Henryk M. Broder - Foto: Imago

Wie sich achgut.de in Sachen Hersh blamierte

Unter den regierungskritischen Medien genießt das von Henryk Broder repräsentierte achgut.de seit seiner wertvollen Aufklärungsarbeit während der Corona-Jahre mit Recht einen guten Ruf unter kritischen Zeitgenossen. Leider hat dieser arge Kratzer seit Beginn des Krieges in der Ukraine bekommen. Denn die Redaktion von achgut.de steht unbeirrt auf Seiten der Ukraine. Das kann man natürlich machen, doch geschieht das gegen die Überzeugung vieler Leser dieses Mediums.
Von Wolfgang Hübner
Denn das sind in der Regel besonders gut gebildete Zeitgenossen, die sich umfassend informieren und deshalb ein sehr differenziertes Bild über die Entstehung und den Verlauf dieses Konfliktes haben. Sie sind deshalb offen verärgert, dass ukrainekritische Texte faktisch bei achgut.de ausgesperrt werden, russlandkritische und insbesondere Putin-feindliche Beiträge aber immer wieder mal dort erscheinen. Unter diesen Vorzeichen war zu erwarten, dass die Enthüllungen der amerikanischen Journalistenlegende Seymour Hersh für Verlegenheit bei achgut.de sorgen würden.
Denn der auch für Springer-Zeitungen schreibende Broder ist bekennender Freund der USA, wenngleich er wahrscheinlich kein Freund von US-Präsident Biden ist. Doch dieser steht seit den Hersh-Enthüllungen unter dem dringenden Verdacht, einen Akt des Staatsterrorismus befehligt zu haben. Statt diesem Verdacht weiter nachzugehen, hat am Donnerstag achgut.de einen sehr langen Text eines Amerikaners namens Lee Smith veröffentlicht unter dem Titel: „Der Northstream-Blowup – eine Gegenthese“.
Was Mr Smith als „Gegenthese“ entwickelt, ist die beispiellos wirre Komposition aus Vermutungen und Unterstellungen eines Autors, der sich zwar als Trump-Anhänger zu erkennen gibt, aber eigentlich nur ein Ziel hat: Die Erkenntnisse von Hersh irgendwie in Frage zu stellen. Daran lässt er schon mit dem ersten Satz keinen Zweifel: „Leichtfertige Behauptungen, die USA hätten die Nord Stream-Pipelines in die Luft gejagt, lenken von den wahren Skandalen der Biden-Regierung ab – auch die hinsichtlich des Ukraine-Krieges.“
Auch nach der mühevollen dritten Lektüre des Textes ist mir nicht klar geworden, von welchen Skandalen die Biden-Regierung ablenken soll. Aber mir ist sehr klar geworden, dass Mr Smith die journalistische Integrität und Zurechnungsfähigkeit des knapp 86-jährigen Hersh grundsätzlich in Zweifel zieht. Und genau das dürfte der (schlechte) Grund sein, warum achgut.de diesen peinlichen Beitrag veröffentlicht hat. Geschadet haben sich Broder und die Redaktion von achgut.de damit selbst. Davon zeugen auch die meisten der Leserreaktionen. Eine Blamage.
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