Foto: Joe Biden (Archiv) (via dts Nachrichtenagentur)

Nach Bidens Rückzug: Jetzt soll Harris Trump verhindern

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Man hat es geahnt, ja sogar gewusst. Nach der blamablen Aufführung von “Tatter-Biden” während der “TV-Schlacht” gegen seinen Kontrahenten Donald Trump geht der Greis jetzt in den wohl verdienten Ruhestand und tritt als Präsidentschaftskandidat der Demokraten zurück. “Ich glaube, es ist im besten Interesse meiner Partei und des Landes zurückzutreten und mich allein auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident für den Rest meiner Amtszeit zu fokussieren”, teilte er am Sonntag auf X/Twitter mit.

Weiter äußerte Biden seine “tiefste Dankbarkeit” für alle, die bislang an seiner Wiederwahlkampagne gearbeitet hätten. Außerdem würdigte er seine Vizepräsidentin Kamala Harris als “außergewöhnliche Partnerin”. Harris wurde in den vergangenen Wochen als mögliche Ersatzkandidatin bei der Wahl im November gehandelt. Wer nun für die Demokraten ins Rennen geht, war aber zunächst unklar. Spätestens bis zum Parteitag Mitte August dürfte es darüber eine Entscheidung geben.

In den vergangenen Wochen war der Druck auf Biden aus den eigenen Reihen gewachsen. Besonders sein Auftritt beim TV-Duell gegen Donald Trump hatte die Zweifel an seinen Erfolgsaussichten angeheizt.

Biden weiter: “Heute möchte ich meine volle Unterstützung und Befürwortung für Kamala als Kandidatin unserer Partei in diesem Jahr anbieten. Meine allererste Entscheidung als Kandidat der Partei im Jahr 2020 war es, Kamala Harris als meine Vizepräsidentin zu wählen. Und das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe”, fügte er hinzu.

Allerdings will Biden seine laufende Präsidentschaft zu Ende führen und überlässt Harris nicht die Amtsgeschäfte für die letzten Monate.

Kamala Harris hat derweil angekündigt, sich um die Kandidatur zu bemühen. “Meine Absicht ist, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen”, teilte sie am Sonntag mit.

Sie fühle sich davon geehrt, dass Biden seine Unterstützung für sie ausgesprochen hat, so Harris weiter. Sie werde alles in ihrer Macht tun, um die Demokratische Partei zu vereinigen – “und unsere Nation zu einen, um Donald Trump und seine extreme Project-2025-Agenda zu besiegen”, kündigte sie an. Biden nannte sie einen “außergewöhnlichen Anführer”.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hob unterdessen die Verdienste des scheidenden Präsidenten hervor. “Mein Freund Joe Biden hat viel erreicht: für sein Land, für Europa, die Welt”, so Scholz. Dank ihm sei die transatlantische Zusammenarbeit eng, die Nato stark, die USA ein “guter und verlässlicher Partner für uns”. Sein Entschluss, nicht noch einmal zu kandidieren, verdiene Anerkennung, so der Kanzler.

Und sollte ihm ein gutes Beispiel sein.

Ob Harris überhaupt nominiert wird, ist noch völlig unklar. Harris ist nicht gerade beliebt und es werden mittlerweile Michelle Obama und Hilary Clinton als Kandidatinnen gehandelt. Aber drücken wir die Daumen, dass die Demokraten sich auf Harris festlegen, denn etwas besseres könnte Trump nicht passieren.

Ginge es nach den deutschen Politikern (aber Gott sei dank geht es nicht nach ihnen), muss Trump “mit allen Mitteln” verhindert werden:

CSU-Generalsekretär Martin Huber zum Beispiel blickt besorgt auf Entwicklung und die polarisierte Lage in den USA. Ein Großteil der Republikaner habe sich in den letzten Jahren zu einer reinen Trump-Partei entwickelt, sagte er der Mediengruppe Bayern.

