Bauernproteste - (Symbolfoto:Imago/Mang)

Bauerndemos: Drohungen gegen Grüne

Bei einer Bauerndemo im unterfränkischen Hammelburg soll ein Mitarbeiter der grünen Bundestagsabgeordneten Manuela Rottmann (51) bedroht worden sein. Das ist ganz furchtbar schlimm in einem Land, in dem jeder darauf pochen darf, daß niemand Anlaß zu haben hat, sauer auf ihn zu sein.

von Max Erdinger

Wie “Infranken.de” meldet, handelte sich um Drohungen eines Bauern gegen den Mitarbeiter der grünen Bundestagsabgeordneten in Hammelburg. Es waren furchtbare Drohungen. Dabei sollen sogar Sätze wie “Pass auf dich auf” und “Du wirst dich schon umschauen, wenn die Mehrheiten anders sind” zum bedrohlichen Einsatz gekommen sein. Wem da nicht das Blut in den Adern gefriert? “Infranken.de”: ” ‘Es war eine beängstigende, schlimme Situation, die Todesangst ausgelöst hat’, so die Bundestagsabgeordnete. Sie sieht Grenzen überschritten.”

Sie selbst war freilich gar nicht dabei, sondern weit, weit weg in Berlin. Aber genau das zeichnet Grüne aus: Die telepathische Authentizität ihrer Angstgefühle. Und ihre genaue Kenntnis der falschen Grenzen, die überschritten werden. Für difereinzierungsfähige Grüne gilt bekanntlich, daß nicht jede Grenzüberschreitung gleichermaßen als bedrohlich empfunden wird. Landesgrenzen sind zum Beispiel kein Problem. Die des guten Geschmacks auch nicht. Aber verbale “Grenzüberschreitungen” sind auch ohne begleitende Handgreiflichkeiten welche, die “Todesangst” auslösen. Dabei könnten sie sich völlig angstfrei umschauen und auf sich aufpassen, wenn die Mehrheiten anders wären. Gar kein Problem. Die Grüne Rottmann jedoch: Ihr Mitarbeiter habe direkt am Ort des Geschehens auch “keine Polizei gesehen”. “Die Polizei hat die Demo wohl eher begleitet, aber nicht eingegriffen.” – Wahnsinn, diese abwesende Polizei. Anwesende Bundeswehr wäre angezeigt gewesen! Ja hallo? Bei “Pass auf dich auf” und “Du wirst dich schon umschauen, wenn die Mehrheiten anders sind”? Spezialkampfeinheiten! Kampftaucher! U-Kampfboote! Kampfjets! Marschflug-Kampfkörper! Sollen Grüne etwa ständig für und gegen alles alleine kämpfen? Voll unsolidarisch, so etwas, im grünen “Kampf” gegen den minderbesteuerten Agrardiesel.

Ich Opfer, du nix!

Das Larifari-Vorkommnis in Hammelburg steht exemplarisch für eine Ungeisteshaltung, die sich in Deutschland Raum gegriffen hat. Keiner will mehr verantwortlich sein für die Reaktionen, die er selbst provoziert hat. Im Fall Hammelburg: Der empörte Bauer ist böse, nicht aber der Grüne, gegen den er sich empört. Alle sollen so tun, als gäbe es hochdemokratische und argumentative Wege, sich gegen die grünen Hinterfotzigkeiten zur Wehr zu setzen. Es hat aber keinen Sinn, zu argumentieren mit jemandem, der keine Argumente mehr gelten lässt, die seinem Willen widersprechen. Es ist eine Illusion, zu glauben, daß Grüne an Objektivitität interessiert wären. Die haben ein Weltbild. Das reicht ihnen völlig. Und weil ihnen das reicht, ist jeder, der beweisen kann, daß es arg beschränkt ist, der Feind – und das bekommt er auch zu spüren. Wenn er daraufhin aber rabenschwarze Gedanken entwickelt, dann wäre er “der Böse”, selbst wenn er sie gar nicht so ausformuliert, wie er es am liebsten täte. Das kann so infantil nicht weitergehen.

