Der sinnlose Abnutzungskrieg in der Ukraine zeigt seine hässliche Fratze. Zehntausende Soldaten und Zivilisten sind gestorben oder verstümmelt. Mütter trauen um ihre Kinder, Kinder um ihre Eltern. Kiews verzweifelter Versuch, zumindest eine Art PR-Sieg zu erringen, ist völlig gescheitert. Selbst Nato-General Stoltenberg musste kürzlich zugeben, dass die Gebietsgewinne der Ukraine geringer waren als gedacht.
Immerhin will Boris Ludwig Pistorius und nicht nur er – Deutschland kriegstüchtig machen. Was soll uns das sagen? Dass Deutschland in 100 Jahren zum dritten Mal gegen Russland in den Krieg ziehen soll und zum dritten Mal verlieren wird? Gleich sechsmal findet sich der Begriff in den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien, die das Verteidigungsministerium gerade veröffentlicht hat. Doch was ist darunter zu verstehen? Die Antwort ist einfach: Deutsche töten und werden getötet.
Auch der frühere Außenminister Joschka Fischer bläßt in dieses Horn und erklärte, dass Europa angesichts des Ukraine-Konflikts aufrüsten und Abschreckungsfähigkeit wiederherstellen müsse und fordert Atomwaffen für Europa. Fischer behauptet, dass kein Weg daran vorbeiführe. Weiter heißt es: „Solange wir einen Nachbarn Russland haben, der der imperialen Ideologie Putins folgt, können wir nicht darauf verzichten, dieses Russland abzuschrecken. „Nur werden wir das nicht mit Schuldenbremse und ausgeglichenen Haushalten erreichen können.”
Friedensangebot aus dem März 2022 widerlegt diese These
Pistorius und Fischer reden von Kriegstüchtigkeit und Abschreckungsfähigkeit. Sie rühren damit an ein Tabu in der politischen und gesellschaftlichen Debatte Deutschlands. Nie wieder Krieg, mit dieser pazifistischen Grundhaltung sind große Teile der Gesellschaft und der heutigen Regierung politisiert worden. Das soll sich allerdings nun ändern. Natürlich mit einem Seitenblick auf Russland. Wladimir Putin bereite sein Land auf einen langen Konflikt mit dem Westen vor, heißt es aus Pistorius und Grünen Kreisen.
Das davon in dem Friedensangebot aus dem März 2022, welches durch Boris Johnson verhindert wurde nichts steht, bleibt ein Geheimnis. Im Gegensatz zu westlichen Darstellungen waren sich damals die Ukraine und Russland einig, dass die geplante NATO-Erweiterung der Grund des Krieges war. Sie konzentrierten daher ihre Friedensverhandlungen auf die Neutralität der Ukraine und deren Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft.
Im Gegenzug würde die Ukraine ihre territoriale Integrität mit Ausnahme der Kriminalität behalten. Das ist wichtig, denn es war tatsächlich so, dass der wichtigste Grund für die Eskalation die geplante NATO-Erweiterung war. Die Blockierung der damaligen Friedensverhandlungen hat allen geschadet: Russland und auch Europa – aber vor allem den Menschen in der Ukraine, die mit ihrem Blut für die Ambitionen der Großmächte zahlen.
Kriegstüchtig ohne Nationalgefühl?
Nun, da die USA die Ukraine finanziell eher fallengelassen hat, soll Europa den Kampf weiterführen? Eins hat Pistorius bei seiner Rede allerdings vergessen. Kriegstüchtig kann ein Land nur dann werden, wenn die führenden Politiker des Staates zur Nation stehen, sie müssen im Land ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür fördern. Das tun sie nicht, man bekommt eher den Eindruck – die Menschen in diesem Land sind ihnen gleichgültig. Gleichsam müssen die Menschen des Landes hinter den Politikern und ihren Zielen stehen um einen Krieg gewinnen zu können. Das lässt sich in Deutschland aber keineswegs erkennen und wird bei den Plänen von Pistorius völlig vergessen. Die Regierung wird in großen Teilen der Gesellschaft nicht akzeptiert. Die, die noch hinter dieser ihren Zielen stehen, leben nicht selten vom Staat. Wer sollte also für diese Politiker in den Krieg ziehen wollen?
Seymour Hersh mit neuem Artikel
Ob die Pläne, Deutschland kriegstüchtig zu machen, noch nötig sein werden oder ob verschiedene Friedensbemühungen erfolgreich sein werden, bleibt abzuwarten. Seymour Hersh zumindest hat einen neuen Artikel „Vom General zum General“ veröffentlicht, in dem er schreibt, dass der Generalstabschef der ukrainischen Streitkräfte, Valery Saluzhnyi, mit dem Generalstabschef der russischen Streitkräfte, Valery Gerasimov, heimlich Friedensgespräche führen. In seinem Artikel zitiert Hersh Quellen in der US-Regierung und Amerikaner, die mit der Situation der ukrainischen Regierung vertraut sind.
Wie Hersh berichtet, sei die Initiative für die Gespräche von den beiden Generälen ausgegangen. Politiker seien bislang nicht beteiligt, weder aus der Ukraine, noch aus Russland oder westlichen Staaten. Allerdings habe Kremlchef Wladimir Putin den bislang ausgehandelten Rahmenbedingungen grundsätzlich zugestimmt. Er wolle eine nicht militärische Lösung.
Hersh schreibt weiter, bei den Verhandlungen seien folgende Details ausgehandelt worden. Die Krim bleibe russisch, wie auch die eroberten Ostgebiete. Laut Hersh will Russland den NATO-Beitritt der Ukraine nicht verhindern, es soll nur keine NATO-Truppen auf ukrainischem Boden geben“. Man kann davon ausgehen, dass Hersh die Wahrheit schreibt, allerdings muss man sich an dieser Stelle fragen, ob seine Informanten nicht eher ihre persönlichen Wünsche äußern. Dass Russland, welches diesen Krieg gewonnen hat, nun zustimmen würde, dass die Ukraine der Nato beitritt, ist mehr als unwahrscheinlich, denn deshalb wurde dieser Krieg ja geführt.
Von Einstein lernen
Anstatt von Kriegstüchtigkeit zu erzählen, wäre es nicht sinnvoller uns zu erinnern? An die Entspannungspolitik, die keine dumme Idee war. An niedrige Energiepreise, an das Geschenk der Friedensordnung von 1989 und den damit verbundenen Auftrag Europas: Den Frieden mit Russland zu erhalten und nicht zum dritten Mal den identischen Fehler zu wiederholen. Denn wie sagte schon Einstein: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“