Vom Bundestag ins Landratsamt

d3296d1d30db49c5a185caec84864680

Als gemäßigt geltender AfD –Bundestagsabgeordneter will Götz Frömming Landrat werden. Ein Interview:

Sie haben gerade in der Nachwahl Ihr Bundestagsmandat verteidigt, sind seit 2017 Abgeordneter des Deutschen Bundestages, bekleiden dort wichtige Ämter, halten vielbeachtete Reden und bearbeiten spannende Themen. Und nun wollen Sie Landrat werden? Warum denn das?

Bürgermeister und Landräte sind die höchsten direkt gewählten Amtsträger, die unmittelbar vor Ort wirksame Politik machen können. Die politische Wende in Deutschland muss auf allen Ebenen – Kommune, Land, Bund – erfolgen. Aufgrund der Gründungsgeschichte unserer Partei waren wir zunächst im Bund und in den Ländern erfolgreicher als in den Kommunen. Spätestens nach dem 9. Juni werden wir aber auch kommunal stark und flächendeckend verankert sein. In der Kommune werden wir sachorientiert, pragmatisch und bürgernah unsere Kompetenz unter Beweis stellen, auch wenn viele Dinge nur durchsetzbar sind, wenn Kommune, Land und Bund an einem Strang ziehen. In der Kommune aber müssen wir das Fundament legen. Der Landrat hat viele Möglichkeiten. Die will ich nutzen und das wird eine sehr befriedigende Aufgabe sein.

Solange es aber keine AfD-geführte Landes- oder Bundesregierung gibt, wie kann da der Landrat erfolgreich andere Akzente setzen?

Die dringendsten Probleme Deutschlands, die ungesteuerte Migration, die ansteigende Gewaltkriminalität, die gefährdete Energieversorgung und die Deindustrialisierung, die Sicherheit der Rente oder die wachsende Kriegsgefahr, sind natürlich nicht aus der Kommune heraus zu lösen. Man kann aber dem Druck aus Bund und Land z.B. bei der Zuteilung von Migranten Widerstand entgegensetzen. Man muss nicht im vorauseilenden Gehorsam Vollzug melden oder die Quoten übererfüllen. Man kann stattdessen Sachleistungen statt Geldzahlungen einführen, man kann die gesetzliche Pflicht zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit nach dem Asylbewerberleistungsgesetz anwenden, statt so zu tun, als gäbe es diese Bestimmungen nicht. Man kann Abschiebungen durch den Landkreis initiieren. Man kann also die sog. „pull“-Faktoren reduzieren. Der Landrat hat auch in der Öffentlichkeit eine Stimme, die wahrgenommen wird. Er kann warnen, er kann protestieren, er kann auch mal abwarten, ob er durch das Land zu Handlungen gezwungen wird. Er kann auch die vielen vom Land und vom Bund gesetzten Anreize – finanzielle Förderung bestimmter politisch gewollter Projekte – kritisch auf die langfristigen Wirkungen hin prüfen und ggf. ungenutzt lassen. Vorbedingung für all das ist, dass sich hier der Landrat und der Kreistag einig sind. Eine starke AfD-Fraktion nach dem 9.Juni wäre da hilfreich.

Ein „politisch gewolltes Projekt“ ist die Energiewende, der Ausbau der Windkraft und die Errichtung von Photovoltaik-Feldern. Wie stehen Sie dazu?

In der Vergangenheit haben sich alle Fraktionen des Kreistages für die Erhaltung der schönen Landschaft des Havellandes und für die Förderung des Tourismus eingesetzt. Auch die Landwirtschaft ist weiterhin ein großer Faktor der havelländischen Wirtschaft und soll es auch bleiben. Hohe Windräder, Photovoltaikfelder, „Landschaft“, die allein der Energieerzeugung dient, ist für den Tourismus verloren und lädt nicht zum Wohnen ein. Wir wollen stattdessen mehr natürliche Landschaft bzw. eine naturnahe Kulturlandschaft. Höhere Windkraftanlagen und weitere Photovoltaikfelder lehne ich ab, bestehende Betriebserlaubnisse sollen nach Ende der Nutzungszeit auslaufen. Es ist verständlich, wenn Landwirte ihre Flächen mit PV-Anlagen versehen wollen, da dies durch die politischen Eingriffe derzeit noch gewinnbringend ist. Das ist aber auf Dauer keineswegs garantiert und für die Daseinsvorsorge für uns alle, muss es das Bestreben sein, dass der Landwirt wieder durch Erfüllung seiner Kernaufgabe gut leben kann. Und das soll die Produktion von Lebensmitteln bleiben.

