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Nach dem Ausschluss von Politiker Matthias Helferich: Quo vadis AfD?

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Als ehemaliges Parteimitglied im linken Spektrum weiß ich, dass in solchen Institutionen nicht selten ein rauer Wind weht. Schließlich ist es einigermaßen nachvollziehbar, dass an einem Ort größtmögliche Konkurrenz herrscht, an dem sich Personen um Macht und Einfluss in der Gesellschaft bewerben. Da möchte jeder gerne an die Spitze drängen, um eigene Positionen, Vorstellungen und Ideen entsprechend zu platzieren – und diese bei Bedarf auch in Form von politischer Verantwortung zu realisieren.

Von Dennis Riehle

Ich kann mich gut an ein Hauen und Stechen erinnern, wenn es beispielsweise darum ging, in bestimmten Gremien oder dem Vorstand vertreten sein zu wollen. Da verfährt man nicht zimperlich miteinander – und setzt in der Regel die persönlichen Interessen an die erste Stelle. Obwohl doch eigentlich das Credo gilt, sich zunächst dem Land, danach der Organisation und ganz am Ende dem individuellen Wunsch nach Verwirklichung zu widmen. Doch es menschelt nun einmal überall. Und davon ist selbstverständlich auch die AfD nicht ausgenommen. Immer wieder wurden von den Medien Skandale und Affären aus dem Hut gezaubert – oder Belanglosigkeiten derart aufgebauscht, dass sie von der inhaltlichen Debatte ablenkten. Ob es nun um das zweifelsohne umstrittene Interview zu einem falschen Zeitpunkt von Maximilian Krah ging, der an sich keine verwerfliche Behauptung aufgestellt hatte, dass man die Schuld der Mitglieder der SS einzeln bewerten müsse. Dennoch war der Augenblick dieser Debatte einigermaßen ungünstig gewählt. Oder es sind die Vorwürfe gegen Petr Bystron, von denen man bis heute nicht mehr viel mitbekommt – weil sie möglicherweise weitgehend überbewertet wurden.

Gegen integre Bundestagsabgeordnete wie den Vorsitzenden der Jungen Alternative, Hannes Gnauck, wurden entsprechende Anschuldigungen konstruiert. Ermittlungen verliefen dann allerdings im Sande. Ganz anders schien es nun bei seinem Kollegen Matthias Helferich, der vielen Parteifreunden auch deshalb ein Dorn im Auge ist, weil er sich einer großen Unterstützung durch das Vorfeld sicher sein kann. So überzeugt er mit seinen markanten, tiefsinnigen und wortgewandten Reden im Parlament nicht nur die Jugend. Auch intern kann er eine Strömung hinter sich versammeln, die unter anderem in Richtung des regelmäßig denunzierten und gesinnungsstaatlich verurteilten Björn Höcke Verbindungen besitzt. Die fundierte Basis des rhetorisch sehr gewandte Fraktionslose bietet eine entsprechende Angriffsfläche. Und so war es nur eine Frage der Zeit, dass gegen ihn zu Maßnahmen der Disziplinierung, Zensur und Ausgrenzung verhängt werden. Zumal im Landesverband Nordrhein-Westfalen diejenigen die Oberhand zu haben scheinen, die sich als Kontinuum zur wirtschaftsliberalen und mildkonservativen Philosophie der früheren Akteure wie Jörg Meuthen verstehen. Hier prallen also tatsächlich Welten aufeinander. Schließlich kann man den 35-jährigen Mandatsträger durchaus zum patriotischen, identitären und nationalen Flügel zählen – der die mittlerweile stark gewandelte Orientierung der Alternative für Deutschland verkörpert. War sie anfangs nur eine auf die Euro-Kritik fokussierte Kraft, sind es heute vor allem Themen wie die illegale Einwanderung, die innere Sicherheit und der gesellschaftliche und sittliche Verfall, welche sie wohl in der dominierenden Mehrheit prägen.

