CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann, SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke und AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt im ARD-Wahlstudio: Manöver "Machtsicherung des Establishments" vorerst geglückt (Foto:Imago)

Wahlsieger Woidke: Ein Sozialdemokrat kann nicht bis Drei zählen

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Schon die Anrede ist eine Zumutung. Nach 40 Jahren DDR mit Mauertoten und sozialistischen Mauermördern, mit einer kriminellen „Staatssicherheit“ als Terrorinstrument der absolutistischen Bonzokratie, nach übelstem Beton-Kommunismus auf deutschem Boden, dieser schreckliche Rede-Beginn: „Liebe Genossinnen und Genossen…“. Richtig. Das sozialistische Grauen ist längst wieder da, gibt sich gewohnt bonzokratisch und war unlängst noch im Rot-Rot-Grün-Horrorpaket zu haben. Inzwischen haben sich aber die Verhältnisse gedreht. Dennoch soll hier keine weitere Wahl-Exegese betrieben werden, sondern etwas über das Selbstverständnis heutiger Sozialdemokratie – anno 2024 – gesagt werden.

Von Hans S. Mundi

Und das wegen eines bemerkenswerten Satzes, den der Bizarr-Wahlgewinner Dietmar Woidke (SPD) heraus kloppte, vollkommen ahistorisch und irgendwie entrückt (formuliert im Konjunktiv, das endgültige Wahlergebnis stand da noch nicht fest): „Es scheint so zu sein, wie schon oft in der Geschichte, dass es Sozialdemokraten waren ,die Extremisten auf ihrem Weg zur Macht gestoppt haben.“ Jubel unter den Genossen, die hier die Erstürmung deutscher Rathäuser durch paramilitärische National-Sozialisten mutig und heldenhaft unter dem SPD-Rambo Woidke mannhaft verhindern konnten. Auch im gesamten Ausland Jubel, die Genossinnen und Genossen konnten erneut Adolf Hitler, Josef Stalin und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Sozen-Höchstmoral verhindern. Bitte, was…?!

In der Tat kann man sich nur noch wundern, wie sich die Sozialdemokratie hierzulande als längst inhaltsleeres Gebäude als Marke, als altes Label, vermarktet – only in it for the money. Woidkes pathetisches Gejubel hat auch nicht nur den Hauch eines Ansatzes zu höchstmoralischer, politischer Identität. Im Gegenteil. Hier präsentiert sich das blanke Nichts, ein Haufen staatstragender Berufspolitiker, Verwaltungsmenschen, SPD-Bürokraten und Parteibuch-Mitlatscher hat die eigene Klientel – den „kleinen Mann“ – nur noch als Pflegefall vor Augen. Woidke hätte natürlich an mutige Größen wie Willy Brandt oder Otto Wels, auch an den wirtschaftsliberalen und bürgerlichen Helmut Schmidt erinnern können – aber diese echten Sozialdemokraten gibt es schon lange nicht mehr. Unter der Schirmherrschaft der schrägen FDJ-Kanzlerin Angela Merkel mutierten die „lieben Genossinnen und Genossen“ rückwärtsgewandt zu einer altbacken plumpen sozialistischen Neid- und Hass-Partei. Damit geschah – historisch betrachtet – das genaue Gegenteil des Woidke’schen Pathos. Doch der Reihe nach. Bringen wir dem polternden Wahlsieger mal Geschichte und Addition bei.

Woidke spricht von einer SPD, welche also mal wieder deutschen Extremismus „auf dem Weg zur Macht gestoppt“ haben will. Sicher, die Sozialdemokraten wurden schon seit Frühzeiten gejagt, verboten, verfolgt und ermordet, von jenen dunklen Kräften, die als politische Teufel dieses Land schon seit über einhundert Jahren ins Höllenfeuer schicken und es verderben. Doch Woidke strickt sich daraus seine Reime, die nicht passen, die nicht stimmen, die alles auf den Kopf stellen.