Ein zunehmendes Problem ist die Ärzteversorgung und auch die Havelland-Kliniken stehen unter Druck. Was würden Sie als Landrat zur Sicherung der ärztlichen Versorgung unternehmen?

Die Havelland-Kliniken mit den Standorten Nauen und Rathenow sind ein eigenes Unternehmen des Landkreises. Sie haben eine insgesamt gute Entwicklung genommen, die nicht gefährdet werden darf. Bundesweit sind die Kliniken unterfinanziert, der Ärztemangel ist offensichtlich, unter anderem deshalb, weil viel zu wenig Studienplätze angeboten werden. Alles Versäumnisse auf Bundes- und Landesebene. Unter diesen Bedingungen ist eine ungesunde Konkurrenz zwischen den Kliniken entstanden, aus der wir kurzfristig nicht rauskommen. Es bleibt nur der Ausgleich des zu erwartenden Defizites der Havelland-Kliniken aus dem Kreishaushalt. Dazu bin ich bereit. Auch die Ansiedlung von (Fach-) Ärzten im ländlichen, nicht berlinnahen, Raum kann vielfach nur noch gelingen, wenn Anreize geschaffen werden. Ein Mittel kann die deutliche Erhöhung des bisher schon ausgereichten Zuschusses für Praxisneugründungen sein. Natürlich ist das Problem komplexer: Sind die Orte ohne Einkaufsmöglichkeiten, liegen die Kitas und Schulen zu weit entfernt, gibt es kein Vereinsleben, wird es schwer, einen jungen Arzt zur Übernahme einer Praxis zu bewegen.

Das sind objektive Probleme, die sich über die Jahre schleichend entwickelt haben, wie kann man den ländlichen Raum wieder beleben, attraktiver machen?

Ein Schlüssel dazu ist die Förderung der Ansiedlung junger Familien im ländlichen Raum. Dazu muss zwingend das Bauen einfacher werden. Grundstücke müssen leichter zu Bauland gemacht werden können. Wenn ich bedenke, wie schnell der Bund für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften Sonderrechte geschaffen hat, wie plötzlich in Falkensee auf „Ackerland“ eine Containersiedlung für 400 Migranten geschaffen worden ist, dann erscheinen mir viele Bauvorschriften nur noch als Schikane. Ohne Bauland gibt es auch keine Hoffnung auf eine Entwicklung des Gewerbes im ländlichen Raum. Und ohne Gewerbe haben ländliche Gemeinden nur eine geringe Finanzkraft, um die notwendigen öffentlichen Einrichtungen zu errichten und zu erhalten. Auch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist essentiell. In den ÖPNV wird derzeit zwar viel Geld reingepumpt, aber nicht in die Entlohnung der Busfahrer, an denen großer Mangel herrscht, so dass an eine Streckenausweitung und Taktverdichtung nicht zu denken ist. Stattdessen wird in den Kauf von Elektrobussen investiert. Diese sind aber etwa doppelt so teuer wie Dieselbusse! Dazu kommt die Neuerrichtung der Ladestruktur. Viel Geld, aber kein Mensch wird dadurch mehr befördert.

Jetzt haben wir einige der großen Themen, die Entwicklungschancen und -risiken betrachtet, die großen finanziellen Herausforderungen. Was ist Ihnen darüber hinaus ein Anliegen?

Das Havelland ist ein Land mit herrlicher Natur und langer kultureller Geschichte. Verstreut in den Weiten finden sich Bodendenkmäler, alte Herrenhäuser, hält sich altes Brauchtum. Mit dem Schloss Ribbeck verfügen wir über einen Ort von überregionaler Bedeutung. Dies alles will ich erhalten, pflegen, sichtbar machen, erklären, bewerben und auch touristisch nutzen. Diese Orte sollen auch in Zukunft mit dem Havelland in Verbindung gebracht werden und nicht vernutzte, tote Energielandschaften wie die „Nauener Platte“.