Christian Lindner als Linocchio; Bild: Collage
Exemplarisch: Christian Lindner als Linocchio; Bild: Collage

Deutschland: Nix zu melden

Abtrünnige FDP-Mitglieder wollen eine parteiinterne Umfrage durchführen, um herauszufinden, wie die Stimmung in der FDP ist. Fortsetzung dern Ampelkoalition oder aufkündigen? Parteichef Linder ist das egal. Er will die Ampelkoalition aufrechterhalten, ganz egal, was die FDP-Mitglieder darüber denken.

von Max Erdinger

“Lindner ohrfeigt und demütigt öffentlich alle FDP-Mitglieder”, titelt Boris Reitschuster. Meinereiner staunt. Sollte das tatsächlich noch möglich gewesen sein im Dezember 2023, daß man FDP-Mitglieder demütigen kann? – Naaaa, natürlich nicht. Aber man kann nicht nur FDP-Mitglieder nicht mehr demütigen, sondern überhaupt kein Mitglied einer Altpartei. Jemand, den man demütigen könnte, müsste ja erst einmal über die Würde verfügen, derentwegen man ihn demütigen könnte. Wer sich noch in den Altparteien aufhält, ist allein dadurch schon würdelos. SPD, Grüne, Linke, FDP, CDU, CSU – ganz egal. In der CDU gibt es ein paar wenige, die noch um ihre Würde ringen, Hans-Georg Maaßen zum Beispiel, aber sonst? Was soll denn an der CDU noch zu retten sein? Dieses ganze Altparteienkartell ist ein einziges Ärgernis, eine Beleidigung für jeden, der noch “Westwerte” vertritt. Die ehemaligen Volksparteien sind eine einzige politische Lähmung. Da bewegt sich nichts mehr.

Der Wähler ist ein einziges Ärgernis

Gestern Abend bin ich an einem Fernseher vorbeigelaufen, auf dem gerade der FDP-Lindner zu sehen gewesen ist. In der ARD. Ich habe das nur ganz kurz wahrgenommen. Aber schon das hat ausgereicht, damit ich ums Haar einen Schreianfall bekommen hätte. Ich kann diese Figuren nicht mehr sehen, ohne aggressiv zu werden. Was soll das noch? Warum sind auf den Bildschirmen dieser Republik ein ums andere Mal immer dieselben bekannten Visagen zu sehen, obwohl doch längst klar ist, daß man keinen Pfifferling mehr auf das zu geben braucht, was die den lieben langen Tag alles meinen & finden? Erstens entscheiden sie nichts mehr, sondern setzen nur noch um, was außerparlamentarisch von gänzlich Ungewählten auf supranationaler Ebene für gut befunden wurde, etwa beim WEF, der UN, in der EU, bei der WHO, in irgendwelchen “Think-Tanks” und NGOs – und zweitens ist völlig wurscht, was ein Lindner heute behauptet, weil man Gift darauf nehmen kann, daß er in zwei Wochen mit derselben seriositätssimulierenden Miene das exakte Gegenteil davon behaupten wird. Es geht mir nicht in den Kopf, wie sich auch nur noch eine Menschenseele dafür interessieren kann, was ein Lindner alles zu meinen & zu finden hat. Es ist inzwischen klar wie Kloßbrühe, daß es genau ein Thema gibt, für das sich Lindner interessiert. Das ist das Thema Lindner. Und das ist nicht nur bei ihm so. Man muß sich nur einmal überlegen, weswegen frühere Politiker zurückgetreten sind. FDP-Möllemann zum Beispiel. Der hatte lediglich ein Empfehlungsschreiben für einen Plastikchip verfasst, wie er in Einkaufswagen verwendet wird, um den Einkaufswagen von der Kette zu bekommen. Produziert wurde der Plastikchip von irgendeinem Verwandten. Geschrieben hatte Möllemann sein Empfehlungsschreiben auf einem Briefbogen des Bundeswirtschaftsministeriums. Das reichte für einen Rücktritt. Aber heute? Was sich diese überflüssigen Figuren alles erlauben, ohne auch nur an Rücktritt zu denken, ist nur noch skandalös.

Christian Lindner interessiert das parteiinterne Stimmungsbild nicht, weil er angeblich die Ampelkoaliton “mitprägen” will. So abgehoben muß man erst einmal sein. Die Ampelkoalition ist völlig unten durch beim Volk. Was will er denn da noch “prägen”? Diese ganze Blase mitsamt den Staatsmedien ist mit nichts anderem mehr beschäftigt, als Demokratiesimulation zu spielen und dem Bürger vorzugaukeln, daß er noch eine Rolle spiele, die er längst nicht mehr spielt. Julian Reichelt hat das anläßlich des COP 28 in Dubai trefflich auf den Punkt gebracht, als er anmerkte, es interessiere die vermeintlichen “Eliten” nicht mehr, ob ihnen der Bürger noch etwas glaubt oder nicht. Es geht nämlich auch ohne den Bürger. Und für sie selbst wahrscheinlich sogar besser als mit dem Bürger.

