Maximilian Krah (Bild: IMAGO / Sven Simon)

Ein abgekartetes Spiel? – Die AfD und ihre machthungrige Selbstaufgabe sind Wählerverrat!

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Hinsichtlich der Leitmedien und allen für sie agierenden Haltungsjournalisten ist uns mittlerweile klar geworden, dass sie heutzutage keinen großen Wert mehr darauf legen, ihrem Anspruch an Objektivität, Sorgfalt und Unvoreingenommenheit gerecht zu werden. Denn diese Erwartung wird offenbar auch von vielen Bürgern nicht mehr formuliert, die bedarfsweise auf ihrem Bildschirm einen Fürsprecher der aktuellen Regierung der kritischen Betrachtung all der verstörenden Geschehnisse in unserem Land vorziehen.

Von Dennis Riehle

So wird aus einem skeptischen Konsum offensichtlicher Hofberichterstattung ein betreutes Denken, bei dem die Systempresse jene an die Hand nimmt, die in ihrer intellektuellen und kognitiven Flexibilität wohl auch deshalb eingeschränkt zu sein scheinen, weil ihnen der Kontakt mit den grassierenden Umwälzungstendenzen des Abendlandes und einer Unterwanderung der kulturellen Identität fehlt. So kann man natürlich nach einer Weile des ausschließlichen Verlassens auf die Schlagzeilen der Tagesschau durchaus zu der Überzeugung gelangen, dass wir in einem Paradies der Glückseligkeit leben, in welchem sich die unterschiedlichen Kulturen friedliebend in den Armen liegen – und Robert Habeck für ein grünes Wirtschaftswunder sorgen wird. Ähnliche Naivität gibt es mittlerweile aber auch im Vertrauen auf die Wissenschaft. Wenngleich sich mancherorts ein Stück weit gesunder Verstand in die Köpfe der Menschen zurückdrängt – insbesondere mit Blick auf die Frage des ausschließlich anthropogen verursachten Klimawandels -, bleibt die Forschung bei uns noch immer eine Heilige Kuh, die man prinzipiell nicht in Frage stellen darf. Schließlich dürfte sie von Grund auf mit dem Prädikat der Wahrhaftigkeit gesegnet sein. Dass ein solcher Absolutismus nicht in die Demokratie gehört, ist dabei eine erhebliche Randnotiz.

Und so sind auch Einlassungen von manch einem Akademiker mit einer großen Portion an Zweifel aufzunehmen, wenn sie in einer vermeintlichen Unantastbarkeit und schieren Arroganz formuliert werden. Dieser nahezu gottähnlichen Spezies gehören auch viele Politologen an, die aufgrund ihres Studiums von sich behaupten, nicht nur über eine Glaskugel zur punktgenauen Prognose des Ausgangs anstehender Wahlen zu verfügen. Sondern die sich wiederkehrend dem Befund anbiedern, dass der AfD langsam aber sicher die Puste ausgeht. Und so sind auch die Einlassungen von Hans Vorländer wenig überraschend, der kurz nach den Abstimmungen über die Zusammensetzung des EU-Parlaments attestiert, dass die Chancen und Möglichkeiten der Partei ausgeschöpft sind. Mit seiner einseitigen Einschätzung macht sich der Experte von der Technischen Universität in Dresden zum Transporteur eines Wunschtraums aus dem Elfenbeinturm, in dem man sich noch immer fragt, warum man beim Souverän so unbeliebt ist. Während die Grünen mit ihrer Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt die Schuld weiterhin bei den Untertanen suchen, weil diese die planwirtschaftlichen Ideen der Ökologie nicht verstanden hätten – und sich doch tatsächlich erdreisten, gegen Kasteiung, Verzicht und Repression aufzubegehren, kommt manch ein ehemaliger Politiker der SPD zur lobenswerten Erkenntnis, dass die Menschen in der Republik mit der Ampel schlichtweg durch sind. Dabei ist es nicht einmal der Protest gegen das Establishment, der eine wachsende Zahl an Mitbürgern in die Arme der Alternative für Deutschland getrieben hat. Stattdessen konnten die Befragungen am Wahlsonntag eindrücklich belegen, dass es vor allem programmatische Standpunkte und inhaltliche Forderungen waren, die für einen kräftigen Anstieg der Prozentzahlen sorgten.

