Exponat im Museum Neanderthal - Foto: Imago

Deutschland 2023: Die Bullshit-Republik

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Es gibt viele politische Sachprobleme zu lösen. Das ist ein Berg. Ob allerdings das Problem zu lösen ist, dessentwegen dieser Berg von Problemen überhaupt entstanden ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.

von Max Erdinger

Gute Beziehungen zu Russland müssen wiederhergestellt werden. Mit dem Personal, das sie zerstört hat, ist das höchstwahrswcheinlich nicht mehr möglich. Nordstream wird neu gebaut werden müssen, wenn eine Reparatur nicht mehr möglich ist. Die Massenimmigration muß gestoppt werden, die Inflation, die Energiewende, der Windradausbau. Wiederhergestellt werden müssen die Innere Sicherheit, ein maßvoller Staat, eine Volksbildung, die ihren Namen verdient, eine neutrale „vierte Gewalt“ und so vieles mehr. Wie gesagt: Es ist ein Berg. Theoretisch ist das alles machbar. Die entscheidende Frage ist, ob die dafür notwendigen Kompetenzen und Kapazitäten überhaupt noch vorhanden sind und ob es den dafür nötigen, politischen Willen gibt.

Der britische „Telegraph“ zitierte dieser Tage den Chef der Deutschen Bank mit seiner Aussage, Deutschland müsse sich neu erfinden. Unser Land sei inzwischen der kranke Mann Europas. Ausgerechnet eine britische Zeitung. Die Briten haben es gerade nötig. Aber falsch ist die Behauptung deswegen noch nicht. Fragwürdig ist bloß die Bezeichnung des Kranken als Mann. Warum eigentlich nicht die kranke Frau? Ursula von der Leyen, Angela Merkel, Annalena Baerbock, Nancy Faeser und so weiter: Alles Frauen. Aber Deutschland wäre der kranke Mann Europas? Belegen läßt sich eine zeitliche Korrelation zwischen der Ermächtigung des Weiblichen in öffentlichen Angelegenheiten während des vergangenen halben Jahrhunderts und dem zu beobachtenden Niedergang nicht nur Deutschlands, sondern ganz Europas. Es gab ja auch Theresa May, Liz Truss oder – ganz aktuell – Giorgia Meloni, den italienischen Reinfall des Jahrzehnts. Ob es sich wirklich nur um eine zeitliche Korrelation handelt oder gar um eine Kausalität, tendenziell wenigstens, kann vermutlich gar nicht mehr diskutiert werden. Es ist schwierig, etwas in Frage zu stellen, das allgemein als „Errungenschaft“ begriffen wird, zumal dann, wenn sich die Hälfte der Bevölkerung – oder wesentliche Teile davon – allein ihres Geschlechts wegen schon angegriffen fühlen wird. Das kann man vorher wissen. Außerdem gibt es ja auch Ausnahmen, die solche Bedenken nicht rechtfertigen. Ausnahmen sind es halt.

Hat schon einmal jemand etwas von „Biosoziologie“ gehört? – Ich nicht. Wie’s wohl kommt? Auffällig ist, daß die diversen Soziopathopsychodingsbumse von der Biologie gern als einer „biologistischen“ Angelegenheit reden, wenn es um biologisch sinnvolle, psychische Differenzen zwischen den Geschlechtern zu gehen hätte, die dann, wenn sie als unabänderlich erkannt werden würden, einen heftigen Schlag gegen die Allmacht der gleichheitsideologischen Soziologen auslösen müssten. Dennoch ist meinereiner davon überzeugt, daß es richtig wäre, die über die Jahre nach und nach installierten, feministischen Gewißheiten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Ganze noch einmal einer gründlichen Revision zu unterziehen. Was hatte man/frau sich erhofft anno 1975 – und was ist daraus geworden? „Menschlichere“ Gesellschaft? Mehr Empathie? – Wo? Jedenfalls kann sich meinereiner des Eindrucks nicht erwehren, daß die oben genannten Damen und etliche andere hauptsächlich gerecht finden, daß sie ihre Positionen „erkämpft“ haben, und daß es dabei geblieben ist, will sagen, daß sich keine gefragt hat, was sie in diesen Positionen überhaupt soll, nachdem sie errungen worden waren. Sie haben die Positionen – und gut isses. Daß das Ganze jemals auch nur irgendetwas von einer Frau von der Leyen „in der Position“ gehabt hätte, kann man nun wirklich nicht behaupten.

