Meinungsfreiheit (Symbolbild: shutterstock.com/Von Antony McAulay)
Befreiung? (Symbolbild: shutterstock.com/Von Antony McAulay)

8. Mai 1945: Tag der Befreiung?

Am 8. Mai 1945 war der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Seither hieß es, die Deutschen seien “befreit” worden. Spätestens am 8. Mai 2023 steht fest, daß das eine recht merkwürdige Befreiung gewesen sein muß.

von Max Erdinger

Das Dritte Reich kapitulierte, der Krieg war verloren, Deutschland lag in Trümmern, die Großstädte waren Ruinen. Dann folgte eine “Entnazifizierung” – und es galt eine neue Sprachregelung: Die Nazis hatten den Krieg verloren – und die Deutschen waren von den Nazis befreit worden. Richtig ist, daß die Nazis nichts mehr zu melden hatten. Genauer: Die NSDAP hatte nichts mehr zu melden. Etliche Nazis kamen in der Bundesrepublik und auch in der DDR wieder in einflußreiche Positionen. Am meisten als “Befreier” galten die Amerikaner. Das ist schon merkwürdig. Für besonders clevere Nazis hatten die nämlich durchaus Verwendung – in den USA. Hier sei nur Wernher von Braun als prominentes Beispiel erwähnt. Zehntausend weitere Nazis fanden nach dem Krieg in den USA eine neue Heimat und wurden dort mit etwa 20 Millionen US-Dollar aus den Sozialkassen unterstützt. Außerdem wurde viel technisches Know-How aus dem besiegten Deutschland abgezogen, egal, aus welchen Bereichen. Chemie, Maschinenbau, Waffentechnik – you name it. Da fragt man sich natürlich, weshalb die Amerikaner sich Leute ins Land holten, von denen sie die Deutschen zuvor “befreit” hatten.

Wahrscheinlich ging es in erster Linie gar nicht um die Deutschen und ihre “Befreiung”, sondern darum, den Amerikanern in Deutschland über den Schnack von der Befreiung den Status von Befreiern anzudichten. Befreier, Befreiung, Freiheit. Das war das, was mit den Amerikanern nach dem Krieg assoziiert werden sollte: Freiheit. Kämpfer für die Freiheit. Die Guten eben. Nach dem Krieg wurde unter den Alliierten ernsthaft über die Durchsetzung des Morgenthau-Plans nachgedacht, also über die Verwandlung Deutschlands in eine reine Agrargesellschaft. Damit von Deutschland aus nie wieder ein Krieg ausgehe. Umgesetzt wurde dann aber der Marshall-Plan für den Wiederaufbau Deutschlands als einer prosperierenden Industrienation. Warum? Weil ein neuer Krieg vor der Tür stand, nämlich der Kalte Krieg zwischen der Sowjetunion und den USA. Westdeutschland sollte zum US-Stützpunkt direkt am Eisernen Vorhang werden. Da empfahl es sich, mit den Westdeutschen besser gut Freund zu werden und über eine formidable Infratruktur zu verfügen. Im Kalten Krieg waren sie als “neuer Verbündeter” schließlich gut zu gebrauchen – und “Freiheit” sowie “Demokratie” waren ja auch überzeugende Argumente.

Aber hatten die Amerikaner tatsächlich jemals Probleme mit Faschisten und Nationalsozialisten? Vor ihrem Kriegseintritt im Dezember 1941 nicht. Erst danach. Vorher füllten amerikanische Nazis mühelos ein ganzes Stadion wie den Madison Square Garden in New York. Auch in England gab es glühende Hitler-Verehrer. Nazi hin oder her – die Amerikaner haben 1945 einfach einen Krieg gewonnen. Im Osten waren es die Sowjets. Der Schnack von der Befreiung fußt zu einem riesigen Teil auf der Befreiung der Konzentrationslager. Die KZs waren schließlich – und das läßt sich nicht bestreiten – ein barbarisches Zeugnis für einen gigantischen Zivilisationsbruch, ein riesiges Menschheitsverbrechen. Aber nicht nur die KZs, sondern auch der Volksgerichtshof lieferten den Beweis dafür, daß den Nazis ein Menschenleben nicht viel gegolten hatte. Also doch Befreiung? Von Barbaren, vielleicht? Irgendwelche? Zufällig eben Nazis?

