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Zehn Jahre AfD: Rückblick auf einen nicht mehr zeitgemäßen Politikertypus

Sind Sie teamfähig? Alleine ja. Lucke, Petri, Meuthen – So geht Scheitern.

von Backfist

Lohnt sich eigentlich ein Rückblick auf Personen, die endgültig der Vergangenheit angehören und nie wieder eine politische Rolle spielen werden? Ja, es lohnt sich, um für die Zukunft zu lernen. Um Leuten in Zukunft keine Machtposition zu geben, die der Rolle eines von allen Seiten angefeindeten, ja geradezu bekriegten Oppositionsführers nicht gewachsen sind. Für diese Position benötigt es nämlich Eier aus Stahl. So würde es ein bekannter Youtuber formulieren. Man muss den Gegenwind mögen und sollte auf keinen Fall mit dem „Von-Allen-Gemocht-Werden-Wollen“ liebäugeln. Wir stehen zu unseren Positionen, egal ob den vollbegrünten Medien das gefällt, oder nicht. Basta. Ganz genau das würde ich in eine Stellenausschreibung hineinformulieren, wenn ich für die AfD einen Sprecher suchen würde. Im Moment scheint das nicht nötig zu sein. Es sieht eigentlich ganz gut aus…

Rückblende. Im Englischen gibt es einen schönen Satz, der heißt: „you never get a second chance for the first impression“. „Du bekommst niemals eine zweite Chance für den ersten Eindruck“ lautet die deutsche Übersetzung. Der erste Eindruck trügt nie, sagt der Volksmund dazu. Vielleicht ist das etwas zu hart formuliert und man kann jemand noch anders kennen lernen, als im ersten Moment. Aber wenn man genügend Menschenkenntnis hat, haut das mit dem ersten Eindruck und dem Bauchgefühl, das er vermittelt, sehr oft hin.

Der erste Eindruck….ja, das stimmt schon auf ´ne Art, dachte ich mir, als ich vor Kurzem einen Auftritt der ehemaligen AfD-Parteivorsitzenden Frauke Petry in einer trauten Talk-Showrunde von BILD-TV auf Youtube angesehen hatte. Anlass, mir weitere ihrer früheren TV-Momente nach dem „Abgang“ 2017 anzutun.

Dieser flackernde, nervöse Blick, dieses Beifall heischende Gestikulieren, Nicken, Grinsen, Mimikrieren und Mitmachen, natürlich die billigsten Seitenhiebe auf ihre ehemalige Partei, die üblichen no brainer von wegen nach rechts abgedriftet, völkischer Flügel und so weiter und so fort. Alles, was eben das Establishment von einem Renegaten an opportunistischen Sprechblasen erwartet. Berechenbar, vorhersehbar, billig, inhaltlich falsch und langweilig. Man reibt sich die Augen: Das soll also die ehemalige Sprecherin der einzigen wirklichen Oppositionspartei gewesen sein? Kaum zu glauben. Würdelos war das, peinlich und überflüssig.

Warum eigentlich wird jemand so? Warum wird man vom Sprecher einer Oppositionspartei zum Kronzeugen gegen diese Partei? Man könnte doch einfach gehen, die Klappe halten und fortan etwas anderes machen, wenn man auf die Partei keinen Bock mehr hat. Stattdessen macht man sich zur öffentlichen Witzfigur. Jedes Kind weiß, dass die Medien den Verrat lieben, aber niemals den Verräter. Warum sich also an diese Mischpoke heranrobben? Was treibt diese Leute an?

Ich erinnerte mich in dem Moment daran, dass ich auch so ein komisches Gefühl hatte, als ich sie Jahre zuvor zum ersten Mal bei einer Talkrunde oder im Fernsehinterview gesehen hatte. Der erste Eindruck zählt. Etwas war nicht stimmig. Irgendwie strahlte das alles auch Opportunismus und Unruhe aus, trotz der richtigen inhaltlichen Positionen. Vielleicht war es auch Unsicherheit. Sie hatte, das muss man ihr zugestehen, auch ihre guten Momente. Als sie sich etwa anschickte, Unstimmigkeiten im eigenen Habitus durch souveräne Auftritte wettzumachen. Ich erinnere mich an die gelungene Interaktion mit linken Störern, denen sie bei einer Parteiveranstaltung die elementaren Zusammenhänge im Kontext des Klimathemas erklärte. Leider kam dieser Entwicklungsprozess schon bald zum Erliegen.

Ganz ähnlich erging es mir mit ihrem Vorgänger, Herrn Lucke. Sein professoraler Stil war irgendwie immer schon hölzern und blieb mir seltsam fremd. Widerspruch gegen irgendeine Ausprägung seiner Regentschaft konnte man sich bei ihm schwer vorstellen, so mein Bauchgefühl. Der Machtmensch will lieber unter seinesgleichen bleiben. Das strahlte er für mich aus. Das Gegenteil eines Salvini oder des Volkstribunen Orban. Kooperativ und integrierend, auch einmal eine Niederlage akzeptierend, sich in einen parteipolitischen Kontext einbringend? Das geht schonmal gar nicht. Auch hier das gleiche Muster nach dem Ausstieg: Austeilen gegen die ehemalige Partei, nachtreten, konstruieren einer angeblich sich radikalisierenden Mehrheit, kurze Auftritte bei den linkslastigen Medien, die, gierig nach Verrat, jeden konservativen Renegaten stets ein paar Tage lang hofieren und dann fallen lassen, wie eine heisse Kartoffel.

