Da schauste, Frau Schausten, oder? Foto: Imago

Holocaust-Überlebende und Nachfahren danken für die Strafanzeige gegen ZDF-Chefin Bettina Schausten

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Markus Haintz hat Strafanzeige gegen Bettina Schausten wegen Volksverhetzung gestellt. Die Vereinigungen „We For Humanity“ und „Juden für Aufklärung” lobten das Engagement und den mutigen Schritt.

Es war wieder ein denkwürdiger Wahlsonntag in Deutschland, als die Bürger von Thüringen und Sachsen der Bundesregierung eine klare und unmissverständliche Antwort auf ihre Politik lieferten: Die AfD triumphiert in Thüringen und landet in Sachsen auf dem zweiten Platz. Doch das eigentliche Drama spielte sich nicht in den Wahllokalen ab, sondern in den Studios des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Kaum war das Wahlergebnis bekannt, setzte die ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten zu einem fragwürdigen rhetorischen Kunststück an: Sie zog den Vergleich zwischen dem Überfall der Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 und dem Wahlerfolg der AfD. Mit ernster Miene erklärte sie, dass dieser Wahltag eine „politische Wegmarke und eine Mahnung an die Nachgeborenen“ sei. Ein Kommentar, der an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten ist.

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@Haintz_MediaLaw / 𝕏

Diese Aussagen sorgen nicht nur für Entsetzen, sie eröffnen auch tiefergehende Fragestellungen. Der Überfall auf Polen markierte den Beginn einer der dunkelsten Epochen der Menschheitsgeschichte, während die Wahlen in Thüringen und Sachsen Ausdruck einer demokratischen Willensbildung sind – mögen die Ergebnisse auch vielen nicht gefallen. Historisch derart behaftete Vergleiche, wie sie Schausten anstellte, tragen das Risiko, die deutsche Vergangenheit in einer Art zu instrumentalisieren, die der Tragweite dieser Ereignisse nicht gerecht wird.

Es ist kaum überraschend, dass diese Rhetorik von einer breiten Kritik begleitet wird. Das Dilemma liegt auf der Hand: Darf eine Journalistin, die für eine öffentlich-rechtliche Institution arbeitet, die Ergebnisse einer demokratischen Wahl derart mit einem historischen Ereignis verknüpfen, das den Holocaust erst möglich gemacht hat? Der Vorwurf der Relativierung des Holocausts steht im Raum – schwer und berechtigt. Denn es war nichts Geringeres als eine freie Wahl in einer stabilen Demokratie, die am Wahlsonntag stattfand. Dass diese Ergebnisse nicht mit den Vorstellungen der Berliner Eliten übereinstimmen, rechtfertigt keine solch perfiden Analogien.

Rechtsanwalt fordert Konsequenzen für Schausten

Markus Haintz erstattet aufgrund dieser Aussage Strafanzeige wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten.

Diese Entscheidung basiert auch auf einer früheren Erfahrung, in der ein Mandant von Haintz Legal aufgrund eines vermeintlichen Vergleichs mit COVID-Bezug von der gleichen Staatsanwaltschaft, bei der jetzt die Strafanzeige eingegangen ist, angeklagt wurde. In diesem Fall wurde der Mandant erstinstanzlich von einem Amtsgericht wegen angeblicher Volksverhetzung verurteilt. Die Berufung gegen dieses Urteil liegt nun seit fast zwei Jahren beim Landgericht, das Schwierigkeiten hat, den Fall zu bearbeiten.

In dem besagten Fall wurde jedoch kein Bezug zu einem Verbrechen gemäß § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches (Völkermord) gezogen. Ein solcher Bezug ist jedoch zwingend erforderlich, um eine Verurteilung nach § 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch zu rechtfertigen. Trotz dieses Fehlens des erforderlichen Kontextes kam es dennoch zu einer Verurteilung, die erstinstanzlich nicht hätte erfolgen dürfen.

Die Ironie dieses Rechtsstreits entfaltet sich nun, da dieselbe Argumentationslinie auch im Fall Schausten verfolgt werden kann. Diese historische Parallele, so argumentiert Markus Haintz, könnte ebenfalls unter den Tatbestand der Volksverhetzung fallen, da sie einen Kontext zu Verbrechen der Nationalsozialisten herstellt. Es bleibt abzuwarten, wie die Staatsanwaltschaft ihre eigene Argumentation in diesem neuen Fall handhaben wird. In beiden Fällen wurde ein Kontext zur Herrschaft des Nationalsozialismus hergestellt. Schausten stellte dabei einen Zusammenhang zum Angriff der Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 und zu den 6 Millionen ermordeten Juden her.