Das Schlimme ist nämlich, daß sich Selbstgerechtigkeit nicht nur bei den Grünen findet, sondern bald überall. Nicht nur die Grünen haben ein Weltbild, das sie nicht mehr zur Debatte stellen wollen. Wer Angst vor Hunden hat, sieht keinen Anlaß, an sich selbst zu arbeiten, sondern für den ist der Hundehalter der Feind: Die Leine für Ihren Hund ist zu lang! Ich musste mich ängstigen! Auch, wenn realiter zu keinem Zeitpunkt die Gefahr bestand, daß er mit dem Hund in Berührung kommen könnte: Die Leine ist zu lang! Der notorische Mittelspurblockierer auf der Autobahn: Er macht nichts falsch. Die Anderen sind bloß Hektiker und Raser. Die sind schuld, daß er unbeliebt ist. Und grundsätzlich im Recht ist, wer das Etikett “schwach, verzagt, vorsichtig & beschützenswert” für sich ergattern konnte. Das ist infantil. Es gibt richtig fiese, kleine Schwächlinge, die sich alles erlauben, weil sie mit dem “großen Bruder” drohen können. Die denken gar nicht daran, Verantwortung für ihr eigenes Handeln auch selber zu tragen. Müssten sie ihr eigenes Handeln selber verantworten, dann würden sie sich sehr schnell von ganz alleine eines sozialverträglichen Benehmens befleißigen.

Im Allgemeinen ist der “große Bruder” der Staat mit seinem Gewaltmonopol – und der wiederum hat kaum ein Interesse daran, dem Bürger seine Eigenverantwortlichkeit zu lassen. Jede “Bitte” um gerichtliche Klärung eines privaten Sachverhalts ist eine implizite Bestätigung für den Staat, daß seine Kompetenzanmaßung erwünscht ist. Je infantiler das Volk, desto anmaßender der Staat. Gerade in Deutschland gilt: David immer gut, Goliath immer böse. Die gutmütigste Mehrheit hierzulande hat sich die Nickeligkeiten bald jeder Minderheit bieten zu lassen, weil die ja angeblich so machtlos ist. Und der Staat läßt sich nur zu bereitwillig zum Büttel der jeweiligen Minderheiten machen, weil das seine eigene Position stärkt. So führt der Selbstgerechte letztlich seine eigene Unmündigkeit herbei – und dann, wenn der Staat wegfällt, führt er unter Umständen sogar alles von der Niederlage bis zu seiner eigenen Vernichtung selbst herbei. Der kleine und schwache Fiesling, der seinen großen Bruder nicht mehr zu Hilfe holen kann, ist nämlich der Rache aller derjenigen ausgeliefert, die er vorher noch piesacken konnte, während er ihnen dabei eine lange Nase drehte. Das ist nicht nur im Privaten und im Nationalen so, sondern auch international. Womit ich beim Thema Israel wäre. Weil die deutsche Behandlung dieses Themas zur deutschen Grundproblematik paßt wie die Faust aufs Auge.

Israel

Ganz klar: Hätte sich der Staat Israel nicht von Beginn an des Wohlwollens und der Unterstützung seiner “großen Brüder” aus Amerika und Europa sicher sein können, hätte er sich anderer Attitüden befleißigen müssen als derjenigen, derentwegen er im Nahen Osten als störender Fremdkörper begriffen wird. Und wehe, für Israel fiele der Schutz weg, dessentwegen sich der dortige Staat seit sieben Jahrzehnten aufführen konnte wie die Axt im Walde. Die Palästinenser haben jeden Grund der Welt, den Zionisten Pest & Cholera an den Hals zu wünschen. Schließlich haben die ihnen erst das Land geklaut und sich hernach auch noch benommen, als seien sie die Herrenmenschen und die Palästinenser ihre Untermenschen.

Dabei gibt es keinen Grund zu der Annahme, daß Juden und Muslime nicht miteinander auskommen könnten. Die Geschichte gibt eine solche Annahme nicht her. Die Judenfeindlichkeit ist seit jeher eine “Spezialität” des christlichen Abendlandes gewesen, keine morgenländische. Was hierzulande als “muslimischer Antisemitismus” bezeichnet wird, ist in Wahrheit muslimischer Antizionismus. Zionismus und Judentum sind zwei verschiedene Dinge. Zwar sind wohl die meisten Zionisten Juden, aber beileibe nicht alle Juden sind Zionisten. Zwar sind wohl die meisten Terroristen Muslime, aber nicht alle Muslime sind Terroristen. Und nicht alles, was der Moslem tut, tut er deswegen, weil er Moslem ist. Man stelle sich vor: Es gibt Muslime, denen ganz einfach Unrecht getan wurde. Die haben ganz ohne Verweis auf ihre Religion so viel Grund, sauer zu sein, wie jeder andere, dem ein Unrecht angetan wurde. Der Gipfel der chauvinistischen Scheinheiligkeit ist erreicht, wenn ein “Zivilisierter” sich mit der Begründung, die Palästinenser seien ohnehin nichts weiter als “Tiere” und “Amaleks”, selbst einen Freibrief ausstellt, um noch viel schlimmer abzuhausen als das “Tier”. Der nimmt sich das “Tier” zum Maßstab seines eigenen Handelns. Wenn du jedoch den Anderen gern als “Tier” herabwürdigen willst, dann solltest du dich tunlichst nicht selbst wie eines benehmen. Das heißt: Wenn die Israelis heute mehr denn je auf den Schutz des “großen Bruders” angewiesen sind, dann wegen des Schutzes genau desselben Bruders, der es ihnen jahrzehntelang erlaubt hatte, sich ihrer Eigenverantwortlichkeit zu entledigen und dadurch ihre chauvinistischen Attitüden heraushängen zu lassen. Ein wahrer Teufelskreis.