Und so geht es unter anderem auch um ein Ringen der Deutungshoheit der Partei, wenn sich nun auch beim entsprechenden Schiedsgericht der Frontmann der Gemäßigten, Martin Vincentz, mit seiner Sicht der Dinge und einer auf den ersten Blick auffällig konstruiert wirkenden Begründung durchgesetzt hat – und eine Bestätigung des Ausschlusses seines Widersachers erwirkte. Wer den Konflikt etwas näher betrachtet und verfolgt hat, der konnte durchaus auf die Idee eines Intrigantenstadls kommen. Denn da stehen sich zwei ideologisch diametral unterschiedliche Charaktere gegenüber, welche wechselseitige Antipathien hegen – und denen es nicht an Selbstbewusstsein mangelt. Dass es nun gerade diejenigen sind, die über ihn gerichtet haben, welche tendenzielles Wohlwollen zum Dunstkreis seines Gegners in sich tragen, macht diese eigentlich für die Öffentlichkeit nur von geringem Belang daherkommende Angelegenheit einigermaßen brisant. Denn angesichts der Konstellation war es eigentlich absehbar, dass Helferich mit seinem Begehren gegen den Verlust seiner Mitgliedschaft einigermaßen aussichtslos unterwegs war. Letztlich prüften die selbstverwaltenden Strukturen vor allem, inwieweit sich der in der Vergangenheit nach medialen Darstellungen als “freundliches Gesicht der NS” bezeichnete Dortmunder auch für einen Post in den Sozialen Medien zur Räson rufen lässt, der angeblich den als satirischem Anhänger für den Autospiegel gedachten Ausspruch “Raus mit die Viecher” mit einem wohlwollenden Like und der Begrifflichkeit der Remigration versehen haben soll – und somit damit eine Herabwürdigung von Menschen mit ausländischen Wurzeln betrieben hat. Auf den Gedanken, dass es sich bei der Veröffentlichung möglicherweise um eine Fälschung handelt, dürften die in dieser Sache nicht gänzlich unvoreingenommenen Schiedsrichter nicht gekommen zu sein. Zumindest fehlt es nach vorliegenden Informationen an einer entsprechenden Überprüfung der Originalität.

Desweiteren wurde ihm angelastet, in entsprechenden Chatgruppen Kollegen formal beleidigt und unwahre Tatsachen verbreitet zu haben. Auch hier lässt sich Richtigkeit dieser Anschuldigung für den außenstehenden Betrachter abschließend nicht klären. Auch soll es seinerseits zur Aufstachelung, Manipulation und Bedrohung von Rivalen gekommen sein. Dass ihm gleichzeitig angelastet wird, eine konsequente und strukturierte Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern und Personen ohne Aufenthaltsberechtigung in der Bundesrepublik durch die seit den 1980 er-Jahren in deutschen Behörden gängige und oben erwähnte Vokabel zu fordern, macht die Dimension dieser Auseinandersetzung und ihre Wertigkeit für die gesamte AfD deutlich. Denn es geht wohl tatsächlich noch immer um eine überaus zentrale Diskussion, inwieweit sich die Alternative tatsächlich für eine ernstgemeinte Trendumkehr der Flüchtlingsströme auf unserem Kontinent starkmachen will. Man kann vom scharfzüngigen und provokativen Wortschatz des immer wieder als rechtsextrem gebrandmarkten Politikers halten, was man möchte. Letztlich sollten sich auch die zuständigen Ausschüsse – die nun das schärfste Schwert angewandt haben, welche eine Partei für die Maßregelung, Sanktionierung und Etikettierung bereithält – über die Tragweite ihres Entschlusses bewusst sein. Denn inwieweit ihre Argumentationskette konsistent, plausibel und nachvollziehbar ist, scheint im Zweifel ebenso fragwürdig wie die juristische Belastbarkeit des Dekrets gegen einen beliebten Funktionär. In der Folgenabwägung muss darüber hinaus bedacht werden, dass sich die Spaltung und Polarisierung der unterschiedlichen Denkrichtungen innerhalb der Blauen deutlich verschärfen wird. Und das tut gerade in Wahlkampfzeiten niemandem gut, der ohnehin schon unter Dauerbeschuss des etablierten Konsortiums ist.

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