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Ist die Sehnsucht nach „Kommunismus light“ wirklich so groß?

Es ist das Wesen einer funktionierenden Volksherrschaft, dass sie ständig schwingungsfähig bleibt. Und so ist es auch keine Überraschung, dass sich Zustimmungswerte für Parteien immer wieder relativieren und konsolidieren. Insbesondere, wenn auf dem politischen Tableau neue Mitbewerber auftreten, verschieben sich die Verhältnisse als ein Zeichen der Vitalität unserer höchst sensitiven Grundordnung.

Von Dennis Riehle

Zwar sind die nun erhobenen demoskopischen Daten für Sachsen-Anhalt kein wirklicher Einbruch für die AfD, wenn sie um vier Prozentpunkte im Vergleich zu vor sechs Monaten verliert. Dennoch ist die Wählerwanderung in Richtung des “Bündnis Sahra Wagenknecht” auch deshalb von Interesse und Merkwürdigkeit, weil es doch die ehemalige Spitzenpolitikerin der geistigen SED-Nachfolgerin selbst ist, die sich zwar auf Pressekonferenzen, bei Fernsehauftritten und in ihren Einlassungen stets als eine Verfechterin der Vernunft gibt. In der Programmatik findet sich bei genauerem Hinsehen allerdings kein klar identifizierbarer roter Faden, welcher eine eindeutige Zuordnung ermöglichen würde. Sie selbst betont deshalb auch immer wieder, dass sie sich mit ihrer Kraft als lagerübergreifende Allianz versteht – und im teilweise überholten Schema aus Rechts und Links mit ihren Standpunkten nur bedingt einklassifiziert werden kann. Trotzdem machen ihre Positionen doch einigermaßen unverhohlen deutlich, wo ihre weltanschaulichen Wurzeln liegen – und wie sie sozialisiert wurde.

Da ist es beispielsweise die Forderung nach einer Demokratisierung von großen Betrieben, die dem ersten Anschein nach überaus hehr klingen mag. Sie entpuppt sich jedoch als Ambition einer zentralgelenkten Ökonomie hierzulande, die Privatisierungen rückgängig machen und eine Enteignung dort legitimieren soll, wo eine Einflussnahme durch den Staat auf die Herstellung und Produktauswahl für den Kommunisten sinnvoll und notwendig erscheint. Im Gegensatz zur Alternative für Deutschland, die vor allem die ideelle Gemeinschaft der Gruppe in den Vordergrund rücken möchte, sind es bei Wagenknecht unübersehbare Visionen einer wirtschaftlichen Kollektivierung. Damit einher gingen im Zweifel auch erhebliche Beschränkungen der Entfaltungsmöglichkeit des Individuums. Doch gerade diese Philosophie ließe sich wiederum nicht mit der gleichermaßen ausgegebenen Zielsetzung einer Stärkung von liberalen Werten wie der Meinungsfreiheit oder der Unverletzlichkeit von Eigentum vereinbaren. Insofern fehlt eine Konsistenz, Plausibilität und Widerspruchslosigkeit im Konzept des BSW, welche unter anderem auch dadurch sichtbar wird, dass seine Funktionäre ein Sammelsurium unterschiedlicher Persönlichkeiten mit höchst divergenten Lebensbiografien darstellen – denen zwar sicherlich die geistige Analogie zur Ablösung der Ampel-Regierung innewohnen mag. Darüber hinaus Verbindendes lässt sich aber nur schwer ausmachen.

Zwar gibt man sich den Anstrich einer mittigen, wertkonservativen und zeitgeistkritischen Vertretung all der Bürger in Ostdeutschland, denen die Migration bis zum Halse steht und die sich vom Ökologismus der Grünen gegängelt fühlen. Immanent bleibt jedoch auch das Bestreben zur Überwindung kapitalistischer Strukturen und eine Beschneidung des freien Spiels von Angebot und Nachfrage. Und gerade dieser Aspekt muss jene verwundern, die eigentlich fest davon ausgingen, dass die DDR nachhaltige Spuren in den Köpfen und der Seele der einst zu Marionetten von Honecker herabgewürdigten Einwohner des Despotismus hinterlassen hat. Immerhin ist es nicht nur der Sozialismus in der zweiten Diktatur des 20. Jahrhunderts in unseren Breiten, der eindeutig und unmissverständlich bewiesen hat, dass er nicht funktionieren kann. In nahezu allen auf dem Reißbrett entworfenen Plangesellschaften auf diesem Globus erwies sich der Staat als schlechtester aller denkbaren Finanzwirte. Dass man sich dennoch wieder nach Zuständen sehnt, in denen er an die Stelle von Unternehmern rückt, mutet zumindest für den Außenstehenden eigentümlich an. Wer sich also von der Brandmarkung der AfD beeindrucken lässt – und wegen unnötiger Gewissensbisse nach einer weniger radikalen Ausweichmöglichkeit sucht, kommt aus dem subjektiv empfundenen Regen in die objektive Traufe. Aus einer suggerierten Kontaktscham heraus nicht mehr das Original zu wählen, sondern ein lediglich blau verziertes Dunkelrot zu präferieren, zeugt von fehlender Courage, die heutzutage ohnehin von der Tugend zur Unsitte degradiert wird.

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