Gestern konnte der sich als Libertärer und „Anarcho-Kapitalist“ ausgebende Javier Milei überraschend die Präsidentschaftswahl in Argentinien gewinnen – und das auch noch mit rund 12 Prozent Vorsprung. Dass der völlige Außenseiter, dessen Programm in radikalem Widerspruch zu denen des politischen Establishments in Argentinien und der meisten anderen Länder steht, einen derartigen Triumph feiern konnte, zeigt, wie sehr sich das von permanenten Wirtschaftskrisen und einer Inflation von 143 Prozent (!) gequälte Land nach einem völligen Neubeginn sehnt. Gerade bei jungen Menschen, die außer Krise und dem Scheitern der Politik in ihrem Leben noch nichts kennengelernt haben , gewann Milei riesigen Zuspruch. Sein extravagantes Auftreten, in denen er mit einer Kettensäge demonstrierte, welche Missstände er abschaffen will, seine Gegnerschaft gegen einen Staat, der sich immer mehr in das Leben seiner Bürger einmischt, seine Ankündigung, die argentinische Zentralbank “in die Luft sprengen” zu wollen und seine erbitterte Gegnerschaft gegen den links-woken Wahn in der westlichen Welt ließen es zunächst ausgeschlossen erscheinen, dass er auch nur in die Nähe eines Sieges bei den Präsidentschaftswahlen rücken könnte. Nun aber erleben die internationale Linke und ihre Medien weiteren den nächsten, vielleicht sogar größten Schock seit dem Wahlsieg von Donald Trump 2016.
Was er von den Ökosozialisten, Wokisten und den sich vor allem in Lateinamerika hartnäckig haltenden revolutionären Linken hält, hatte Milei unmissverständlich deutlich gemacht: „Man kann Scheißlinken keinen Millimeter abgeben, denn wenn man ihnen einen Millimeter abgibt, dann werden sie es auszunutzen, um dich zu zerstören. Man kann nicht mit linken Idioten verhandeln. Man verhandelt nicht mit Abfall, weil er dich vernichten will. (…) Sie verstecken alle ihre Schandtaten. Wenn du auf der anderen Seite stehst, dann werden sie versuchen, dich auszulöschen. Sie werden alles gegen dich verwenden, es ist ihnen egal, ob sie dein ganzes Leben ruinieren. Wieso? Weil du nicht wie sie denkst. (…) Sie nutzen den repressiven Staatsappart mit Unsummen an Steuergeld, um uns zu zerstören.“
Erster dezidiert “libertärer” Wahlsieger
Drastische Worte und eine fragwürdige Wortwahl? Das ja, zweifelsohne; eine zudem, die alle Klischees über die bösen Populisten zu bestätigen scheint. Doch wie recht Milei damit hatte, zeigen die Reaktionen auf seinen Wahlsieg – nicht nur, aber auch (und hier natürlich besonders ausgeprägt) in deutschen Medien, wo fast unisono vom „Rechtspopulisten“ die Rede ist (siehe etwa hier und hier). Milei ist zudem der erste Politiker überhaupt, der als erklärter Libertärer eine Wahl gewonnen hat. Seine ökonomischen Ideen entstammen der österreichischen Schule, die heute vor allem mit den Werken Friedrichs von Hayek verbunden wird. Er ist kein indes klassischer Konservativer, sondern vertritt einen radikal individualistischen Ansatz.
Für die Medien, zumal die deutschen, die erstens nur im links-rechts-Schema denken können und ohnehin jeden, der nicht ausdrücklich links ist, wahlweise als Rechtspopulisten oder gleich als Faschisten einstufen, wird es damit noch schwerer, ihn einzuschätzen. Deshalb beschränkt man sich lieber auf die abgedroschenen Etikettierungen, die man kennt. Ob Milei tatsächlich die von Millionen Argentiniern ersehnte Wende bringen kann, bleibt abzuwarten. Erstens hat er keine Mehrheit im Parlament und stellt auch keinen Provinzgouverneur, und zweitens ist er selbst Mitglied des berüchtigten Weltwirtschaftsforums in Davos. Es ist also zumindest nicht ausgeschlossen, dass er sich als globalistisches U-Boot erweisen wird. Das Beispiel Giorgia Meloni in Italien zeigt, dass ein Sieg von Rechten oder zumindest Nicht-Linken noch lange keine Abkehr von linker Politik bedeuten muss. (DM)