Gesprengter Geldautomat (hier in Chemnitz) (Symbolbild:Imago)

Nach Witzurteil gegen niederländische Geldautomaten-Sprenger: CSU-Herrmann feiert “saftige Freiheitsstrafen”

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Diese Woche wurden 15 Mitglieder einer niederländischen Geldautomatensprenger-Bande in Bamberg zu Haftstrafen von zwischen einem Jahr und neun Monaten und fünf Jahren und elf Monaten verurteilt. Ein Großteil der Bande stammt eigentlich aus Afghanistan. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann lobte tatsächlich die „saftigen Freiheitsstrafen“, in denen er eine „klare Warnung an potentielle Täter“ sieht, „dass wir gegen skrupellose Geldautomatensprenger konsequent vorgehen“. In Wahrheit sind die verhängten Strafen ein Witz, angesichts der Brutalität und kriminellen Energie der Bande: Insgesamt wurden zwischen 2021 und 2023 rund 3,3 Millionen Euro gestohlen, der Schaden an Automaten und Gebäuden belief sich auf 5,5 Millionen Euro. Eigentlich hätte der Prozess bis 2026 dauern sollen. Angesichts dessen sind die Haftstrafen, die erfahrungsgemäß ohnehin nicht vollständig abgesessen werden müssen, geradezu lächerlich.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass elf Angeklagte der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Bandendiebstahl oder schwerem Bandendiebstahl schuldig sind. Vier Angeklagte wurden wegen Beihilfe verurteilt, in zwei Fällen wurde die Vollstreckung außer Vollzug gesetzt. Die Staatsanwaltschaft bezeichnete die Täter als „hochprofessionell, rigoros und rücksichtslos“. Die Bande sei ein eingespieltes Team gewesen, „nur so seien die Überfälle mit hoher Schlagzahl” möglich gewesen.

Von wegen “abschreckend”

Es handle sich um organisierte Kriminalität. Insgesamt wurden die Täter für 30 Geldautomatensprengungen angeklagt, die tatsächliche Zahl liegt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich höher. Die Urteile kamen nur durch Deals zwischen den Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht zustande, und dass genügend Beweise vorlagen, war vor allem den niederländischen Behörden zu verdanken, die fast 200 Stunden Videomaterial, DNA-Abtastungen und SMS-Nachrichten zur Verfügung stellten.

Dass Haftstrafen, deren höchste unter sechs Jahren liegt, gegen eine mafiös organisierte Bande, die 30 Geldautomaten gesprengt einen fast zweistelligen Millionenschaden verursacht hat, in diesem Land mitterweile als geradezu drakonisch angesehen werden, zeigt, zu welchem Verfall der Maßstäbe die deutschen Kuscheljustiz geführt hat. In den USA wären die meisten Angeklagten lebenslänglich, mindestens aber für Jahrzehnte eingesperrt worden. In Deutschland feiert der bayerische Innenminister das „harte“ Urteil und erhofft sich davon allen Ernstes eine abschreckende Wirkung. Tatsächlich dürfte das Gegenteil der Fall sein: im Ausland sieht man wieder einmal, dass man in Deutschland massenhaft schwerste Straftaten begehen kann und dafür maximal mit einer mittleren einstelligen Gefängnisstrafe rechnen muss. Das Urteil wird also wahrscheinlich mehr als Einladung, denn als Abschreckung aufgefasst werden. (TPL)

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