Und tatsächlich hätte man noch bis vor einigen Tagen mit einer sehr viel größeren Vehemenz dem widersprechen müssen, was der Fachmann an Vorhersagen für die Blauen getroffen hat. Denn auch wenn bereits seit einigen Monaten die Skandale und Affären kein Ende nahmen, konnte man die Verursacher rasch im Kreise des Einheitskartells ausmachen. Doch es war spätestens der Moment, als ein ohne Zweifel kritikfähiges Interview mit dem Spitzenkandidaten Maximilian Krah Empörung in Paris auslöste, seit dem die Haftung für ein miserables Außenbild plötzlich innerhalb der immanenter Reihen gesucht werden musste. Es war ein denkbar schlechter Augenblick, sich auf eine Debatte über die individuelle Schuld der Mitglieder der SS einzulassen. Hier hätte es einem erfahrenen Politiker eigentlich wie Schuppen von den Augen fallen müssen, dass eine derart komplexe Angelegenheit dafür missbraucht wird, der AfD daraus einen Strick zu drehen. Sieht man sich den Verlauf des Gesprächs mit der Zeitung “La Repubblica” an, so wäre es durchaus möglich gewesen, dieses verminte Terrain zu umschiffen. Wenngleich in der Sache an den Aussagen der einstigen Speerspitze des Wahlkampfteams nicht wirklich etwas ausgesetzt werden konnte, so war es taktisch einigermaßen unklug und fahrlässig zugleich, im Endspurt zum 9. Juni dieses diffizile Fass unnötig aufzumachen. Daher kann man diese Unachtsamkeit als einen strategischen Fehler einstufen, auf den allerdings mit einer vor Brachialität nur so strotzenden Antwort durch den Bundesvorstand um Alice Weidel und Tino Chrupalla überreagiert wurde. Schon das Verhängen des Auftrittsverbots hat gerade unter den Anhängern des besonders bei der Jugend geschätzten Europa-Abgeordneten zu einer Menge Frust und Unverständnis beigetragen.

Dass sich aber kurz nach Beendigung des Urnengangs die Delegation der Alternative in Brüssel mehrheitlich für den Ausschluss des 47-Jährigen aussprach, verstehen nicht nur große Teile der Wähler als einen Verrat an deren ausdrücklich artikulierten Ansinnen, dass sich gerade nicht die Gemäßigten und Liberalen in der augenscheinlich noch immer unter der ideellen Fuchtel des ehemaligen Vorsitzenden Jörg Meuthen stehenden Partei durchsetzen möge. Denn angeblich schien die Zeit der Anbiederung an die herrschende Klasse überwunden. Gerade unter dem Aspekt der Motive, welche die Basis zu ihrem Votum antrieben, hätte unverhohlen deutlich werden müssen, dass die AfD nicht etwa aufgrund eines wirtschaftsfreundlichen oder moderat konservativen Kurses belohnt wurde. Sondern es war der Zwischenruf der nachkommenden Generation, die sich mit Stringenz für einen wiederbelebtes Nationalbewusstsein, Heimatliebe und vor allem eine unmissverständliche Remigration engagiert, welchem man Gehör schenken sollte. Dass man unter dem Einfluss eines wohl weichgespülten Lagers an Handlangern von Le Pen und Meloni – und nach dem ebenfalls für Furore sorgenden Einleiten eines Ausschlussverfahrens gegen den angesehenen Mandatar Matthias Helferich – vollends auf den Kurs der Gemeinmachung mit der selbsternannten Elite um Ursula von der Leyen umgeschwenkt ist, zeugt nicht nur von einer massiven Illoyalität in den inhärenten Sphären. Es handelt sich um ein von tiefster Unredlichkeit und Verantwortungslosigkeit getragenes Gebaren der Selbstzerfleischung, welches allein auf einem Machtstreben nach Einfluss und Dominanz des Dunstkreises um den nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Vincentz und seinen Fans beruht.

Er bemüht sich schon seit längerer Zeit darum, wichtige Positionen in den Führungsgremien der Partei mit Personen aus seinem Umfeld zu besetzen – und damit einen auf gutem Wege befindlichen Prozess der Versöhnung und Einigkeit zu torpedieren. Es geht also vornehmlich um egomanische und ich-bezogene Beweggründe, die für einen massiven Schaden des Ansehens und der Reputation der Alternative für Deutschland sorgen. Wäre man in eine ehrliche Folgenabwägung darüber eingetreten, ob die Auswirkungen des Verhaltens von Krah einerseits oder aber die Konsequenzen dessen Segregation aus der Gruppe andererseits größer sind, hätte man bei nüchterner und sachlicher Differenzierung zu dem Schluss kommen müssen, dass manch ein Fauxpas von Einzelnen weniger stark ins Gewicht fällt als das vor den Kopf Stoßen einer ganzen Strömung an Unterstützern. Da es zu diesem Tarieren nicht gekommen zu sein scheint, muss man davon ausgehen, dass sich hier eine von langer Hand geplante Inszenierung abspielt, die das Fundament einer vergleichsweise noch jungen Kraft massiv erodieren kann. Es geht nicht um das Bemühen, irgendjemanden in Schutz zu nehmen oder zu verteidigen. Aber tatsächlich könnte der anfangs erwähnte Seniorprofessor aus heutiger Warte nicht ganz falsch liegen. Tun sich diejenigen Grabenkämpfe innerhalb der AfD wieder auf, die bereits in der Vergangenheit für Abspaltungen und Zerwürfnisse gesorgt haben, bleiben nicht nur die Möglichkeiten für das Ausschöpfen neuer Wählerschichten äußerst begrenzt. Viel eher muss man angesichts des sich vollführenden Dramas in mehreren Akten von einem sukzessiven Abwandern derjenigen ausgehen, die sich um ihre Stimme betrogen fühlen. Ein Erstarken des äußerst rechten Randes wäre das Resultat. Und eine weitere Zersplitterung eines ohnehin heterogenen Spektrums das logische Ergebnis.

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