Der Nazi war eigentlich seit dem 8.Mai 1945 noch nie so populär wie allerweil. Wer partout nicht einverstanden ist mit den Gegenwarts-Narrativen vom Segensreichtum der multikulturellen Vielfalt, dem “Kampf gegen rechts”, dem Kampf gegen den “menschengemachten Klimawandel”, dem Kampf gegen die traditionelle Familie, die Vielzahl der Geschlechter usw. – der ist heute “irgendwie nazi”. Der “Nazi” ist heute ein nützliches Instrument in den Hände derjenigen, die gern verschleiern wollen, daß sie selbst sehr viel näher am “systematischen Nazi” siedeln – verstanden als die Ausgeburt eines Kollektivisten (du bist nichts, dein Volk ist alles) – , als diejenigen, die sie mit dem Begriff “Nazi” diffamieren – und so aus dem ach-so-löblichen “gesellschaftlichen Diskurs” schießen wollen.

Gedankenverbrechen

Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was jemand denkt und dem, was er tut. Die Nazis wurden über ihre Taten zu Verbrechern. Daß Taten gewisse Gedankengänge vorausgehen, läßt sich zwar nicht bestreiten, aber die Unterstellung, daß jeder einzelne Gedanke eines Nazis schon deswegen verdammungswürdig sei, weil er von einem Nazi gedacht worden war, ist ein wenig infantil. Das müssen auch die Amerikaner so gesehen haben, weil sie sonst nicht so sehr an den technischen Entwicklungen interessiert gewesen wären, die sich Nazis ausgedacht hatten.

Amerikaner scheinen auch heute wenig Skrupel zu haben, wenn es um Nazis geht, die ihnen nützlich sein könnten. In den USA kann man in Freiheit unumwunden ein Nazi sein, Gary Lauck z.B.. Das ist dort seltsamerweise vom Freiheitsbegriff gedeckt. Und man kann Nazis auch unterstützen – in der Ukraine zum Beispiel. Daß der US-Kongreß im Jahr 2018 beschlossen hatte, keine Waffen an solche Ukrainer zu liefern, die etwa mit “Azow”, dem “rechten Sektor” oder der “Swoboda-Partei” in Verbindung zu bringen sind, darf man getrost als ein Feigenblatt bezeichnen. Es war jedem klar, daß das dann, wenn die Waffen erst einmal geliefert worden wären, nicht mehr voneinander zu trennen sein dürfte. Die “boykottierten” Regimente und Einheiten waren schließlich in die ukrainische Armee integriert. Die Amerikaner haben mit dem Maidan-Putsch ab Februar 2014 sehenden Auges Nazis an die Macht geholfen. Deutschland jedoch haben sie am 8. Mai 1945 von Nazis “befreit”.

Natürlich ist ein solcher Widerspruch nicht nur mir aufgefallen, sondern auch anderen im deutschen Polit- und Medienbetrieb. Das ukrainische Banderistentum sei ein “aufgebauschtes Problem” hieß es dann. Es gebe dort zwar Nazis, aber die seien ja aus der Regierung verschwunden und seither ein Randphänomen – und bla-bla-bla. Die sind dort kein Randphänomen, außer vielleicht im Parlament. In der Armee und in sämtlichen anderen, der Politik nachgeordneten Bereichen, sind die Ukronazis ein gewichtiger Machtfaktor in der Ukraine. Man braucht sich nur einmal die Feierlichkeiten der Armee zur Wintersonnenwende anzuschauen. Die glichen den Original-Nazi-Veranstaltungen im Dritten Reich wie ein Ei dem anderen. Die Wolfsangel, die schwarze Sonne – sie sind überall zu sehen. SS-Runen “zieren” die Helme nicht weniger Ukrokämpfer. Und wenn man sich die Gewissenlosigkeit vor Augen stellt, mit welcher Selenskyj trotz völliger Aussichtslosigkeit auf einen Sieg immer weiter junge Ukrainer in den Fleischwolf wirft, sie aus den Hörsälen der Universität heraus, auf offener Straße und auch in ihren Wohnungen zwangsrekrutiert – und nur, um sie nach einem marginalen Training in einem aussichtslosen Kampf an der Front zu verheizen, dann erinnert das ebenfalls an die Durchhalteparolen in einem Dritten Reich, in dem den Verantwortlichen lange vor Kriegsende klar gewesen war, daß es nichts mehr zu gewinnen gibt.

