NATO-Übung in Polen 2019: Die nun anstehenden Manöver sollen weitaus größer werden (Foto:Imago)

Überflüssig: NATO übt Krieg in Polen

Im Nordosten Polens, in Masuren, findet allerweil ein lange geplantes NATO-Manöver statt, das durch den zwischenzeitlich ausgebrochenen Ukrainekrieg eine besondere Signalwirkung hat, meint die ARD-Tagesschau. Dem läßt sich schwerlich widersprechen. Nur das Signals ist ein anderes, als die Tagesschau behauptet.

von Max Erdinger

Das multinationale NATO-Korps Nordost, das gerade Krieg in Polen übt, wird kommandiert von Bundeswehrgeneral Jürgen-Joachim von Sandrart. Die “Tagesschau” zitiert ihn. “Ich kann mich noch daran erinnern, was es bedeutet, am Ende an der innerdeutschen Grenze Deutschland zu verteidigen und die Sicherheit zu gewährleisten. Damals waren wir erfolgreich, und ich hoffe, dass wir auch weiterhin mit dem gleichen Ansatz erfolgreich sind.” Der Gute scheint ein wenig jener Kaltkriegsromantik nachzuhängen, derentwegen er heute sagt, Deutschland sei vor vierzig Jahren an der innerdeutschen Grenze verteidigt worden. In seiner Vorstellung scheint Deutschland immer noch Westdeutschland zu sein. Schließlich hat er vor vierzig Jahren wacker und todesmutig Westdeutschland verteidigt, nicht Deutschland. An der innerdeutschen Grenze. Das illustriert schon ganz gut einen Mindset, der heute noch weit verbreitet sein dürfte. Der Russe ist ein ewiger Sowjetkommunist, ein arglistiger dazu. Er greift nach der Weltherrschaft. Das muß unterbunden werden. Und zwar mit der NATO. Solche Generäle hat die NATO gern. Einmal Kalter Krieger, immer Kalter Krieger.

Was hat es nun mit diesemm Manöver auf sich? Warum wurde es nicht abgeblasen? Weil noch immer die Überzeugung zu herrschen scheint, man dürfe die Russen so lange provozieren wie man will, weil das folgenlos bleiben wird. Aber wenn man schon dieser Meinung ist, sollte man wenigstens vorher richtig kalkuliert haben. Was ist an Material und Truppenstärke auf der einen Seite vorhanden – und was auf der anderen? Aber gut. Was üben die NATO-Truppen in Nordostpolen? Wie man einen Krieg am besten verliert? Natürlich nicht. Dort üben sie, wie man einen Krieg gewinnt, der realiter nicht zu gewinnen ist. Das ist ziemlich schwierig. Deshalb sollte man das geübt haben, bevor es schiefgeht. “Let’s face it”, wie der Ami sagt – und General Christopher G. Cavoli U.S. European Command ist einer: Es gibt für die NATO keine Möglichkeit, einen konventionellen Landkrieg gegen Russland zu gewinnen. Es fehlt sowohl an Material als auch an Truppen, so Cavoli. Außerdem steht ja Taiwan auch noch auf dem Wunschzettel der amerikanischen Bellizisten. Wozu also das Manöver in Polen? Um Wladimir Putin zu verunsichern? Noch nicht einmal das dürfte gelingen.