Meuthen, die Nummer drei im Ensemble: Wie Jörg Meuthen nach seinem Abgang als Parteivorsitzender medial geschlachtet wurde, spottet selbst für die auf jeden Verrat lauernde Medienmeute jeder Beschreibung. Schwer erträglich ist es, heute anzusehen, wie er damals im heute journal oder bei Lanz gnadenlos abwatscht wurde, als er, sicherlich in freudiger Erwartungshaltung dachte, die Journaille feiere ihn jetzt als Helden und Kronzeugen gegen die böse blaue Partei. Er monierte dort zum Beispiel, dass die AfD aus zwei Strömungen bestehe und das sei ein gaaaaanz schlimmer Zustand, den er nicht mehr akzeptieren könne. Herrgott Meuthen! Mal die restlichen Gehirnzellen einschalten: Das ist in jeder Partei so, seit es Parteien gibt. Man nennt das einen Diskurs und Streit um die bessere Idee. Und wer damit nicht klarkommt, sollte auf dem Ponyhof tätig werden, aber nicht in der Politik. Oder er ist nicht teamfähig und hat Vorstellungen von einer Politik, idealtypisch mit sich selbst an der unumstrittenen, unhinterfragbaren, nicht kritisierbaren Spitze der Partei. Aber diese Haltung nennt das Politiklehrbuch dann eben leider Monarchie, Diktatur oder Herrschaft der Autokraten. Mit demokratischer Willensbildung hat das nichts zu tun. Vielleicht hatten die drei Herrschaften in dieser Hinsicht ja mehr Gemeinsamkeiten, als sie denken….

Es ist schon eine irre Kette: Lucke wird von Petry abgesägt, Petry und Meuthen sägen sich jeweils selbst ab und mittlerweile fristen alle drei ein politisches Dasein unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Nicht einmal mehr als Kronzeugen werden sie von den Medien noch benötigt.

Jeder der drei hat während seiner Zeit bei Millionen von Wählern sicherlich die Hoffnung gesät, dass endlich eine politische Kraft auftreten möge, die trotz aller Unzulänglichkeiten im Personellen wie auch im Programmatischen, die Themen aufruft, die geradezu nach politischer Repräsentanz schreien. Dieses Potenzial zu bündeln und zeitweise zu repräsentieren, wenn auch unzulänglich, darin liegt wohl tatsächlich ihr Verdienst. Die Dynamik der realen Probleme hat indessen bis heute dafür gesorgt, dass sich die von der AfD bespielten Politikfelder so dramatisch zuspitzten, dass nach diesen drei einfach andere kamen, die geeigneter sind, die Partei weiterzuführen und dass diese Weggänge keine Rolle spielten.

In der Retrospektive wirklich sehr lustig anzusehen ist, wie medial in allen drei Fällen ein begleitendes AfD-Untergangsszenario konstruiert wurde. Frei nach dem Motto, jetzt verkommt die Partei zur rechten Splittersekte und wird in der Versenkung verschwinden. Da war – für jeden ersichtlich, der mehr Gehirnzellen als eine Stubenfliege hat – der Wunsch Vater des Gedankens. Das Gegenteil war stets der Fall und nach jedem Abgang der überflüssig gewordenen Egozentriker stieg die Zustimmung zur AfD, die Wahlergebnisse blieben stabil oder entwickelten sich langfristig positiv weiter. Von einem rapiden Wählerverlust oder einem Abdriften ins Extremistische konnte jedenfalls keine Rede sein. Es sei denn, man verwechselt konsequente Kritik an den desolaten Zuständen in Deutschland mit Extremismus.

Was machen diese Leute heute? Petry gründete „Die Blauen“, die ihren großen Erfolg mit 857 Stimmen bei den Landtagswahlen in Thüringen feiern durften und sich dann 2019 auflösten. Luckes Parteigründung „Liberal-Konservative Reformer“ LKR eilte von 0,1% Wahlerfolg zu 0,1% Wahlerfolg. Wikipedia notierte eine Austrittswelle 2021 und den Fall dieser ohnehin bedeutungslosen Partei in die völlige Bedeutungslosigkeit.

Herrn Meuthens Weg in die 0,1% Partei „Zentrum“ ist von einem steilen Online Angebot des Herren begleitet: Sein Youtube Kanal zählt sagenhafte 375 Abonnenten und seine Videos dort werden zwischen 95 Mal und 350 Mal aufgerufen. Trostloser geht es nicht mehr.

Es bleibt die Frage, was treibt diese Personen um? Wie kommt es zu diesen spektakulären Aufstiegen und vor allem den jähen Abgängen? Anstatt in Würde zu gehen und sich dem Angeln, Jagen oder Golfspiel zu widmen, dieses Nachtreten gegen die eigene (ehemalige) Partei. Es war ästhetisch und menschlich schwer zu ertragen, diese Rückratlosigkeit mit anzusehen. Leiden diese Personen unter einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung, etwa an einem Kaisersyndrom? Sind sie partout nicht teamfähig, wie in der Überschrift vermutet? Oder werden sie gar von irgendjemand erpresst? Ja, ich weiß, das Letztere ist wahrscheinlich nur eine abwegige Verschwörungstheorie…