen” ist, daß das FBI keinerlei Interesse an dem Angebot des Reparateurs zeigte, mit einer Kopie der Daten aus der Verschwinde-Bredouille herauszuhelfen – und last not least: Daß es bei Twitter ein sogenanntes “Partner Program” gegeben hat (und im Augenblick noch gibt), das einen erweiterten Login bei Twitter ermöglichte für solche User, die im Besitz einer “Government ID” waren (und sind). Die konnten sich dort mit Spezialbefugnissen einloggen und sich aussuchen, wen sie gern bei Twitter entfernt haben wollten. Sogar Donald Trump, der 45ste US-Präsdident damals, wurde gelöscht. Der renommierte Schauspieler James Woods wurde gelöscht. Eine bislang nicht genau bekannte, jedenfalls riesige Anzahl von “Dissidenten” wurde gelöscht, die nichts anderes getan hatten, als ihr Recht auf Redefreiheit wahrzunehmen – und nur, weil ihre Ansichten nicht genehm waren. Weil aber selbst das noch nicht genug war, wurden auch noch jede Menge “Bots” kreiert, virtuelle Existenzen, die es im realen Leben gar nicht gibt, deren Ansichtsäußerungen auf Twitter aber als solche von lebenden Personen verkauft wurden, um Meinungsmehrheiten vorzutäuschen, die realiter gar keine waren.

Der “einzige konkrete Vorfall”: Manipulation einer US-Präsidentschaftswahl

Der “einzige konkrete Vorfall”, um den es bei der Veröffentlichung der “Twitter-Files” geht, setzt sich aus vielen (unter)-“konkreten Vorfällen” zusammen und ist mit einem Wort beschrieben: Wahlmanipulation. Wäre bekannt geworden, was das FBI bereits Ende 2019 wusste – und was die amerikanische Öffentlichkeit im Oktober 2020, in der heißen Phase des Wahlkampfs also – hätte unbedingt wissen müssen, dann wäre Joe Biden nie und nimmer US-Präsident geworden, ganz egal, wie ausgefeilt alle anderen Wahlbetrugsmethoden gewesen wären, die sowohl bei der Briefwahl als auch bei der Stimmauszählung zur Anwendung gekommen sein sollen, wie nicht nur der “Navarro-Report” und die “2000 Mules”-Doku von Dinesh D’Souza dringendst nahelegen, sondern auch die diesbezüglichen Anhörungen vor den State-Legislators der einzelnen Bundesstaaten und die mysteriöse Abweisung der sog. Texasklage von weit mehr als einem Dutzend Bundesstaaten beim Supreme-Court.

Die Veröffentlichung der “Twitter-Files” bedeutet ganz konkret: Die USA haben keinen rechtmäßig hervorgebrachten Präsidenten! Die USA haben aufgehört, eine funktionierende Demokratie zu sein! Das sind ganz schlechte Nachrichten in der “westlichen Wertewelt”. Aber der Herr Reiner vom Relotiusblättchen: Es geht nur um einen konkreten Vorfall im Oktober 2020. Nur Ukraine, nicht viel Neues. – “SPIEGEL-Leser wissen mehr”.

Der Herr Reiner fabuliert dennoch unverdrossen weiter: “Was die Mails nicht zeigen: Meinungsfreiheit, die »auf Anordnung der Regierung« unterdrückt wurde, wie Musk angekündigt hatte“. Und: “Erstens war das »Team Biden« zum Zeitpunkt der Mails nicht in der Regierung, sondern in der Opposition. Zweitens erhielt und bearbeitete das Twitter-Moderationsteam laut den Dokumenten auch Anfragen von Donald Trumps Umfeld.” – Und das ist schon der nächste bauernschlaue Versuch, Lesertäuschung zu betreiben. Die Mails zeigen sehr wohl, daß Meinungsfreiheit auf Anordnung der Regierung unterdrückt wurde. Und zwar auf Anordnung der heutigen Regierung, die zweifellos nicht die heutige Regierung wäre, hätte sie die Unterdrückung der Meinungsfreiheit damals nicht angeordnet. Richtig ist, daß das Moderations-Team auch Anfragen aus “Trumps Umfeld” erhalten hat. Wäre das die “Regierung Trump” gewesen, hätte er es wohl auch so geschrieben, der Relotiant. Was die “Twitter-Files” ebenfalls offenlegen, ist, wie das Moderationsteam mit den Anfragen aus “Trumps Umfeld” im Gegensatz zu denen aus “Bidens Umfeld” umgegangen ist. Da steht es ungefähr 9:1 für das “Team Biden”. Ebenfalls interessant an den “Twitter-Files”: Wer an Twitter welche Summen überwiesen hat und wie sich das auf die edlen Spender verteilt.

Twitter ist in digitaler Form das, was früher die Marktplätze und die Waschhäuser gewesen sind. Twitter ist wahrscheinlich der größte Messengerdienst der Welt. Der erste Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung widmet sich u.a. der Redefreiheit. Die Machenschaften bei Twitter waren ein Anschlag auf die amerikanische Verfassung und haben letztlich dazu geführt, daß sich ein Betrüger ins Weiße Haus mogeln konnte. Die “Twitter Files” belegen eindrucksvoll, wie berechtigt das Mißtrauen der Amerikaner in Regierung, Medien und Institutionen inzwischen ist. Es war noch nie größer als zur Zeit. Und dafür gibt es eine Vielzahl an Schuldigen. Zusammengenommen sind das wahrscheinlich 10.000 Jahre Knast. Aber laut dem Relotiusblättchen gibt es “wenig Neues”. Sein Wunsch ist des Relotianten Himmelreich.

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