Die Herausforderung für die Staatsanwaltschaft wird nun besonders spannend: Wird sie in diesem Fall ähnlich argumentieren? In Anbetracht ihrer mutmaßlichen politischen Abhängigkeit befindet sie sich in einem „juristischen Dilemma”, wie Markus Haintz ihre Misere treffend beschreibt.

Holocaust-Überlebende und Nachfahren danken Markus Haintz mit einem offenen Brief

Als Reaktion auf die Strafanzeige hat „We For Humanity“ gemeinsam mit „Juden für Aufklärung” einen offenen Brief an Rechtsanwalt Markus Haintz gerichtet. Die internationale humanitäre Vereinigung, die von Holocaust-Überlebenden und deren Nachkommen gegründet wurde, bezieht darin klar Stellung zum Beitrag der ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten, welchen sie als „Instrumentalisierung der Geschichte” für „politische Machtspiele” wahrnimmt. Für den Einsatz des Rechtsanwalts, dagegen vorzugehen drücken die Mitglieder ihre Dankbarkeit aus.

„IN TIEFER VERBUNDENHEIT UND DANKBARKEIT
Offener Brief an Rechtsanwalt Markus Haintz

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Haintz,

wir danken Ihnen für Ihren Einsatz gegen die Instrumentalisierung der Geschichte, gegen den
Missbrauch von Menschen wie uns für politische Machtspiele und letztendlich gegen den
Antisemitismus.

Es geht zu weit, wenn der inflationäre Missbrauch von solchen Begriffen wie „Nazi“, „Faschist“ und
„Antisemit“ zum Zwecke der Meinungs- und nun auch der Wahlmanipulation verwendet wird.
Demokratisch legitime Kritik an der Regierung wird im Namen von Juden geahndet. Forderungen
nach Friedensverhandlungen in der Ukraine werden als antisemitisch angegangen. Es wird als legitim
verstanden, gegen eine Partei, gegen eine gesellschaftliche Minderheit oder auch gegen eine einzelne
Person öffentlich zu hetzen, während man einen Finger ermahnend hochhält und Vergleiche mit
Nationalsozialismus (soviel zum „gesichert rechts“ im direkten Vergleich mit den Nazis) macht.

Wie viel Substanz die reflexartige Rechts-Einordnung und der deflationäre Nazi-Vergleich haben,
lassen wir an der Stelle vom damaligen Propagandaminister ausräumen:

„Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke. Nichts ist uns
verhaßter als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock.“
(Joseph Goebbels,1931)

Wenn so viel Unrecht und Unwahrheit im Namen von Juden öffentlich gelebt und propagiert wird,
schürt man echten Antisemitismus.

Es ist uns wichtig, richtigzustellen, dass wir den Gesinnungskrieg gegen die Bevölkerung in unserem
Namen kategorisch ablehnen.

Es ist uns wichtig, richtigzustellen, dass wir die in unserem Namen stattfindende Hetze gegen die
demokratisch gewählte AfD und ihre einzelnen Mitglieder verurteilen.

Zu gerne wird mit der (Vor)verurteilung von jüdischen Amtsträgern argumentiert. Vorsitzende der jüdischen Gemeinden treten nicht im Namen ihrer Gemeinden und schon gar nicht im Auftrag aller Juden auf. Man sollte das Leben einer solchen Gemeinde kennen, um festzustellen, dass kein
politischer Diskurs stattfindet, dass dieser vielerorts nicht einmal möglich ist: Viele Gemeinden haben
nur den Einwanderern aus der ehem. UdSSR ihre zehn Männer zum Beten zu verdanken, einer
Generation, die deutscher Sprache nicht mächtig ist. (Anm.: Minjan (hebräisch מנין) ist im Judentum
das Quorum von mindestens zehn im religiösen Sinne mündigen Juden, das nötig ist, um einen
vollständigen jüdischen Gottesdienst abzuhalten.)

Äußerungen, wie die von Bettina Schausten sind ein Hohn, eine Verharmlosung des wahren
Faschismus und des wahren Antisemitismus, eine Hetze, die im Auftrag und im Namen der
herrschenden Parteien stattfindet, die sich vor dem Wahlergebnis fürchten. Nochmal Danke, dass Sie
dagegen vorgehen.”

We for Humanity und Juden für Aufklärung
https://we-for-humanity.org

We For Humanity / Offener Brief

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