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Hans-Werner Sinn: „Wunschdenken verdrängt die Wirklichkeit”

Hans-Werner Sinn (75), ehemaliger Direktor des renommierten Ifo-Instituts in München und einer der einflussreichsten Wirtschaftsprofessoren Deutschlands, entzaubert die Klimapolitik: „Schädlich“, nennt er fossile Brennstoffe und spricht von Planwirtschaft. Je utopischer die deutschen Ziele wurden, desto heftiger wurden die Eingriffe in Form von Ge- und Verboten, mit denen die Politik die Deutschen auf Kurs bringen möchte“, schreibt Sinn in seinem Beitrag. Deutschland will in den nächsten 22 Jahren klimaneutral werden, die gesamte EU will das Ziel in 29 Jahren erreichen. Seit 1991 habe man den CO₂-Ausstoß um gerade mal 27 Prozent senken können – der schwerste Teil stehe also noch bevor, noch dazu soll es in weniger Jahren gelingen“.

Die Aussagen von Hans-Werner Sinn haben ein Beben ausgelöst. Schonungslos rechnet einer der wichtigsten Wirtschaftsprofessoren Deutschlands mit den beschlossenen und noch geplanten Verboten für Verbrenner-Autos und konventionelle Heizungen ab. „E-Autos und Wärmepumpen bringen dem Klimaschutz aktuell nichts. Im Gegenteil: Sie schaden ihm sogar”, sagt Sinn.

Seine Begründung: Wenn Europa auf Öl in Autos und Heizungen verzichte, verkauften die Öl-Förderstaaten den Rohstoff einfach in andere Länder nach Afrika oder Asien. Folge: Die CO₂-Belastung steige weltweit weiterhin an. Weil gleichzeitig der Strom aus Sonne und Wind nicht immer verfügbar sei und auf Atomkraft verzichtet würde, werde weiterhin viel Braunkohle verfeuert werden müssen, um ausreichend Strom zu erzeugen. Ergebnis: Strom für E-Autos werde immer „dreckiger”, denn statt weniger ginge mehr CO₂ in die Luft.

Das ist Planwirtschaft

Weiterhin erklärte er, durch das baldige Verbot von Verbrenner-Motoren in Autos sei die deutsche Wirtschaft ins Mark getroffen. Amerikanische und chinesische Unternehmen, die den heimischen Autobauern beim Verbrenner nie das Wasser hätten reichen können, eroberten nun das Feld. Professor Sinn: “Mit einer Marktentwicklung hat das nichts zu tun, das ist Planwirtschaft pur.”

Mit mehr als 30 Prozent Anteil war Kohle im vergangenen Jahr die wichtigste Energiequelle Deutschlands. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie habe zu einem 7,7 Prozent-Anteil beim Energieverbrauch geführt. “Deutschland legt alle Hoffnung auf den weiteren Ausbau des Ökostrom-Anteils. Wunschdenken verdrängt die Wirklichkeit”, so der Wirtschaftsprofessor.

Beben nach Aussagen von Sinn

Bei den übrigen Wirtschaftsforschenden treffen die Aussagen Sinns auf Protest. Der Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstituts, Moritz Schularick kritisiert Sinn scharf: „Es gibt schon genug Verkrustung und Beharrung in diesem Land. Jetzt nach Argumenten zu suchen, warum wir am Ende doch so einfach so weitermachen können, wie wir es schon immer gemacht haben, vertieft nur die Probleme.“

Auch der Energieökonom Lion Hirth reagiert auf Hans-Werner Sinns Thesen mit deutlicher Kritik: „Sinns seit Jahren wiederholte Behauptung, erneuerbare Energien könnten keine stabile Energieversorgung sicherstellen, erinnert mich an die Kampagnen der Energiekonzerne aus den 1990ern.“ Es gebe mittlerweile viele wissenschaftliche Studien, die das belegen würde, so Hirth. Sinn hatte behauptet, dass der „grüne Flatterstrom“ nicht ausreichen werde, um die Energieversorgung zu sichern.

Hier können die Entwicklungen der Stromerzeugung aus regenerativen Energien (aufgeschlüsselt nach Solarenergie, Windkraft, Laufwasserkraft und Bioenergie), der Stromerzeugung konventioneller Kraftwerke sowie des Stromverbrauchs nachverfolgt werden. Das ist eine Einrichtung der Agora Energiewende. Zusätzlich können Sie die Erzeugung konventioneller Energieträger aufgeschlüsselt einblenden, indem Sie auf die ausgegrauten Legendeneinträge klicken. Leider kommt man nach der Ansicht eher auf die Idee, Hans Werner Sinn könnte nicht völlig Unrecht haben.

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