Ja hallo? Wenn der CDU-Chef Merz sich betrübt darüber äußert, daß der US-Senator Lindsey Graham ein Treffen abgesagt hat, auf das er sich schon gefreut hatte, dann frage ich mich, was Friedrich Merz an Graham findet. Das ist einer größten Zyniker im ganzen US-Kongress. Ein Menschenschlächter. Ein Kriegstreiber wie er im Buche steht. Von Geopolitik und dem Ist-Zustand der USA hat Graham keinen blassen Dunst. Wäre es anders, würde er nicht am einen Tag China und am nächsten Tag dem Iran mit Krieg drohen. Und er würde sich in Grund und Boden schämen dafür, daß er den Ukrainekrieg über den grünen Klee lobt, weil dort schließlich Ukrainer sterben und keine Amerikaner. Was soll man von einem deutschen “Oppositionsführer” namens Merz halten, der seinerseits große Stücke auf eine skandalöse Figur wie Graham zu halten scheint?

Die Grünen: Im Wahlkampf etwas versprechen- und nach der Wahl das exakte Gegenteil davon machen. Wer braucht einen solchen Scheiß noch? Und vor allem: Wer glaubt denn angesichts der extremen Verwahrlosung der demokratischen Sitten hierzulande noch, daß solchen Figuren ausgerechnet die Wahlen heilig wären? Jemand, der permanent trickst, täuscht und lügt, wird ausgerechnet bei Wahlen zum Ehrenmann? Wie das denn?

Was soll man überhaupt von deutschen Politikern halten, die einem Selenskyj das Geld des deutschen Steuerzahlers wie Staubzucker in seinen ukrainischen Allerwertestern bläst, auf “Westwerten” herumreiten, die sie selbst schon längst geschleift haben, um dann auch noch artig die Lauscher aufzustellen, wenn die Außendienstler des Militärisch-Industriellen-Komplexes sich als Politiksimulanten gerieren, obwohl ihnen klar sein muß, daß das Kriegswaffenvertreter sind? Blinken und Austin sind nichts anderes als genau das: Handelsvertreter in Sachen Rüstungsindustrie. Blinken gründete während der Amtszeit von Donald Trump – diesem vierjährigen “Betriebsunfall” des amerikanischen Establishments – die Firma “Westexec-Adsvisors”, deren Geschäftstätigkeit darin besteht, private Rüstungsfirmen dabei zu beraten, wie sie an Regierungsaufträge kommen – und Lloyd Austin, der US-Kriegsminister, saß vor seiner Amtsübernahme im Vorstand von “Raytheon”. Wenn er aus dem Amt aussteigt, wird er auch dorthin zurückkehren, um sich den Lohn abzuholen, den er sich als “Politiker” verdient hatte. Das ist doch alles nur noch Bullshit?

Wer glaubt denn noch, daß beispielsweise ein Roderich Kiesewetter “Volksvertretung” im Sinn hat? Die “Kiesewetters” gibt es in der deutschen Politik wie Sand am Meer. Wikipedia: “Als Außenpolitiker ist Kiesewetter regelmäßiger Teilnehmer bei internationalen Begegnungen wie der Münchner Sicherheitskonferenz, dem Congress Bundestag Forum, das vom German Marshall Fund und der Robert Bosch Stiftung getragen wird, der Königswinter-Konferenz der Deutsch-Britischen Gesellschaft, dem Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stiftung oder den „Globalen Atlantikern“ der Friedrich-Ebert-Stiftung (!). Außerdem gehört Kiesewetter zu den regelmäßigen Teilnehmern des seit 2013 von den Abgeordneten Jens Spahn und Omid Nouripour koordinierten Gesprächskreises von Bundestagsabgeordneten aus CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen, der sogenannten Pizza-Connection. Er ist Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes. Seit dem 24. März 2022 ist er stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Zudem ist er ordentliches Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss. Kiesewetter ist unter anderem Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, in der Atlantik-Brücke, im Lions-Club, im Sozialverband VdK Deutschland und in der Trilateralen Kommission. Er ist zudem Mitglied des Bundeswehr-Sozialwerks und der Clausewitz-Gesellschaft. Vom 11. November 2011 an war er Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr, in dem er bereits seit 2010 Stellvertreter des Präsidenten Gerd Höfer war. Er legte dieses Amt am 28. Juni 2016 nieder, nachdem er die ihm zuvor unbekannten hohen Kosten eines Empfanges des Reservistenverbandes kritisiert hatte. Kiesewetter war von Ende 2012 bis Oktober 2018 stellvertretender Vorsitzender des 6. und 7. Beirats der Bundesakademie für Sicherheitspolitik[23] und damit einer der beiden Stellvertreter des Parlamentarischen Staatssekretärs a. D. Walter Kolbow. Seit Oktober 2018 ist er einstimmig gewählter Vorsitzender des 8. Beirats der BAKS. Kiesewetter war bis zu deren Auflösung im November 2019 Unterstützer der „Union der Mitte“.

