Foto: Alice Weidel (über dts Nachrichtenagentur)

10 Jahre AfD: Das ZDF zieht einen uralten “Mail-Skandal” aus der Mottenkiste

Das Timing mancher “Skandal”-Thematisierungen kann Aufschluss darüber geben, ob dabei einem echten öffentlichen Aufklärungsinteresse Genüge getan werden soll, oder ob es sich um Schmutzkampagne mit dem Ziel handelt, unliebsame Personen maximal zu diskreditieren. Unter diesem Aspekt handelt es sich bei der “Enthüllung” einer uralten und zudem vertraulichen Mail, die angeblich Alice Weidel geschrieben haben soll und die bereits 2017 öffentlich bekannt wurde – und die nun zur Maximaldiskreditierung der AfD-Chefin vom ZDF erneut ausgeschlachtet wird, natürlich rein  “zufällig” zum 10. Jahrestag der AfD – eindeutig um eine Kampagne, und eine ganz durchschaubare noch dazu.

Jeder von denen, die sich nun abermals wutschäumend als Exegeten der angeblich aus dieser Mail zu lesenden niederen und “rechtsextremen” Gesinnung Weidels aufspielen – vor allem jene, die selbst in der Öffentlichkeit stehen -, sollten besser innehalten und sich ehrlich fragen, was sie selbst wohl so alles in den letzten 10, 20 Jahren privat, in vertrauensvollem Umfeld von sich gegeben haben, aus dem man ihnen heute einen Strick drehen könnte und sie beispielsweise als sexistisch, rassistisch, gewaltaffin oder ähnliches brandmarken könnte. Jeder der “Selbstgerechten unter den Völkern” und vor allem in der deutschen Politik wäre gut beraten, sich das biblische Bild vom Balken im eigenen Auge und dem Splitter in dem des anderen in Erinnerung zu rufen.

Denn abgesehen davon, dass sie möglicherweise gar nicht von Weidel stammt, enthält diese – aus dem Kontext eines unbekannten Dialogfadens gerissene – eMail Weidels rein nichts, was zumindest objektiv falsch geschweige denn justiziabel wäre:

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(Screenshot:ZDFinfo)

Bekanntlich wird ja nichts für überzeugender und authentischer gehalten als das, was in bereits vorgefasste und bestehende Vorurteile hineinspielt und diese zu bestätigen scheint. Also ereifert sich nun raunend und ahnungsvoll das Lager der selbsternannten Monopoldemokraten und gelangt in Windeseile zu den heute so beliebten “Kontextualisierungen” und “Einordnungen”, die sich übrigens in nichts von den “Verschwörungstheorien” unterscheiden, die sie bei anderen am Werk sehen. Denn bereits 2013, so wird nun suggeriert, habe Weidel “Reichsbürger-Nähe” gezeigt.

Das ZDF, das Weidel in einer linken Nummer erneut gezielt mit einem kompromittierenden Detail ihrer Vergangenheit konfrontierte (etwas, das man sich bei Steineschmeißer Joschka Fischer, bei RAF-“Mescolero” Jürgen Trittin oder aktuell auch bei Cum-Ex-Warburg-Scholz niemals traute), rechtfertigt die Wiederaufwärmung dieser Skandalkonserve wie folgt: Auf Weidels Partei “…lastet in diesen Tagen der Verdacht einer Nähe zu Reichsbürgern.” Eine Anspielung auf die ominöse Inszenierung der 3.000-Polizisten-Razzia gegen eine Schar skurriler Reichsrentner im Dezember, seit welcher so krampfhaft und vergeblich versucht wird, irgendeine Brücke zwischen den verhinderten “Umstürzlern” und der AfD zu schlagen.

Der kreative Brückenschlag zur “Reichsbürger-Szene”

Als diese Brücke soll nun die Mail fungieren: “Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermächte des 2. WK und haben die Aufgabe, das deutsche Volk klein zu halten indem molekulare Bürgerkriege in den Ballungszentren durch Überfremdung induziert werden sollen”, heißt es darin. “Solche Töne sind sonst aus der Reichsbürger-Szene bekannt”, triumphiert das zweite Staatsfernsehen. Harter Tobak sind diese Sätze, jedenfalls dem ersten Klang nach, durchaus –  allerdings ein Tobak, der (sofern es sich um eine Fälschung handelt) erstens privat geäußert wurde und zweitens erkennbar im Zustand einer emotionalen Erregung geschrieben wurde.

Politiker der amtierenden Regierung als “Schweine” dürften vermutlich 70-90 Prozent der Deutschen irgendwann in ihrem Leben schon einmal bezeichnet haben – nicht nur privat im ungezwungenen Umfeld, sondern sogar am Stammtisch oder in erhitzten Debatten. Die objektive Feststellung, dass die Bundesregierung durchaus eingeschränkt souverän agiert (wie bis heute bei den Waffenlieferungen, aber auch bei der Klima-Schimäre und auch bei “Pandemie”-Maßnahmen erkennbar ist), ist auch nicht falsch – wenn auch der Begriff “Siegermächte” eine revanchistische, aus der Zeit gefallene Weltsicht vermuten lässt.

Geradezu prophetisch

Was jedoch die “molekularen Bürgerkriege in den Ballungszentren” und die “Überfremdung” anbelangt, so erweist sich die Mail – abgesehen von der reflexiv als unappetitlich und politisch inkorrekt wahrgenommenen Wortwahl – als geradezu prophetisch.

Dasselbe gilt, ganz wertfrei und objektiv, auch für die “Überschwemmung von kulturfremden Völkern wie Arabern, Sinti und Roma etc.” Vor Jahrzehnten (und vielleicht sogar noch zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Mail), als sich Zuwanderung noch auf niedrigem Niveau abspielte und aus ihr keinerlei Bedrohung für die soziokulturelle Integrität des eigenen Volkes erwuchs, äußerten sich tatsächlich nur echte Rassisten und Neonazis auf diese Weise – und damals wurde ihre Begriffswahl auch zu Recht als menschenverachtend, dumpf-fremdenfeindlich und paranoid angeprangert. Heute jedoch beschreibt sie leider die Realität. DAS ist der viel größere Skandal als das, was Alice Weidel – oder wer auch immer sonst –  vor vielen Jahren in einer geleakten eMail geschrieben hat. (DM)

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