“Es herrscht ein regelrechter Personenkult, dem sich jeder unterwerfen muss, der in der Partei zu Wort kommen will”, so Huber. “Die Weltanschauung von Trump und Vance ist brandgefährlich.” Dennoch müsse man im Gespräch bleiben. Wenn Donald Trump die Wahl gewinne, werde auch eine unionsgeführte Bundesregierung mit ihm umgehen müssen. Huber: “Auf ein solches Szenario bereiten wir uns schon heute vor, indem wir im Austausch bleiben.”

Die Entscheidung von Präsident Joe Biden, nicht mehr für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, nennt Huber “historisch”. Biden verdiene dafür Respekt. Doch es sei die “einzig richtige Entscheidung” gewesen, so Huber. “Da schon die Mehrzahl der Demokraten nicht mehr an Biden geglaubt hat, hätte er bei unentschlossenen Wählern in den Swing States keine Chancen gehabt.”

Von deutscher Seite fordert er mehr Real- statt Moralpolitik. Außerdem geht der CSU-Politiker nicht nur mit der Amerika-Politik der Ampelregierung hart ins Gericht und fordert einen Systemwechsel. Deutschland brauche eine sehr enge Partnerschaft zu den USA. Die würden die Bundesrepublik aber wegen eines deutschen “Führungsvakuums” und der wirtschaftlichen Schwäche nicht mehr ernst nehmen. In Richtung Kanzler Olaf Scholz (SPD) meinte Huber: “Glauben Sie, dass heute auch nur irgendjemand einen Cent auf Olaf Scholz` Führung setzen würde?”

Es brauche einen kompletten Politikwechsel in Deutschland. “Realistisch müssen wir drei Prozent unseres Bruttoinlandprodukts in die Verteidigung investieren, bis unsere Truppe wieder vollständig einsatzbereit ist. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist notwendig, um wieder verteidigungsfähig zu sein. Und wir müssen die Ukraine mit mehr Munition unterstützen.”

Und Huber nennt auch den wichtigsten Grund, warum man hierzulande Angst vor Trump hat:

Trump werde nach einem möglichen Wahlsieg schnellstmöglich einen Deal mit Putin aushandeln, bei dem die Ukraine auf Gebiete in der Ostukraine oder die Krim verzichten soll. Das wäre ein fatales Signal an Putin, China und alle, die mit Waffengewalt Grenzen verschieben wollen, so Huber. “Als freier Westen sind wir herausgefordert wie lange nicht und werden uns behaupten müssen. Die Antwort muss eine engere transatlantische Partnerschaft sein, nicht weniger. Aber für Trump und Vance ist Deutschland unter der Ampelregierung kein Partner, sondern eine Bürde, da sie viel zu wenig in die Verteidigung investiert und zulässt, dass die größte Volkswirtschaft Europas inmitten eines Kriegs in eine Deindustrialisierung schlittert.”

Europa spielt im internationalen Polit-Geschäft eine immer kleinere Rolle.  Das Problem ist allerdings hausgemacht – und das sieht Huber leider auch nicht, oder will es nicht wahr haben.

Auch andere Politiker melden sich zu Wort:

Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Georg Link, sieht den Rückzug des US-Präsidenten Joe Biden von seiner erneuten Kandidatur für das Amt als “tiefe Zäsur” für Deutschland und Europa.

“Er ist nicht nur ein besonders enger Partner gewesen, was er auch bis zum Ende seiner Amtszeit bleiben wird”, sagte der FDP-Politiker dem “Tagesspiegel”. Sondern es habe wahrscheinlich noch nie einen US-Präsidenten gegeben, der aus eigener Verbundenheit heraus die EU-Institutionen und den “alten” Kontinent insgesamt so ernst genommen habe.