Finnland in der NATO

Ex-UN-Waffeninspekteur Scott Ritter äußerte sich dieser Tage zum NATO-Beitritt Finnlands. Er spricht von einem riesigen Fehler und nennt nachvollziehbare Gründe. Finnland sei von den Russen nie bedroht gewesen, ganz im Gegenteil. Obwohl die Finnen im Zweiten Weltkrieg, dem Großen Vaterländischen Krieg im Sprachgebrauch der Russen, auf Seiten der Deutschen Wehrmacht gegen Russen gekämpft hätten, habe Russland nie Anstalten gemacht, sich Finnland einzuverleiben. Das habe sich auch bis zum heutigen Tag nicht geändert. Der NATO-Beitritt Finnlands habe das vermutlich geändert, besonders dann, wenn sich Finnland dazu hergibt, um Raketen zu stationieren. In dem Fall würden die Finnen Milliarden und Abermilliarden aufbringen müssen, um es sich hinter ihrer 1.300 Kilometer langen Grenze mit Russland auch weiterhin gemütlich zu machen. Jedenfalls gehe es um viel Geld, das die Finnen hätten sinnvoller verwenden können. Zudem liefen bislang 60 Prozent des finnischen Außenhandels mit Russland ab. Das dürfte nun Geschichte sein. Finnland liege nach seinem NATO-Beitritt praktisch wieder am “Arsch der Welt”, in der “Ostsee ganz hinten”. Das ganze Baltikum auf der anderen Seite der Ostsee sei mit dem NATO-Land Polen nur über die Suwalkilücke verbunden, ein etwa 65 Kilometer breites Gebiet, dessen Verteidigung nun wohl Schwerpunkt der gegenwärtig laufenden NATO-Übung ist.

Das alles passiert in einem größeren wirtschaftlichen Zusammenhang, in welchem der US-Dollar global deutlich unter Druck gekommen ist einerseits, und in dem außerdem deutlich wurde, daß die NATO-Führungsmacht USA in den Europäern nur nützliche Gestalten zur Umsetzung ihrer eigenen geopolitischen Interessen und Strategien erkennt. Gerade seit dem Besuch von Präsident Macron und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in China ist deutlich geworden, daß die unipolare Weltordnung unter der Fuchtel der USA allmählich ihrem Ende zugeht, und daß die Europäer einen eigenen Pol in einer multipolaren Welt werden bilden müssen.

Sowohl Polen als auch Finnland und die baltischen Staaten sind völlig schief gewickelt, wenn sie glauben, daß das westliche Militärbündnis unter Führung der USA noch eine Zukunft hat. Zu spät aufs falsche Pferd gesetzt, heißt das im Fall der Finnen. In Washington sitzen keine Freunde Europas. Für die Kriegstreiber in Washington stellt sich schon seit längerem die Frage, wie sie ohne Gesichtsverlust aus ihrem Ukraineabenteuer wieder herauskommen sollen, wo doch nun China als die größte Bedrohung der amerikanischen “Sicherheitsinteressen” gilt. Die wiederum sind bekanntlich ganz nach Belieben der jeweiligen US-Administration überall auf der Welt bedroht. Mal hier, mal dort, aber potentiell überall.

Die Ukraine wird den Krieg verlieren und mit viel Glück vielleicht noch Odessa als Zugang zum Schwarzen Meer behalten. Wenn nicht, wird die Ukraine zu einem Binnenland. Sie wird die Krim bei Russland lassen müssen, die russische Schwarzmeerflotte wird das Schwarze Meer auch weiterhin von Sewastopol aus “regieren”, Selenskyj wird sich in Sicherheit vor seinen überlebenden Landsleuten bringen müssen, die Westukraine wird in irgendeiner Form polnisch werden – und Finnland, Polen sowie das Baltikum werden am neuen Eisernen Vorhang liegen. Sie hätten es auch anders haben können. Westlich von ihnen wird eine wirtschaftlich ruinierte EU liegen – die Dummheit kennt keine Grenzen mehr. Das NATO-Manöver in Nordostpolen ist Ausdruck einer schier grotesken Fehleinschätzung der geopolitischen Lage. Die “Tagesschau”: “Die NATO hat ihre Ostflanke verstärkt und sendet Signale der Entschlossenheit – nach innen, aber vor allem nach Moskau“. Signale senden und Zeichen setzen: Da macht den europäischen US-Vasallen so schnell keiner etwas vor. “Signale der Entschlossenheit”. Meine Güte, wie abgehoben.

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