Dennoch bedienen sich sogar gänzlich Ungrüne hierzulande der denkfaulen Ausrede, daß die Palästinenser nur bekämen, was sie verdienten, weil sie schließlich blutsaufende und sadistische Gotteskrieger durch die Bank seien, die an ihrer eigenen Vernichtung selber schuld sind. Weil sie eben Moslems sind. Die meisten jedenfalls. Und weil sich auch die Ungrünen selbst gern für zivilisiert halten wollen, thematisieren sie dann noch nicht einmal die ansonsten wertewestlich-euphemistisch so bezeichneten “Kollateralschäden”. Die gibt es im Gazastreifen allerweil reichlich. Christen, UN-Mitarbeiter, Ärzte ohne Grenzen und so weiter.

Großisrael (Eretz Israel)

Meine Behauptung, daß es bei der ethnischen Säuberung des Gazastreifens – und “merkwürdigerweise” auch der im Westjordanland – nicht ausschließlich um Schutz vor palästinensischem Terror geht, sowie, daß der nicht unprovoziert zur Gefahr wurde, weil hinter der Drangsalierung und der Vertreibung der Palästinenser der zionistische Wunsch stehe, ein Großisrael zu verwirklichen, dem die international anerkannten Staatsgrenzen Israels im Wege sind, wurde mir von einem Kollegen als böswillige Unterstellung angekreidet. Antisemidingsbums wahrscheinlich. Dabei ist es einfach so, daß sich der Kollege nicht auskennt, wie schon die Biographie des ehemaligen israelischen Ministerpräsienten Ehud Olmert vermuten läßt. Die Partei, die Großisrael immer im Sinn hatte und hat, ist Netanyahus Likud-Partei. Die allerdings haben Scharon und Olmert u.a. genau deswegen verlassen und Olmert ist der von Ariel Scharon neugegründeten “Kadima”-Partei beigetreten. Im Januar 2006 wurde Olmert deren Vorsitzender. Wikipedia: “Er rückte wie Scharon von der Ideologie eines Großisraels ab und trat dafür ein, dass der israelische Staat seine Grenzen einseitig endgültig festlege.” – Von wegen, die Absicht einer Schaffung von Großisrael sei in Netanyahus Likud-Partei nicht populär. Die ist heute so populär wie eh und je. Außerdem würde der “große Bruder”, der unseren Großisraelfreund Netanyahu (noch) bei dessen Kriegsverbrechen deckt, gerne eine Alternative zum Suezkanal verwirklicht sehen und einen neuen Kanal bauen, der von Eilat am nördlichen Ende des Golfs von Akaba, zugleich südlichster Punkt Israels, durch die Negevwüste pfeilgerade bis in den Gazastreifen reichen soll, wo er dann ins Mittelmeer mündet. Da stört der Palästinenser im Gazastreifen ganz gewaltig.

Nicht wahrhaben wollen, was einfach wahr ist, sich seine eigene Realität konstruieren, rechthaben um jeden Preis, auf dem Fundament stehen, von dem aus sich alle Anderen kritisieren lassen, ohne daß man sich selbst jemals in Frage stellen müsste: Das ist genau das Rezept für den Niedergang des wertelos gewordenen “Wertewestens”, der allerweil zu beobachten ist. Das ist eine Geisteskrankheit aller von der einen Realität “Befreiten”. Und sie tritt beileibe nicht nur bei den Grünen auf. Bei denen nur besonders augenfällig. Interessant ist das aber, wie man von einer Bauerndemo im unterfränkischen Hammelburg bis nach Eilat an den Golf von Akaba kommt, gell?

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