Der gläserne Patient (Symbolbild:Imago/imagebroker)

EU-Verordnung zum “Europäischen Gesundheitsdatenraum”: Die Krankengeschichte ist keine Privatsache mehr

Am Mittwoch hat das EU-Parlament einen weiteren Schritt zur Abschaffung der Privatsphäre hin zum gläsernen Bürger gemacht. Mit 445 Ja- und 142 Nein-Stimmen wurde die Verordnung über den Europäischen Gesundheitsdatenraum verabschiedet. Offiziell wird dies als Meilenstein für die digitale Gesundheitsversorgung in Europa und die Erleichterung des Zugangs zu grenzüberschreitenden medizinischen Daten verkauft. Wie der Europaabgeordnete Patrick Breyer von der Piratenpartei mitteilte, bedeutet dieser Beschluss, „dass Informationen über jede medizinische Behandlung einschließlich Impfstatus, Medikamente und Schwangerschaften, Labor- und Entlassberichte digital gespeichert und europaweit abrufbar gemacht werden – auch zu den in Deutschland bisher nicht von der elektronischen Patientenakte erfassten Privatpatienten“.

Das von der Ampel-Regierung zugesicherte Widerspruchsrecht gegen Datenzugriffe aus dem Ausland ist nicht vorgesehen. Die Piraten, so spinnert sie zuweilen auftreten, sind in puncto Datenschutz eine stehende Größe und hatten somit – ehrenhafterweise – im EU-Parlament dagegen gestimmt. Breyer warnte vor einem Kontrollverlust der Patienten über sensibelste Gesundheitsdaten und einer Aufgabe des Arztgeheimnisses. Zwar würden die Piraten die Idee eines EU-Gesundheitsdatenraums unterstützen, „aber nicht um den Preis der Aufgabe des Selbstbestimmungsrechts der Patienten und des Arztgeheimnisses zugunsten von Gesundheitsdatenabgriffen durch Regierungen, Big Pharma und Big Tech“.

EU-Verordnung widerspricht klar Patientenwillen

Wenn man sich nicht mehr darauf verlassen könne, dass Informationen, etwa über Suchtkrankheiten, psychische Störungen, Schwangerschaftsabbrüche, Geschlechtskrankheiten und Reproduktionsstörungen, sicher seien, verzichte man vielleicht auf Behandlungen mit schlimmen Gesundheitsfolgen bis hin zu Suiziden, gab Breyer zu bedenken. Von einem EU-Gesundheitsdatenraum könnten grenzüberschreitende Behandlungen und Forschung profitieren, diese Vorteile hätte man jedoch auch „auf der Grundlage einer Einwilligung der Patienten und mit vollständiger Datenanonymisierung haben können“. Zudem widerspreche die EU-Verordnung dem aus vielen Umfragen bekannten Willen der Patienten.

Sie verrate „im Profitinteresse der Industrie die Interessen und den Willen der Patienten, um mit ihren identifizierbaren Daten Produkte entwickeln und KI-Algorithmen trainieren zu können“. Auch Anja Hirschel, medizinische Informatikerin und Spitzenkandidatin der Piratenpartei für die Europawahl 2024, wies darauf hin, dass eine zentrale Datenspeicherung „Begehrlichkeiten in verschiedenste Richtungen“ wecke. Dabei gehe es nicht nur um Hackerangriffe, sondern auch um „Sekundärnutzung“ zu Forschungszwecken, bei der die Daten an Dritte weitergegeben würden.

Eingriff ins privateste Leben

Wieder einmal wurde hier, von der Öffentlichkeit unbemerkt und von den Medien kaum gewürdigt, ein weiterer katastrophaler Eingriff in das privateste Leben der Menschen beschlossen. Intimste Einzelheiten stehen europaweit jedem zur Verfügung. Dies ist an sich bereits schlimm genug, die Gefahr von Datendiebstahl kommt jedoch noch hinzu. Niemand kann mehr wissen, wer alles über seine Krankheiten und sein gesundheitliches Befinden Bescheid weiß und womöglich damit erpresst wird.

Es vollziehen sich immer mehr Dammbrüche, von der geplanten Bargeldabschaffung über die faktische Abschaffung der Meinungsfreiheit durch den unseligen „Digital Services Act“ bis zu zahlreichen weiteren Schikanen, gehört der freie, selbstbestimmte Mensch und sein Recht auf Anonymität mehr und mehr der Vergangenheit an und weicht dem totalüberwachten und permanent drangsalierten Untertan – und das alles geschieht schrittweise und auf eine Weise, dass die Masse der Menschen es erst bemerkt, wenn es längst zu spät ist. (TPL)

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