Griff in die Trickkiste? Karlsruher Richter (Foto: Screenshot/Youtube)

“Versehentliche” Vorabveröffentlichung des Karlsruher Wahlrechts-Urteils: Wer’s glaubt…

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Wegen einer angebliche Panne hat “das Bundesverfassungsgericht” (BVerfG) bekanntlich sein Urteil zur Wahlrechtsreform der Ampel-Regierung, das eigentlich erst heute um 10 Uhr verkündet werden sollte, bereits gestern Abend auf seiner Webseite veröffentlicht. Gegen 23 Uhr wurde das 72-seitige Dokument dann wieder gelöscht. Es war also gerade Zeit genug, dass es sich über soziale Medien verbreiten konnte. Im Großen und Ganzen bleibt die Wahlrechtsreform (Jouwatch berichtete bereits) in Kraft, jedoch wurde die Streichung der sogenannten „Grundmandatsklausel“ als „mit dem Grundgesetz unvereinbar“ gewertet. Damit konnten Parteien in den Bundestag einziehen, die an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind, aber mindestens drei Direktmandate erlangen konnten. Die Linke verdankte dieser Klausel vor drei Jahren ihren Einzug in den Bundestag. Dies wird nun auch bei der kommenden Bundestagswahl möglich bleiben, bis eine neue gesetzliche Regelung gefunden wurde.

Damit entsprach das Gericht der Klage der bayerischen Staatsregierung und zahlreicher Bundestagsmitglieder, die kritisiert hatten, dass durch die Neuregelung die Grundsätze der Wahlgleichheit und Chancengleichheit der Parteien verletzt würden. Würde etwa die CSU in Bayern nur 31 Prozent der Stimmen bekommen, würde sie bundesweit unter die Fünf-Prozent-Hürde rutschen, was nach der Ampel-Reform ihr Aus im Bundestag bedeutet hätte.

Vermeintlicher Fauxpas

Der CDU wären die Stimmen der bayerischen Schwesterpartei dann komplett weggebrochen. Das Urteil selbst ist keine Überraschung, weil die Ansicht des Gerichts sich schon bei der mündlichen Verhandlung im April abgezeichnet hatte. Bemerkenswert ist nur das Brimborium um die Verkündung. Denn an der Geschichte vom vermeintlichen Fauxpas des Gerichts, die nun überall verbreitet wird, darf man getrost Zweifel haben. Seit vielen Jahren war es gang und gäbe, dass Urteile schon vorab an ausgewählte Journalisten durchgestochen wurden.

Eine Klage des Rechtsanwalts Ulrich Vosgerau hatte dem letztes Jahr eigentlich ein Ende bereitet. Nicht nur er vermutet nun, dass die angeblich “versehentliche”, gerade lange genug online abrufbare Vorabveröffentlichung des Urteils am gestrigen Abend nun eine Umgehung dieses Urteils und damit die neueste Variante der altbewahrten Praxis darstellt, handverlesene Hofjournalisten auf eine Entscheidung exklusiv vorab hinzuweisen und die medialen Favoriten des Gerichts auch weiterhin bevorzugt behandelt zu wissen. (TPL)

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