Seit dem 4. April sind die finnischen Streitkräfte ganz offiziell Waffenbrüder in der NATO. Finnland ist ein ansehnlicher Flächenstaat mit einer überschaubaren Bevölkerungsanzahl. Seine geographische Ausdehnung entspricht etwa der der Bundesrepublik Deutschland minus Sachsen (Achtung, Spoiler für öffentlich-linkische Medientreibende). Finnland allerdings ist dann zahlenmäßig bewohnt von den Bewohnern Berlins und Hamburgs in Summe. Finnland war einst als Großfürstentum bis 1917 Teil des russischen Zarenreiches. Nach der Revolution von 1905 gestattete der Zar den Finnen, ein eigenes Parlament zu wählen. 1907 wurde dann dort erstmalig gewählt und Finnland war mit dieser Wahl das erste europäische Land – und nach Australien und Neuseeland weltweit das dritte überhaupt -, in dem ein Frauenwahlrecht umgesetzt wurde.
Mit der Februarrevolution von 1917 sagte sich das finnische Parlament von Russland los und erklärte seine Unabhängigkeit, die nach der erfolgreichen Oktoberrevolution dann von Lenin ratifiziert wurde. Lenin setzte auf die revolutionären Kräfte in Finnland. In einem kurzen, aber sehr intensiven Bürgerkrieg gewannen die “Weißen“, die republikanischen Kräfte. Mit der Unabhängigkeit baute Finnland auch eine erste eigene Landesverteidigung auf. Im nur vier Monate dauernden “Winterkrieg” 1939 bis 1940 leisteten die zahlenmäßig deutlich unterlegenen Finnen der Roten Armee Stalins, die am 30. November 1939 in Karelien eingefallen war, erbitterten Widerstand. Symbol der finnischen Schlagkraft und des finnischen Widerstandsgeistes wurde der Bauer und Jäger Simo Häyhä, der innerhalb extrem kurzer Zeit – bis heute jedem Scharfschützen der Welt ein Begriff – unter seinem Kampfnamen “Weißer Tod“ bekannt wurde. Mit bestätigten über 500 tödlichen Scharfschützeneinsätzen und weiteren rund 250 für seine Gegner tödlichen direkten Kampfhandlungen mit einer Maschinenpistole gilt er bis heute als der gefährlichste Scharfschütze der Militärgeschichte.
Nach dem Ende des Winterkrieges verbündeten die Finnen sich mit dem Deutschen Reich und eroberten zusammen mit der Wehrmacht alle Teile (und noch einiges mehr!) des im Winterkrieg verlorengegangenen Kareliens zurück. Nach einem Friedensschluss mit Moskau 1944 bekämpften die Finnen die Wehrmacht im sogenannten Lapplandkrieg. Dieser endete erst am 27. April 1945. Danach stellte Finnland für 40 Jahre eine Art neutrale Pufferzone zunächst zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt, sodann weitere 30 Jahre zwischen der NATO und der russischen Föderation dar. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat eine radikale Kehrtwende in Finnland zur Folge gehabt: Getragen vom Mehrheitswunsch der Bevölkerung beantragte Finnland am 18. Mai 2022 die Mitgliedschaft in der NATO. Am 5. Juli 2022 unterzeichneten alle 30 NATO-Botschafter die Beitrittsprotokolle, und bis zum 31. März 2023 ratifizierten die Parlamente aller NATO-Mitgliedsstaaten diese. Am 4. April 2023 trat Finnland der NATO bei. Soweit, so gut – denn jetzt sind – und das sage ich als ehemaliger Vertreter derselben Waffengattung – Simo Häyhä und ich ganz offiziell “Kameraden”!
Mit dem Einzug Finnlands in die NATO entsponnen sich jedoch auch innenpolitische Scherereien: Stellen Sie sich vor, aus Begeisterung darüber, mit Simo Häyhä in ein und demselben “militärischen Boot” zu sitzen, wollte ich die finnischen Kameradinnen und Kameraden durch eine persönliche Geste in der NATO begrüßen, und hisse deshalb in meinem Garten – aus purer Freude über die neue Waffenbrüderschaft – die Flagge der finnischen Luftstreitkräfte. Nur Minuten später hätte ich den Staatsschutz an meiner Gurgel hängen und es würde mit traumwandlerischer Sicherheit ein Verfahren wegen “Benutzung verfassungsfeindlicher Symbole“ gegen mich in Gang gesetzt…denn diese finnische Flagge der Luftstreitkräfte zeigt eine Swastika:
Mit einem kleinen Unterschied (vielleicht schauen sich die Damen und Herren des Staatsschutzes die beiden Symbole ja einmal genauer an): Das Hakenkreuz unrühmlichen Gedenkens steht auf der Spitze, während die Swastika der Finnländischen Luftwaffe gezeichnet ist wie ein Plus-Zeichen mit verlängerten Enden im Winkel von 90 Grad. Es wäre schön, wenn der Verfassungsschutz also nicht gleich in Schnappatmung verfiele, wenn demnächst in Brüssel vor dem NATO-Hauptquartier eine Swastika gehisst wird…