Symbolfoto: Yurii Borysov/Shutterstock

Streit eskaliert: Wer hat die Deutsche Bahn aufs Abstellgleis gefahren?

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In dem einst wunderbar funktionierenden Land funktioniert so gut wie gar nichts mehr. Und daran ist nicht nur die Ampel schuld, die mit Vollkaracho Richtung Eisberg schifft, sondern auch die CDU, die unter Angela Merkel den Luxusdampfer “Deutschland” erst in eine Titanic verwandelt hatte.

Nun streiten sie sich alle wegen der Deutschen Bahn, die zum Sinnbild eines kaputt gemachten Landes geworden ist – und natürlich sind immer die anderen Schuld, dass hier auch nichts mehr funktioniert:

In der Debatte um die Leistung der Deutschen Bahn während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland hat ein Bahn-Gewerkschafter die Kritik von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vehement zurückgewiesen.

“Was Verkehrsminister Wissing zur Rolle der DB Fernverkehr während der EM gesagt hat, kann ich aus der betrieblichen Praxis nicht bestätigen. Ich kann nicht erkennen, dass die während der EM zusätzlich durchgeführten Fahrten im Fernverkehr einen relevanten Einfluss auf die Auslastung des Netzes gehabt hätten”, sagte Manfred Scholze, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Fernverkehrssparte der Deutschen Bahn, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagsausgaben).

Wissing hatte am Wochenende erklärt, die Bahn habe sich seiner Auffassung nach mit der Ankündigung, während der EM täglich 10.000 zusätzliche Sitzplätze zur Verfügung zu stellen, “übernommen”. Was den Fans teilweise widerfahren sei, “entspricht nicht dem Anspruch Deutschlands und nicht dem Anspruch, den ich an unsere Verkehrsinfrastruktur habe.”

Scholze, Mitglied der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), sieht das anders. “Wir reden hier über 14 Züge am Tag, also ein Prozent aller Fernverkehrsfahrten und viel weniger in Bezug auf alle Züge auf dem Schienennetz. Es geht zum größten Teil über Fahrten am Tagesrand, also zum Beispiel spätabends, um die Fans nach den 21 Uhr-Spielen noch nach Hause zu bringen”, erklärte er. Zu dieser Uhrzeit sei das Netz ohnehin nicht so voll wie tagsüber. Darüber hinaus hätten die Zusatzfahrten auch dazu beigetragen, Spitzen in der Auslastung anderer Züge zu vermeiden.

Nicht der Fernverkehr sei schuld am Imageverlust Deutschlands, sondern die marode Infrastruktur, so Scholze weiter. Dagegen helfe eine auskömmliche und planungssichere Finanzierung, um die Fehleranfälligkeit des Netzes abzubauen. “Statt den Schwarzen Peter zur DB Fernverkehr zu schieben, sollte der Verkehrsminister sich beim Finanzminister für eine zukunftsfeste Schiene starkmachen”, forderte der Gewerkschafter.

Die EM-Bilanz der Deutschen Bahn schlägt seit Tagen hohe Wellen. Neben Wissing hatte sich aus der CDU-Abgeordnete Thomas Bareiß geäußert – und den Rücktritt von Bahnchef Richard Lutz ins Spiel gebracht. Die Bahn brauche einen Sanierer als Vorstandsvorsitzenden. “Herr Lutz kann diese Rolle ganz offensichtlich nicht ausfüllen. Wenn er es nicht schafft, die Bahn wieder auf Vordermann zu bringen, dann muss er gehen”, sagte Bareiß gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Laut Bareiß geben die Bahn “ein schauriges Bild ab – und das nicht nur während der EM”.