Vielleicht könnte man so sagen: Wir Deutschen sind am 8. Mai 1945 “teilbefreit” worden. Von den Nazis zwar, aber nicht in dem Sinne, daß als Resultat der “Befreiung” die Freiheit gestanden hätte. Nach der “Befreiung” kam die Besatzung. Und die Amerikaner sind die einzigen der vormaligen Alliierten, die heute recht ungeniert durchblicken lassen, daß sie sich auch immer noch als Besatzer begreifen. Und daß sie das auch so aufrecht erhalten können. Das Agieren der Bundesregierung ist das beste Indiz dafür. Es ist meiner Meinung nach nicht so, daß die Bundesregierung deutsche Interessen nicht vertreten will, sondern sie kann nicht. Sie muß gehorchen. Sie muß denjenigen gehorchen, denen inzwischen auch die US-Administration gehorchen muß, die kanadische, die australische und auch die neuseeländische. Die britische, die französische, die Eurokratie. (In)offiziell freilich gehorcht die Bundesregierung der amerikanischen Regierung. Weder im Weißen Haus noch im Kongreß ist dort aber jemand zu finden, der nicht unter enornem finanziellen Aufwand dorthin gekommen wäre. Allesamt müssen sie sich ihren Sponsoren und Spendern erkenntlich zeigen.

Für uns Deutsche ist die Abhängigkeit von im wesentlichen “gekauften” US-Politos aber ein unhaltbarer Zustand, weil die allermeisten der heute lebenden Deutschen lange nach dem Krieg zur Welt gekommen sind, eigentlich “frei geboren” wurden, und weil es daher nicht den geringsten Grund für sie gibt, sich amerikanische Befehlsempfänger als “eigene Regierung” vor die Nase setzen zu lassen. Wer nach 1945 zur Welt gekommen ist, hat gefälligst keinen Besatzer zu dulden. Und ausgerechnet die Amerikaner mit ihrer Verfassung wären die ersten, die das zu begreifen in der Lage sein müssten. Daß es ihnen offenbar egal ist, zeigt auch schön die Verlogenheit hinter der Phrase von den “westlichen Werten”, die – man glaubt es kaum – heute ausgerechnet von Ukronazis verteidigt werden. Tatsächlich verteidigen sie natürlich gar keine Werte, wenn man von den materiellen Werten in Form US-amerikanischer Investitionen dort absieht -, sondern sie lassen sich für die geopolitischen Interessen der Amerikaner verheizen. Damit ihnen das nicht so leicht auffällt, wurden sie von den Amerikanern ab 2014 in ihrem russophoben “Patriotismus” bestärkt.

Da kann man durchaus fragen, ob stimmt, daß der “kollektive Westen” an der Seite der Ukraine steht (“We stand with Ukraine”), oder ob es nicht eher so ist, daß die Ukraine zuerst politisch und wirtschaftlich eingesackt wurde, damit die Ukrainer hernach sagen müssen: “We stand with the West”. Genauer: Die Ukraine steht nicht zum Westen, sondern sie steht ihm zur Verfügung – und zwar als Schlachtfeld gegen Russland. Und Deutsche, die am 8. Mai 1945 angeblich durch Amerikaner von den Nazis “befreit” wurden, finden sich heute in der unwürdigen Position, die Amerikaner bei deren Unterstützung von ukrainischen Nazis zu unterstützen. Das ist so grotesk, daß man es kaum fassen kann.

 

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