Inzwischen ist anscheinend keine noch so absurde – inhaltlich noch vor wenigen Jahren völlig abwegige – Regierungskoalition mehr tabu, wenn es nur noch um das einzige Ziel geht, die AfD irgendwie zu verhindern und von der Regierungs(mit)verantwortung fernzuhalten; Koalitionsverträge werden vor diesem Hintergrund künftig völlig bedeutungslos, es genügt stattdessen ein einziger Satz: „Wir paktieren, um die einzige Realopposition von der Macht fernzuhalten und unsere eigenen Pfründe zu sichern! Auf niemanden trifft diese machtopportunistische (man könnte auch macchiavellistische) Ansatz besser zu als auf den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Deutschlands dienstältester Chef einer Minderheitsregierung, selbst ohne demokratische Mehrheit in der Bevölkerung, ist es ja bestens gewohnt, durch die Steigbügelhalter anderer Parteien zu regieren – und entblödet sich dabei nicht einmal, sich als Musterdemokrat auszugeben, was nicht nur insofern grotesk ist, als er selbst der einstigen Mauerschützenpartei angehört, sondern, wie gesagt, nicht einmal das mehrheitliche Vertrauen seiner eigenen Bürger genießt.
Ausgerechnet dieser Taktierer und Zyniker bringt nun allen Ernstes eine Koalition seiner Linken gemeinsam mit CDU und BSW nach den am 1. September anstehenden Landtagswahlen ins Gespräch. Um die in Umfragen deutlich führende AfD unter Führung Björn Höckes um jeden Preis zu verhindern, wirft er damit die letzten Prinzipien – sofern überhaupt noch vorhanden – über Bord. Inhaltlich-positionell könnte das von ihm skizzierte Bündnis zwar Rot-Rot-Grün in Berlin entsprechen (die CDU unterscheiden sich von den Grünen in den wesentlichen Themen ja praktisch nicht mehr, und wirtschaftspolitisch passt zwischen die in Selbstauflösung begriffenen Linken und die Salonkommunistin Sahra Wagenknecht sowieso kein Blatt); trotzdem würde damit gegenüber dem Wähler die Botschaft ausgesendet, dass es hier wirklich nur noch um Machterhalt geht.
„Wir lösen die Probleme“
Linken-Fraktionschef im Erfurter Landtag Schirdewahn schloss Ramelows Vorstoß erwartungsgemäß „nicht aus“. Dabei kommt dieser nicht zufällig zu einem Zeitpunkt, da die Umfragewerte der Thüringer Landes-AfD wieder einmal durch die Decke gehen. In der „Welt“ gibt Ramelow sich unbeeindruckt: „Ich sehe da eher, dass nach der Wahl einiges vorstellbar ist. Rein rechnerisch auch eine Regierungsmehrheit aus CDU, Linken und dem Bündnis Sahra Wagenknecht.“ Auf ein bestimmtes Modell wolle er sich nicht festlegen: „Ich will aber die 70 Prozent jenseits der AfD politisch in die Pflicht nehmen. Wir sind die Mehrheit. Der Ehrgeiz muss sein, dass es eine handlungsfähige Regierung nach dem 1. September gibt, mit einer eigenen Parlamentsmehrheit, die der AFD entgegentritt und den Bürgern zeigt: Wir lösen die Probleme”, zitiert ihn „dts Nachrichtenagentur“.
Angesprochen auf den Unvereinbarkeitsbeschluss der Union gegenüber der Linken, antwortet Ramelow, dies sei ihm bekannt. Allerdings weiß auch er genau, dass diese wohlfeile Abgrenzung in der Union längst weitaus weniger ernstgenommen wird als die hysterische Merz’sche Brandmauer gegen die AfD. Dies ist genau das Stichwort für Ramelow: „Meine Partei schließt eine Zusammenarbeit nur mit der AfD aus. Die Thüringer Union sollte das endlich mal klären. Es geht um Stabilität für unser Land“, sagte Ramelow. Vor dieser Verantwortung dürfe sich niemand drücken. Um jeden Preis also versucht, dieser falsche Landesvater den Willen von mittlerweile über einem Drittel prophylaktisch schon jetzt von politischer Teilhabe abzuschneiden. In diesem Kontext ist auch seine bodenlose Weigerung zu sehen, zu einem – eigentlich üblichen – TV-Duell mit dem stärksten oppositionellen Herausforderer Björn Höcke anzutreten. Deutschland, deine Superdemokraten! (TPL)