Das wäre eine Debatte, die sich nicht an Geschlechtern ausrichten müsste, sondern an der feministischen Ideologie, genauer: am Gleichheitsfeminismus. Differenzfeminismus ist wieder eine ganz andere Geschichte. Feminismus ist nicht per se frauenfreundlich und Antifeminismus ist nicht dasselbe wie Frauenfeindlichkeit. Was jedenfalls feststeht, das ist, daß es diese merkwürdige zeitliche Korrelation zwischen der zunehmenden Zahl an öffentlichen Weibspersonen und Feministen jedweden Geschlechts einerseits – und dem kulturellen wie wirtschaftlichen Niedergang des Abendlandes andererseits gibt. Diese Korrelation steht wie ein Elefant im Raum. Es will aber kaum jemand darüber reden. Daß das keiner will, ist für sich genommen schon wieder ein Problem. Ich glaube nicht, daß es gesund fürs Ganze ist, sich immer auszusuchen, was Thema sein soll und was nicht.

Wozu noch eine Debatte?

Mich frustriert extrem, daß hierzulande ausgerechnet so viele überflüssige Debatten geführt werden. Gewisse Themen werden in Grund und Boden gequatscht, während darüber die Zeit vergeht. Zeit scheint im Überfluß vorhanden zu sein. Das sieht man schon an der Dauer, mit der bei der Einrichtung von Autobahnbaustellen gerechnet wird. Oder bei der Fertigstellung von Flughäfen und Bahnhöfen. Es scheint so eine unterschwellige, unhinterfragte Gewißheit zu herrschen, daß der Deutsche von heute das ewige Leben bereits auf Erden hat. Es gibt also Debatten. Sofern sie nicht unterbunden werden. Dummerweise sind es aber zuverlässig immer die meiner Ansicht nach notwendigen Debatten, die unterbunden werden. Daß die leidige Debatte über die angebliche Menschengemachtheit des Klimawandels unterbunden wird, weil diese Menschengemachtheit gefälligst festzustehen hat, sagt für sich genommen schon viel aus über den Stellenwert, den die „demokratische Debatte“ für sich genommen noch hat: Null. Der Stellenwert ist exakt Null. Nur einmal unterstellt, der globale Klimawandel habe hauptsächlich menschliche – und kaum anderweitige Ursachen, dann müsste doch zumindest noch eine Debatte über die Verhältnismäßigkeit deutscher „Klimaschutzmaßnahmen“ mit Blick auf die ganze Welt zu führen sein? Die ist aber auch nicht mehr zu führen. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit wird behandelt, als könnten sie nur Aussätzige überhaupt stellen.

Noch so eine Debatte, die nicht geführt wird: Ist der „War On Terror“ unseres amerikanischen „Verbündeten & Partners“ tatsächlich ein „War On Terror“ oder ist er doch eher ein „War Of Terror“? Wer terrorisiert den Globus wirklich? Das könnte man einmal beleuchten. Im transatlantischen Mediennetzwerk, dem fast alle deutschen „Qualitätsmedien“ angehören. Ha-ha-ha. Späßchen am Rande. Kann man natürlich nicht! Jedenfalls nicht so, daß es demokratische Relevanz bekäme, die dann zu praktischen Entscheidungen führen würde.

Zu groß um zu scheitern

Es ist wohl so: Es gibt herangezüchtete Gewißheiten, in deren Folge milliardenschwere Entscheidungen getroffen wurden, die schon deswegen falsch sind, weil die Gewißheiten nicht stimmen. Weil sie nie etwas anderes gewesen sind, als propagandistisch installierte, ideologische Postulate. Bloße Behauptungen. Nur einmal unterstellt, es würde sich herausstellen, daß die Energiewende eine Ausgeburt maximalen Ideologenschwachsinns ist, weil sie nichts von dem bewirkt, was sie angeblich bewirken sollte: Wer würde denn für die Milliarden von fehlgesetzten Milliarden die Verantwortung tragen wollen? Und wie? Könnte die überhaupt noch irgendwer tragen? – Wohl kaum. Folglich hat zu gelten, daß die Energiewende ein Segen ist. Ob das wahr ist oder nicht, ist eine Frage, die zu stellen sich schlicht und einfach kein Mensch mehr leisten kann, geschweige denn, daß einer der Verantwortlichen darüber noch eine Debatte zulassen könnte. So ist es bei vielem. Die Steuermilliarden, die in die Ukraine überwiesen wurden, können ein Fehler gewesen sein wie sie wollen. Es hat zu gelten: Es war keiner.

Von allen solchen Überlegungen geht natürlich der Berg von Problemen, die ich eingangs erwähnt hatte, nicht weg. Dennoch: Wenn hierzulande schon einer großkotzig das Wort von der „Zeitenwende“ in den Mund nimmt, dann sollte er sich auch überlegen, ob es nicht das ganze System in der Zeit ist, das gewendet werden muß. Ich denke: Theoretisch muß es, wenn es sein soll, als was es gelten will. Praktisch: Es müsste. Es wird sich nicht mehr reformieren oder ändern lassen. Weil dazu sowohl Kompetenz und Kapazität als auch der Wille fehlen. Emilia Fester hüpft derweilen singend und tanzend durch den Bundestag. Und der Kanzler spricht vor der Leerversammlung der Vereinten Nationen. Deutschland schafft sich ab? – Nein. Deutschland hat sich bereits abgeschafft.

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