Volksvertretung?

Wer glaubt denn, daß einer wie Kiesewetter noch an “Volksvertretung” denkt, wenn er vor dem Reichstagsgebäude steht? – Ich nicht. Und wenn ich an die “Bund-Länder-Konferenzen” der Altkanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer während der “Coronakrise” denke, einem Entscheidungsgremium, das im Grundgesetz gar nicht vorgesehen ist, und mit dem am Parlament vorbei der “Maßnahmen”-Terror beschlossen wurde, dann frage ich mich ernsthaft, was das sein soll, dieses Immer-noch-Getue von den westlichen Werten, der Freiheit, der Demokratie und dem ganzen illusorischen Narkosekokolores. Was sagt das denn aus, wenn der Plenarsaal nur spärlichst besetzt ist während einer Bundestagsdebatte? Was sagt es denn aus, wenn die Wenigen, die überhaupt noch im Plenarsaal sitzen, die ganze Zeit auf ihren Smartphones herumdaddeln? Daß das Parlament “die Herzkammer” unserer ach-so schönen Demokratie ist? Was sagt es denn aus, wenn im Bundestag mitten in der Nacht über Gesetze abgestimmt wird, obwohl die erforderliche Zahl der Abgeordneten gar nicht anwesend ist? Was bedeutet das, daß Deutschland einen Wirtschaftsminister mit Kinderbuchhintergrund hat, einen Kanzler, der an Amnesie leidet und eine Außenministerin, für die man sich vor der ganzen Welt schämen muß? Daß wir, die Bürger, noch irgendetwas zu melden hätten? – Von wegen.

Das ist deswegen so, weil diese unaushaltbaren Volksvertretungssimulanten selbst nichts mehr zu melden haben. Die empfangen ihre Befehle längst nicht mehr vom Souverän, dessen Stellvertreter sie eigentlich zu sein hätten, sondern von Ungewählten, von deren Gunstbeweisen sie wiederum abhängig sind. Gegen Soros, gegen Gates, gegen Schwab wird hierzulande wahrscheinlich kein Poltiker mehr irgendetwas ab einer gewissen Hierarchieebene. Und einer wie Lindner weiß das vermutlich auch sehr genau. Und nicht nur der, sondern auch Boris Reitschuster weiß es genau. Deswegen ist Lindners Absicht, einen FDP-Mitgliederbefragung zu ignorieren, auch kein Wunder. Und weil es keines ist, muß man auch nicht so tun, als beweise ausgerechnet das die Verworfenheit eines FDP-Parteichefs. Dieses ganze System ist absolut marode. Da ist ein Lindner kein Skandal mehr, sondern nur noch eines von vielen Symptomen. International ist das “System Bundesrepublik” längst eine vernachlässigenswerte Größe. Deswegen gibt es auch innenpolitisch nichts mehr groß- oder kleinzureden. Der deutsche Bürger ist ein Spielball globaler Mächte geworden. In den Altparteien vertritt niemand mehr seine Interessen. Absolut niemand. Deswegen hängt mir diese wohlfeile Demokratie-Show bis zum Boden aus dem Hals heraus. Sollte es mit der AfD noch zu einer “Wende” kommen, dann prophezeie ich heute schon, daß die AfD von jenseits der deutschen Grenzen derartig Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen wird, daß man sich die daraus entstehenden Probleme heute noch gar nicht richtig ausmalen kann.

Ich kann aber nach dem bemerkenswerten, vierstündigen Frage-und-Antwort-Spiel anläßlich einer Pressekonferenz mit Wladimir Putin versichern, daß sich dessen Wahrnehmung der “wertewestlichen” Katastrophe nicht wesentlich von meiner unterscheidet. Putin weiß genau, wo im “Wertewesten” der Hase im Pfeffer liegt – und genau deswegen stellt er auch die russische Gesellschaft wieder auf die kulturellen Füße, die ihr unter den Bolschewisten systematisch abgehackt worden waren. Der “Wertewesten” nippelt an seinen je “eigenkonstruierten Realitäten” ab. Putin weiß das genau. Klüger geht’s nicht.

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