Beginnen wir mal mit einer Bewertung über den geistigen Zustand der SPD, der so gar nichts mit dem Pathos von Potsdam zu tun hat. Denn die diesbezüglich wahrhaft unverdächtige „taz“ erkannte schon vor einer ganzen Weile, als nämlich die bräsig gewordenen SPD-Bonzen ihre „historische Kommission“ auflösten, dass mit dieser „Partei“ etwas nicht mehr stimmt oder gar stimmen kann: „In den anstehenden erinnerungskulturellen Kämpfen wird die stolzeste deutsche Partei stimmlos sein. Das geschichtsgesättigte Solidaritätslied der Arbeiter wird neu geschrieben. Aus: „Vorwärts und nicht vergessen“ wird „Vorwärts und schnell vergessen“. Schadenfreude ist unangebracht. Denn es geht gar nicht um die geschichtsblind gewordene alte Tante SPD. Es geht, und das ist das Fatale dieser Posse, um die ­demokratische Gesellschaft.“ https://taz.de/Gastkommentar-Historische-Kommission/!5519648/

Man staune und lese, die SPD ist also “geschichtsblind” und zerreibt sich in “Possen”, sagen immerhin die dezidiert sehr linken Genossen von der extremistisch knallroten „taz“. Insofern waren die einfältigen Wort von Woidke erwartbarer Unsinn, Geschichtsklitterung zum Kaschieren eines billigen Hasses auf die AfD, die man in Wahrheit deshalb so pöbelig und primitiv attackiert, weil sie bei den SPD-Genossen ein schlechtes Gewissen dank ihrer Politik auslösen – und weil man um einen Platz an der Diäten-Sonne fürchtet, am sozialdemokratischen Kapitalismus-Modell aus Verlagseigentum, Vorsitz bei Lotto-Gesellschaften und in Rundfunkräten, in Aufsichtsräten wie bei VW und in der tausendfach unsinnig aufgeblähten Verwaltungsmonarchie, wo es sich mit Sozen-Parteibuch gemütlich leben lässt. Only in it for the Money.

Denn der Quatsch, den sich Woidke da zusammen dichtete, stellt die durchaus bemerkenswerte Geschichte der ehemaligen Arbeiterpartei am falschen Ende völlig auf den Kopf. Falsch gedacht, blödsinnig bilanziert, völlig daneben zusammen gereimt.

Denn was hat die SPD in der Geschichte denn nun konkret an extremistischem Wahnsinn „gestoppt“ (das ist nämlich inhaltlich etwas völlig anderes als bekämpft!)…? Lesen wir mal, was die SPD online darüber selber aus der unseligen deutschen Epoche aus Übergang von Kaiserreich zu Erstem Weltkrieg und danach der Weimarer Republik zu berichten weiß: „Am 4. August 1914 stimmt die sozialdemokratische Fraktion im Reichstag geschlossen für die Kriegskredite. Zwar gibt es intern mehrere Abgeordnete, die Widerspruch leisten. Doch sie beugen sich, zunächst, der Fraktionsdisziplin.“ https://www.spd.de/160-jahre/matrix/1914-billigung-der-kriegskredite

Dieses wohl berühmteste und unrühmlichste Beispiel für ein sozialdemokratisches Einknicken – hochaktuell: hier noch in Richtung zum aktuell wieder großen Kriegsgeheul und zustimmendem Bellizismus – hätte Woidke mit seinem Pathos-Geblubber eigentlich vor Augen haben müssen. Den fatalen Extremismus des Ersten Weltkrieges hat eine damalige SPD mitnichten „gestoppt“ – leider ganz im Gegenteil hat sie sich teils in den nationalistischen Furor eingereiht.

Das nächste Beispiel braucht man kaum erwähnen. Die Machtergreifung durch Adolf Hitler und seine NSDAP konnten die Sozialdemokraten leider auch nicht verhindern – sie wurden gegenteilig sogar massiv Opfer und litten unter dem blanken NS-Faschismus mit ihren Anhängern und Mitgliedern von denen viele ermordet wurden.

Das dritte fatale Beispiel rückt Woidke endgültig in ein gänzlich fahles Licht. Ausgerechnet in Brandenburg, in Ex-Stasi-Land, setzte er sich nun dreist über eine ganz üble Tatsache hinweg. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in den Besatzungszonen der politische Wille der Besatzer zum obersten Gebot. Ost-Deutschland, als sowjetische Besatzungszone (SBZ), erhielt die kommunistische Arschkarte und wurde zur stalinistischen DDR herab vergewaltigt. Doch gegen dieses Elend waren nicht etwa Woidkes politische SPD-Türstopper heldenhaft in Stellung gegangen, hatten die Kommunisten – laut Woidke „wie so oft in der Geschichte“ (welche Geschichte meint er?) – mit Sturmgewehren und Panzern bis zum Ural verjagt. Nein.