Während des knapp einmonatigen Fußballturniers in Deutschland war die Bahn immer wieder Ziel von Kritik. Zunächst hatten sich britische Fans über die Deutsche Bahn ausgelassen. Nach mehreren Unterbrechungen der Fahrt in einem Sonderzug auf dem Weg zum Spiel gegen die Niederlande im Berliner Olympiastadion hatten österreichische Fans Schmähgesänge angestimmt. “Die Deutsche Bahn ist so im Oasch”, sangen sie.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat derweil die harsche Kritik aus der Union am Zustand der Bahn und an der Arbeit von Bahnchef Richard Lutz zurückgewiesen. Wissing verwies darauf, dass die Regierung unter Angela Merkel (CDU) mit den damaligen Verkehrsministern Alexander Dobrindt (CSU) und Christian Schmidt (CDU) keine geeigneten Konzepte für die Bahn vorgelegt hätte. Auch Merkels damaliger Kanzleramtsminister Ronald Pofalla habe in seiner späteren Funktion als Bahnmanager die Infrastrukturprobleme nicht lösen können.

Daher solle die Union bei ihrer Bahn-Kritik lieber “kleinere Brötchen backen”, empfahl Wissing. Dem Nachrichtensender “Welt” sagte er am Montag: “Vor allen Dingen hat die CDU gezeigt, dass sie, als sie die Verantwortung hatte, gemeinsam mit der CSU für die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland, dass ihre Konzepte nicht geeignet waren. Herr Pofalla war ja Infrastrukturvorstand und hat mit seinem Sanierungskonzept keinen Erfolg gehabt. Jetzt haben wir ein marodes Schienennetz, das uns die Union hinterlassen hat. Und deswegen sollte sie vielleicht etwas kleinere Brötchen backen, wenn es um Kritik geht und die diejenigen unterstützen, die wie wir jetzt das Ganze aufarbeiten, die Scherben zusammenkehren und dafür sorgen, dass die Eisenbahn in Deutschland wieder ein modernes, leistungsfähiges Schienennetz bekommt.”

Die SPD hat die Forderung von Unions-Fraktionschef Friedrich Merz, das Angebot bei der Bahn zu verringern, um die Zuverlässigkeit zu verbessern, zugleich vehement zurückgewiesen. Der Verkehrsexperte der Sozialdemokraten, Detlef Müller, sagte der Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagsausgaben), Millionen von Menschen seien täglich auf den Zugverkehr angewiesen, um ihrem Lebensunterhalt nachzugehen.

“Hier massive Einsparungen zu fordern, geht an jeder Lebenswirklichkeit vorbei und ist wohl nur aus der Vogelperspektive eines Privatflugzeuges denkbar”, kritisiert Müller. “Dass Friedrich Merz fordert, Angebote auf der Schiene zu reduzieren, zeigt nur, dass er weder Ahnung hat, welche Anforderungen der Schienenverkehr hat, noch kann er sich anscheinend in die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen in diesem Land hineinversetzen”, so der SPD-Fraktionsvize weiter.

Merz hatte im ARD-Sommerinterview erklärt, die Deutsche Bahn sei überlastet. Gleichzeitig forderte er eine Reduzierung des Angebots. Nur so könne die Zuverlässigkeit wiederhergestellt werden. Müller erwiderte hingegen, die Union sei eingeladen, sich daran zu beteiligen, das System Schiene zu stärken und die Kapazitäten des Schienennetzes auszubauen. “Hier liefert die Koalition, etwa indem sie zusätzliche Mittel für die heute startenden Streckensanierungen bereitstellt”, sagte Müller.

Der verkehrspolitische Sprecher der Union, Thomas Bareiß, nahm anders als sein Fraktionschef das Wort “reduzieren” mit Blick auf Kapazitäten der Bahn nicht in den Mund. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er: “Neuste Studien machen deutlich, dass mit der Umsetzung der `Digitalen Schiene Deutschland` (DSD) 15 Prozent und mehr Kapazitätserweiterung möglich wären. Leider sieht man derzeit davon relativ wenig. Während der Verkehrsminister oft von Digitalisierung spricht, scheint die Bahn auf der Bremse zu stehen.”

Bareiß forderte, damit endlich voranzukommen. “Nur so ist die dringend notwendige Kapazitätserweiterung und die damit verbundene Verbesserung des Angebots wieder möglich”, sagte er weiter.

Aber wir kennen ja die Debatten aus anderen Bereichen. Es wird so lange diskutiert, bis wieder einmal nichts passiert. (Mit Material von dts)

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