Imagekampagne "Du bist Deutschland" 2005

Skandal-Urteil gegen Höcke – aber NS-Parole “Du bist Deutschland” war 2005 kein Problem als Kampagnenname

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Einen Tag nach dem Urteil des Landgerichts Halle gegen den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, hat der Kampf um dessen politische Einordnung begonnen. Während der linke Mainstream natürlich jubiliert, hätte man sich von konservativ-liberaler Seite eine zumindest etwas differenziertere Einschätzung einer Urteilsbegründung gewünscht, die den Ausspruch „Alles für Deutschland“ pauschal als Verwendung verfassungsfeindlicher Symbolik wertet. Ein Beitrag von „Welt“-Kolumnist Thomas Schmid versprach -zumindest in der Überschrift „Die zwei Probleme mit dem Urteil gegen Höcke“- eine solche kritische Würdigung. Dem folgte dann jedoch nur ein überschwängliches Lob des „sorgfältig argumentierenden“ Richters, der Höcke „mit guten Gründen zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt“ habe.

Die “zwei Probleme”, die “Welt”-Schmid mit dem Urteil hat, lauten lediglich, dass die AfD es nutzen werde, um sich noch stärker als bisher als Opfer zu inszenieren und es einer politischen Bankrotterklärung gleichkäme, weil die anderen Parteien den Kampf aufgegeben hätten, die AfD „politisch zu stellen“. Es sei „erschreckend, dass es demokratische Politiker gibt, die vor dieser schweren Aufgabe inzwischen kapituliert haben“, klagte Schmid. Außer dem seit Jahr und Tag in Endlosschleife abgespulten Geschwätz über die perfiden „populistischen“ Methoden von Höcke und der ganzen AfD sowie angeblich bitteren Notwendigkeit, die Partei „zu stellen“, hatte auch er nichts anzubieten.

Absurde Geschichtsvergessenheit

Dabei gibt es wahrlich genügend Gründe, die Verlogenheit des Urteils aufzugreifen. Zunächst einmal den Umstand, dass es sich letztlich nur auf ein anderes Urteil des Amtsgerichts Hamm aus dem Jahr 2006 stützt, das damals einfach festgelegt hatte, dass „Alles für Deutschland“ als ehemalige SA-Parole grundsätzlich verboten und dieser Hintergrund auch allgemein bekannt zu sein habe. Damit wurde der Satz quasi auf eine Stufe mit „Heil Hitler“ gestellt. Dabei reichen seine Ursprünge bis tief ins 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der entstehenden Nationalstaaten in Europa, zurück.

In der Weimarer Republik nutzte der Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold die Losung „Nichts für uns, alles für Deutschland“. Dessen Mitgründer, der SPD-Politiker Otto Hörsing, verwendete sie 1931 in einem Brief an den Bundesvorstand des Reichsbanners, woraufhin sie in zahlreichen SPD-Zeitungen abgedruckt wurde. Auch sonst war „Alles für Deutschland“ in der Weimarer Republik ein gängiger Ausdruck bei mehreren Parteien. Aber selbst noch 2005 war eine Kampagne unter dem Titel „Du bist Deutschland“, an der sich Prominente wie unter anderem Günther Jauch, Harald Schmidt, Xavier Naidoo, Oliver Kahn, Marcel Reich-Ranicki, Oliver Pocher beteiligten, problemlos möglich. Der „Spiegel“ und andere Medien meldeten damals immerhin verhaltene Kritik an und verwiesen darauf, dass ein zwischen 1933 und 1935 in Ludwigshafen entstandener Schnappschuss ein Plakat zeigt, auf dem Adolf Hitler und darunter in großen Lettern „Denn du bist Deutschland” zu sehen ist:

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Plakat während der NS-Zeit (Foto:Bundesarchiv)

Doch die für die Kampagne mitverantwortliche Agentur Fischer Appelt Kommunikation stellte schnell klar, es könne nicht sein, dass der Begriff “Deutschland” ausschließlich  „für die Vergangenheit reserviert” sei. Das genügte damals; es gab noch keine AfD, Politiker und zeitgeistprostitutive Richter waren damals noch keine Opfer einer selbstreferenziellen kollektiven Nazi-Psychose wie heute; also legte sich die Aufregung ganz schnell wieder. Die Aktion fand weitgehend Zustimmung.

Seit jedoch mit Angela Merkel 2005 die bis heute anhaltende Epoche des „besten Deutschland aller Zeiten“ begann, das sich vor allem dadurch auszeichnet, nicht mehr Deutschland sein zu wollen, steht alles, das die Bezeichnung „deutsch“ enthält, unter Nazi-Verdacht – auch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft durfte es unter Merkel nicht mehr geben. Sie wurde kurzerhand zur bloßen „Mannschaft“ degradiert. Dies wurde zwar zuletzt wieder aufgehoben, wie ihr offizieller Status derzeit ist, scheint jedoch nicht ganz klar. Jedenfalls war es vor nicht allzu langer Zeit noch möglich, „Alles für Deutschland“ oder Ähnliches von sich zu geben, ohne als Verfassungsfeind zu gelten. Diese Hintergründe werden in der Debatte um Höcke aber natürlich komplett ausgeblendet. Damit zeigt sich noch tiefenschärfer, dass es sich bei dem Urteil gegen ihn um einen Akt politischer Willkürjustiz handelt. (TPL)

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