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Französische Ernüchterung und Warnung

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Die Ideologen jubeln, das Kapital ist besorgt, die Rechte frustriert und zornig, die parlamentarische Intrige aber wittert Morgenluft. Das ist zusammengefasst die Situation in Frankreich nach der Stichwahl. Es wird in der künftigen Nationalversammlung drei fast gleichgroße Blöcke geben, von denen keine auch nur annähernd die absolute Mehrheit hat. Diese wurde von der hoffnungsvollen Rechten um die Partei von Marine Le Pen trotz starker Zugewinne weit verfehlt. Stattdessen hat die Wahl dem linken Block die relative Mehrheit der Sitze beschert.

Von Wolfgang Hübner

Das ist ein überraschendes Ergebnis und doch auch keines. Denn die Träumereien der Rechten von der politischen Machtübernahme im Nachbarland haben einen deutlichen Dämpfer erhalten. Er zeigt: Das französische Volk ist (noch?) nicht bereit für einen politischen Wechsel dieser Art. Le Pen und ihrer Partei mangelt es offensichtlich an Unterstützung der Masse derjenigen, die mit der Entwicklung ihres Landes zwar hadern, aber das Risiko des Vertrauens in eine rechte Regierung scheuen.

Dass allerdings die Neue Volksfront aus Linkspartei, Kommunisten, Sozialisten und Grünen nun der stärkste Block ist, freut zwar Ideologen, aber ganz sicher nicht das Kapital und dessen Statthalter im Präsidentenamt Emmanuel Macron. Denn auch wenn dieser Linksblock uneinig und zerbrechlich ist, wird er gesellschafts- und wirtschaftspolitisch seinen nicht geringen Preis fordern. Im Gegensatz zu den Rechten, die an der Macht nur sehr vorsichtig mit dem Kapital umgehen würden, werden die Linken ihren unverhofften Erfolg dazu nutzen, den hochverschuldeten Staat einem Härtetest sozialer Forderungen auszusetzen.

Da eine handlungsfähige Regierung nur mit zumindest Teilen des Linksblocks gebildet werden kann, wird sich die sogenannte politische Mitte wohl oder übel darauf einlassen müssen. Schon allein aus Angst vor der Linkspartei und deren radikalen Vorsitzenden Mélenchon. Der wird sich von den erstarkten Sozialisten und Grünen nicht ohne massiven Widerstand ausgrenzen lassen. Auf jeden Fall sind in Paris wilden parlamentarischen Intrigen und Postengeschacher ab sofort Tür und Tor geöffnet.

Das gilt nicht für die Rechte. Sie hat nun zwar mit Le Pens RN die größte Einzelpartei in der Nationalversammlung, aber keine Partner. Damit steht sie prinzipiell auch nicht besser da als die AfD in Deutschland. Beide Parteien sollten erkennen, dass die absolute Konzentration aufs Parlament und politisches Machtstreben nicht ausreicht, um den Blöcken aus Linken und Mitte den Vorrang streitig zu machen. Im Kampf um die Macht im Staat muss auch die geistige und kulturelle Hegemonie gewonnen werden.

Die Geringschätzung dieser anspruchsvollen Herausforderung wird nicht belohnt, sondern bestraft. Das ist eine Botschaft dieser französischen Wahl, die auch in Deutschland verstanden werden sollte. Ferner sollte die AfD begreifen, wie wenig es bringt, Kanzlerkandidaten ins Spiel zu bringen oder die Ämter von Ministerpräsidenten in Bundesländern für sich zu reklamieren. Die übersteigerten Ambitionen des jungen Le Pen-Zöglings Jordan Bardella auf den Posten des Ministerpräsidenten waren jedenfalls kein Erfolg, sondern eher kontraproduktiv. Bekanntlich lässt sich aus Niederlagen oft mehr lernen als aus Siegen. Hoffentlich.

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