Foto: Pixabay

Schufa vor dem Aus? 

3423ec71ab2f4413b0b4910c3fd9583b

Das Thema Schufa polarisiert bereits seit Jahren im öffentlichen Diskurs. Ist es moralisch vertretbar? Ist sie legal? Zumindest die letzte Frage könnte bereits in naher Zukunft geklärt werden. Und mit der dazugehörigen Entscheidung steht und fällt das gesamte Konzept privater Auskunfteien in Deutschland. Die Schufa und auch weitere Auskunfteien könnten verboten werden oder müssten ihre Geschäftsmodelle grundlegend umkrempeln. Warum?

Das klassische Geschäftsmodell von Auskunfteien gerät in Zeiten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unter Druck. Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bereits Ende 2021 mehrere Fragen zur Klärung vorgelegt und so verhandelt der EuGH seit Donnerstag, dem 26. Januar 2023, zu den fraglichen Sachverhalten. Mit Spannung beobachtet die Branche zwei Verfahren, die am Donnerstag vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg begonnen haben. Wobei für die Schufa einiges auf dem Spiel steht.

Auf der Kippe steht nichts Geringeres als das gesamte System der Auskunfteien.

Im ersten Verfahren wird über das automatisierte Scoring verhandelt. Bevor jemand einen Kredit erhält, einen Laufzeitvertrag abschließt oder auch Onlinebestellungen auf Rechnung tätigen kann, fragen Banken oder Händler ebenso wie Telekommunikationsdienste oder Energieversorger häufig erst Auskunfteien wie die Schufa nach der Kreditwürdigkeit (Bonität) dieser Person. Die Schufa schickt dann zusätzlich zu allen relevanten Einträgen in ihrer Datenbank einen “Score” genannten Wert.

Dieser soll die Wahrscheinlichkeit widerspiegeln, ob der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt oder Ausfälle drohen. Auskunfteien wie die Schufa argumentieren, dass sie lediglich einen Bonitätswert ermitteln, den sie einem anfragenden Unternehmen übermitteln. Dieses treffe dann auf Basis weiterer Daten, die es von seinem interessierten Kunden hat, die Entscheidung. Das VG Wiesbaden hielt dem entgegen, dass viele Unternehmen de facto nach dem automatisch ermittelten Score der Schufa entscheiden. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verbietet jedoch, dass Computer Entscheidungen über Menschen treffen, welche diese entweder rechtlich oder auf eine ähnliche Weise beeinträchtigen können. Konkret sollten die Richter in Luxemburg darüber befinden, ob die Schufa gegen das Verbot automatisierter Entscheidungen nach Artikel 22 Absatz 1 der DSGVO verstößt.

Illegale Datenspeicherung

Im zweiten Verfahren gilt es, die illegale Datenspeicherung zu klären. Die Schufa bezieht Daten über deutsche Bürger aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen. Dazu sollen auch Informationen aus öffentlichen Verzeichnissen gehören. Nun zweifelt das VG Wiesbaden allerdings daran, ob eine solche „Parallelhaltung” der Daten neben den staatlichen Registern überhaupt zulässig sei. Denn dieses sei gesetzlich nicht geregelt. Die Schufa speichert sie auf Basis einer freiwilligen Vereinbarung deutscher Auskunfteien noch drei Jahre lang und bezieht sie in den Score mit ein. Wenn aber Informationen über Personen aus öffentlichen Verzeichnissen einfließen, müssten „dieselben Speicher- und Löschfristen gelten, wie in den öffentlichen Registern“, so das VG Wiesbaden. Also sechs Monate anstelle der drei Jahre, welche die Daten gegenwärtig in den digitalen Schufa-Bibliotheken verweilen. Bekäme die Argumentation des VG Wiesbaden Recht, müsste die Schufa auf eine der Grundlagen, dem automatischen Wert ihres „Score” genannten Wert” verzichten. Ein händisch erstellter Score würde nur wenige Daten als Grundlage bieten und sie überflüssig machen. Das Urteil wird spätestens Anfang 2024 erwartet.

[hyvor-talk-comments]