Woidke zwielichtert plötzlich in nebligem Glanz offenbar gewohnheitsmässiger Geschichtsklitterung, zwecks eigener moralischer Überhöhung. Bekanntlich wurden in der SBZ bei der Schaffung von Grundlagen einer lupenreinen sozialistischen Terrorherrschaft die reaktivierte Kommunistische Partei Deutschlands, ein sowjetisch gesteuertes Fossil, mit der aus dem NS-Verbot zurück gekehrten SPD, vereinigt zur SED – zur Sozialistischen Einheitspartei der DDR (SED). Dass es harten Druck der Russen und ihrer Vasallen gab, steht außer Frage. Aber: Schaut man einmal heute auf den entsprechenden Wikipedia-Eintrag zum Thema „Zwangsvereinigung von SPD und KPD“ wird es plötzlich hochspannend! Denn offenbar durch inzwischen immer mehr ausgewertete, bislang geheim gehaltene, Protokolle und Notizen, wird dort transparent umgekehrt, was eben noch als historische Opferrolle reklamiert wurde – es erweist sich nunmehr als weitere Geschichtsklitterung der billig und beliebig gewordenen Sozialdemokraten. Denn für Historiker, wie Günther Heydemann, scheint inzwischen klar zu sein, dass es neben dem Zwang auch ganze Genossen-Betriebe und deutlich linksextreme Kader in der SPD gab, die – wie einst beim Hurra-Patriotismus zu den SPD-Kriegskrediten – völlig begeistert vom Aufbau sozialistischer Planwirtschaft waren und sich gerne sozialistisch vereinigen liessen. Lest selber, liebe Genossinnen und Genossen: „„Die Frage jedoch, ob und inwieweit es sich zwischen KPD und SPD um eine ‚Zwangsvereinigung‘ oder um einen freiwilligen Zusammenschluss – oder beides zusammen – handelte, ist bis heute umstritten geblieben … Insgesamt dürfte (aber) als gesichert gelten, dass der Begriff „Zwangsvereinigung“ dem historischen Tatbestand nicht völlig gerecht wird. Zweifellos schwand die sozialdemokratische Zustimmung auf der Ebene des Zentralausschusses und in einem Teil der Landesvorstände zunehmend, auf der lokalen und kommunalen Ebene und nicht zuletzt in vielen Betrieben blieb sie jedoch teilweise erhalten. Hier wurde die Vereinigung bisweilen sogar vorweggenommen (!!!), was einen nicht zu unterschätzenden Konformitätsdruck erzeugte.““ https://de.wikipedia.org/wiki/Zwangsvereinigung_von_SPD_und_KPD_zur_SED

Woidkes mutmasslich hassgetragenes PolitSprech war am Wahlabend also nicht nur blanker Unsinn sondern auch noch ein ungewolltes Eigentor. Kühnert, Esken, Stegner, Faeser und auch die heute linksextremen Jusos stehen eben gar nicht für Extremismus-Stopp sondern sogar – in schönster DDR-Tradition mit Einheitskartellen und Einheitsparteien in einer linksfaschistischen „Nationalen Front“…! Was, bitte, hat diese obszöne SPD denn verhindert, in Bündnissen mit Grünen und SED-Linkspartei? Rot-Rot-Grün sind Woidkes Lügen. Doch die Erfindung eines Combacks von Hitler und Goebbels durch drei Buchstaben (A-f-D) wurde am Wahlabend durch das Vergessen dreier Extrembeispiele für eine SPD ohne jegliche Stopp-Attitüde schwer gekontert. Bis Drei zählen hilft manchmal.

P.S. Herr Woidke, mit dem dreifachen rhetorischen Eigentor vom Potsdamer Wahlabend würden Sie perfekt zum derzeitigen Schalke 04 passen, dort können Sie im Team effektiv mithelfen die Siege der eigenen Mannschaft zu stoppen – mit gestoppten Grüßen, der Autor….

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