In Bezug auf die Vorbereitung der Bundesregierung auf die kommende US-Wahl “ändert Bidens Rückzug erst einmal nichts”, so Link weiter, da man sich “seit vielen Monaten intensiv auf beide Szenarien” vorbereite. “Unabhängig davon, wen die Demokraten jetzt als Kandidaten nominieren und unabhängig davon, wer die Wahl am 5. November gewinnt”, so kündigte Link am Sonntagabend an, “werden wir als Deutschland mit beiden politischen Lagern weiter eng zusammenarbeiten”.

Insbesondere für den Fall eines Wahlsieges des Republikaners Donald Trump gelte, dass jetzt europäische Geschlossenheit hergestellt werden müsse “bei einem Gegenüber, der selbst seine Verbündeten zu spalten versucht”, so der Regierungsbeauftragte für die USA: “Wir brauchen jetzt den Mut aller Akteure in der EU, eigene Differenzen zurückzustellen – sonst spielt man Trump in die Hände.” Eine mögliche Wahlsiegerin Kamala Harris, der bisherigen Vizepräsidentin, würde nach Ansicht Links “eng mit der Nato, der EU und Deutschland verbunden” sein, aber sicherlich “ihre eigenen Akzente setzen”.

Die Leiterin der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, Laura von Daniels, glaubt unterdessen, dass nach dem Verzicht von Biden auf eine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt noch Chancen bestehen, Donald Trump zu schlagen. “Das ist ein gutes Zeichen”, sagte sie dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” zu Bidens Rückzug. “Joe Biden hat der Demokratischen Partei den Weg geebnet, um erneut Chancen im Präsidentschaftswahlkampf zu gewinnen.” Der Verzicht komme “gerade noch rechtzeitig, wenn sich die Demokraten jetzt schnell auf ein neues Führungsduo einigen”.

Von Daniels fügte hinzu, Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin und die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, als Vizepräsidentschaftskandidatin “wären eine mutige Wahl und ein eindeutiges Kontrast-Programm zu Donald Trump und J.D. Vance”. Damit würden die Chancen bei unentschiedenen Wählern steigen. Jeder Streit senke hingegen die Chancen. “Jeder Tag muss jetzt ein Wahlkampftag gegen Donald Trump und J.D. Vance sein – und nicht gegen die eigene Partei.”

Die Union zollt dem US-Präsidenten derweil Respekt. Der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), sagte der “Rheinischen Post” (Montagsausgabe): “Präsident Bidens Entscheidung zum Verzicht auf eine erneute Kandidatur erforderte viel Mut. Er hat damit wie in den dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit Führung bewiesen.”

Hardt ergänzte: “Ich fürchte, dass damit eine neue Diskussion eröffnet wird, ob er denn überhaupt noch in der Lage sei, das Präsidentenamt für die nächsten sechs Monate wahrzunehmen.” Ein Rücktritt als Präsident würde sofort Kamala Harris ins Weiße Haus bringen. “Das könnte ein großer Vorteil im Wahlkampf sein.” Für Deutschland und die EU gelte nun: “Wir müssen mit jedem nächsten US-Präsidenten nicht nur zurechtkommen, sondern die transatlantische Partnerschaft angesichts der russischen Aggression noch vertiefen”, sagte Hardt.

Die Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht wieder Chancen für die Demokraten. “Noch können die Demokraten die Wahl für sich entscheiden”, sagte Strack-Zimmermann der “Rheinischen Post” (Montagsausgabe). Die FDP-Politikerin ergänzte: “Joe Biden ist ein überzeugter Transatlantiker und hat in diesen krisenhaften Jahren und angesichts der Aggression Wladimir Putins fest an der Seite Europas gestanden.”

Dass Biden seine Kandidatur nun aufgebe, “ist klug, auch wenn es ihm natürlich schwerfallen muss”. Klar sei aber, “dass egal, wer der neue Präsident der Vereinigten Staaten sein wird, Europa jetzt gefordert ist”. Sowohl wirtschaftlich als auch sicherheitspolitisch, sagte Strack-Zimmermann.

(Mit Material von dts)

 

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