Seit Wochen sorgt der selbsternannte „Anzeigenhauptmeister“ Niclas Matthei für Schlagzeilen, eine verhaltensauffällige 18-jährige Extrempersönlichkeit, die es sich zum Lebensinhalt gemacht hat, in ihrer Heimat Sachsen-Anhalt und auch weit darüber hinaus (dem Deutschlandticket der Bahn sei Dank!) Falschparker und andere Regelbrecher zu jagen. Mehr als 4.000 Anzeigen hat der Hobby-Volksverpetzer bereits gestellt; die meisten blieben zwar ohne konkrete Wirkung, generierten aber viel bürokratischen Aufwand für die Behörden. Matthei äußerte sich bereits lobend über das totale Überwachungssystem in China und meinte: „So was wie die Stasi sollte es schon geben. Nicht in dem Ausmaß. Es gab psychologische Zerstörung. Solche Methoden sollte es nicht geben. Aber die reine Überwachung, das finde ich in Ordnung.“
Nach eigenen Angaben will dieser Freak alleine im vergangenen Jahr 89 Städten und Gemeinden über 140.000 Euro durch seine Anzeigen eingebracht haben. Durch einen Bericht von „Spiegel-TV“ erlangte Matthei bundesweite Bekanntheit (in einem augenscheinlich authentischen Interview erklärte Matthei übrigens, einen Exklusivvertrag mit „Spiegel-TV“ bis Jahresende zu haben; dort will man ihm also auch weiterhin eine Plattform geben, da sein Kampf sich ja schließlich gegen das in linken Kreisen so verhasste Auto richtet – was für Matthei offenbar auch finanziell lukrativ sein dürfte). Allerdings wurde er wegen seines denunziatorischen Eifers und seiner bizarren Aussagen von der Witz- schnell zur Hassfigur. Anfang März wurde er dann, wenig überraschend, zum Opfer eines gewaltsamen Angriffs in einem Zug. Doch auch wenn an der Basis eine gesunde Verachtung für denunziatorische Niedertracht gepflegt wird, so gilt Deutschland nicht umsonst als das Land der Meldemuschis und “wehrhaften” Untertanen (heute: “Musterdemokraten“), die dem in ihrem Genom schlummernden Drang zum Denunzieren während der Corona-Jahre gerade wieder lustvoll nachzugeben gelernt haben. Und so ist es wenig verwunderlich, dass ein Kretin in gelber Warnweste, der den Schnüffelstaat der DDR verherrlicht und auf seinem Facebook-Profil sogar Erich Honecker abgebildet hat, nicht etwa Rufe nach gesellschaftlicher Ächtung, sondern Nachahmer auf den Plan ruft.
Staatliche Melde-“Angebote” überall
Die Stadtverwaltung Neumünster (Schleswig-Holstein) fühlt sich von Mattheis Treiben sogar so inspiriert, dass sie ihn nachgerade zum Vorbild ausrief. Unter der Überschrift „Falschparker*innen an uns melden“ hieß es in einem städtischen Post auf Facebook und Instagram: „Steckt nicht in allen von uns ein kleiner Anzeigenhauptmeister?“ Darunter folgte der Aufruf: „Wenn ihr einen Verstoß bemerkt, könnt ihr den Sachverhalt in einem Formular auf unserer Webseite schildern und an bussgeldstelle@neumuenster.de senden, am besten mit Fotos.“ Matthei selbst griff die Anregung begeistert auf und kündigte an, sogleich nach Schleswig-Holstein zu kommen, um seine Tätigkeit auch dort auszuüben. Bei den Bürgern von Neumünster hingegen löste die Denunziationsforderung Entsetzen und Zorn aus. Genauso ungeheuerlich wie der Vorschlag selbst war daraufhin die Reaktion der Stadtverwaltung: Sie gab sich ernsthaft überrascht über die Wut der Bürger und erklärte arglos, es bestünde doch schließlich “schon seit zehn Jahren” das “Angebot” eines solchen Meldeportals.
Tatsächlich sehen Politik und Behörden im heutigen, zunehmend autoritären Deutschland die Aufforderung an die Bürger, sich gegenseitig zu bespitzeln und anzuzeigen, vielerorts wieder als völlig legitim an und reflektieren in keiner Weise, was es daran zu beanstanden geben soll. Dieser Ungeist passt wie die Faust aufs Auge zu einem gesellschaftlichen Klima des Misstrauens in einem Land, in dem staatlich geförderte Denunziantenportale gegen Antifeminismus oder gegen andere linke Feindbilder wie Pilze aus dem Boden schießen.
Prototyp des Täterdeutschen
Der neue Trend zum munteren Anschwärzen im Namen des moralisch Gebotenen oder der notstandsmäßigen “Rettung” von Demokratie und Ordnung treibt stetig absurdere Blüten. Derzeit dominiert der erschütternde Vorfall aus Mecklenburg-Vorpommern die Schlagzeilen der freien Medien und praktisch die gesamte Netzöffentlichkeit, bei dem eine 16-Jährige Ende Februar mitten im Schulunterricht von drei Polizisten abgeführt wurde und eine „Gefährderansprache“ über sich ergehen lassen musste, weil sie auf Instagram ein Schlumpfvideo und darunter Kommentar “Die Schlümpfe und Deutschland haben was gemeinsam. Die Schlümpfe sind blau. Und Deutschland auch“ gepostet und noch dazu Deutschland als ihre Heimat bezeichnet hatte. Es war der dortige Schulleiter Jan-Dirk Zimmermann, ein wahrer Prototyp des Täterdeutschen, der systemübergreifend meint, in vorauseilendem Gehorsam seine Pflicht tun zu müssen und unverzüglich die Polizei verständigt hatte – die auch nichts Besseres zu tun hatte, als sofort anzurücken.
Während sich dieser Schulleiter mental als würdiger Nachgänger Jakob Schmids erwies, jenes berüchtigten Pedells der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, der am 18. Februar 1943 die Geschwister Scholl im Lichthof der Uni stellte und der Obrigkeit übergab, versuchen linke Zwangsgebührenmedien – wie etwa der “Norddeutsche Rundfunk” – in unerträglicher propagandistischer Umdeutung, den Vorgang nun ins Gegenteil zu verkehren und die öffentliche Empörung über die staatliche Einschüchterung einer 16-Jährigen wegen eines TikTok-Videos zu einer – na was wohl – “rechten” Kampagne umzulügen: Nach ihrer Lesart ist der Schulleiter nicht Täter, sondern Opfer – denn er habe ja nur seine “zivilgesellschaftliche” Bürgerpflicht getan und wird dafür nun angefeindet. In widerwärtiger Blockwart-Mentalität keine Skrupel zu kennen, ein 16-jähriges Kind wegen einer Nichtigkeit einer derartigen Tortur auszusetzen, wird hier also zum veritablen Akt der Courage umgedeutet. So weit ist es schon gekommen; hier fehlt nur noch die staatliche Belobigung samt Belohnung für politische Denunziation. Wir erkennen: Die ewige deutsche Sucht nach dem Anschwärzen der eigenen Mitmenschen feiert im „besten Deutschland aller Zeiten“ wieder fröhliche Urständ.