Steffen Kotré, AfD - Foto: Imago

Märchenstunde im Bundestag: Kotré fragt – Habeck antwortet

Am 21. Juni gab es eine Regierungsbefragung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Der grünwirtschaftlichste Klimaminister aller Zeiten mußte sich den Fragen des alerten Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré von der besten Alternative für Deutschland stellen. Was darf Satire – und braucht man überhaupt noch eine?

von Max Erdinger

Steffen Kotré: “Minister Habeck, Ihr Bericht zur Stromversorgung und auch der Bericht von McKinsey bescheinigt uns also, daß wir mit Stromabschaltungen leben müssen, daß es zu einem Blackout kommen wird und daß wir eine Unterdeckung von bis zu 30 Gigawatt haben. Warum zerstören Sie unsere Stromversorgung, Herr Habeck? Warum zerstören Sie mit diesen hohen Strompreisen die Geschäftsmodelle der Unternehmen und auch mit Enteignungen und Ölverboten – warum tun Sie das?

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Gleich wird er antworten: Robert Habeck – Screenshot TikTok

Robert Habeck: “Der … Energie … das Energieproblem in Deutschland ist verursacht worden durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine …

Steffen Kotre: “ … sehe ich anders. Ist auch nicht so.

Im Hintergrund Applaus und Gelächter.

Robert Habeck: “Ich weiß, daß Sie es nicht so sehen – und das hat zur Konsequenz …, daß Sie Ihre Position zu Russland überdenken sollten. Wir kaufen kein Gas mehr aus Russland, wir kaufen keine Kohle mehr aus Russland und wir kaufen kein Öl mehr aus Russland. Und das tun wir, um die Kriegskasse von Putin nicht weiter zu füllen. Ich verstehe nicht – und das muß ich in dieser Härte sagen – wie Sie die historische Schuld, die dieses Land sich aufgeladen hat, ausblenden können, sogar noch unterstützen … das ist für mich … schwer nachvollziehen – und darauf auch noch eine Frage aufzubauen, ist …äh … grenzwertig.

Applaus von der linken Seite des spärlich besetzten Plenarsaals. Kotré von der besten Alternative für Deutschland kommt dann mit einer Nachfrage. Während er sie stellt, schaut der grünlichste Wirtschaftskompetente aller Zeiten so aus der Wäsche.

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Gleich wird er wieder antworten: Robert Habeck – Screenshot TikTok

Steffen Kotré: “Daß wir Öl nicht mehr bekommen können aus Russland oder nicht bekommen, – das stimmt doch einfach nicht. Wir haben über Indien russisches Öl gekauft. Wir kaufen immer noch Gas, zum Beispiel über Aserbeidschan und andere Staaten. Das Flüssiggas kaufen wir noch aus Russland. Das ist doch bewiesen. Warum erzählen Sie denn sowas?

Robert Habeck: “Wenn ich informiert bin, dann ist Aserbeidschan ein souveräner Staat und … nicht Russland …

Die Empathie

Meinereiner ist bekanntlich der Empathischste von allen. Immer, immer bin ich bemüht, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie der jeweils Andere wohl die Situation erlebt, in welcher er sich augenblicklich befindet. Vor welche Notwendigkeiten sieht er sich gestellt? Wo hat er seine Grenzen? Was kann er überhaupt zugeben und was darf er auf gar keinen Fall zugeben? Kann er sich Ehrlichkeit überhaupt leisten, ohne sich dabei ins eigene Knie zu schießen? Das sind alles so Überlegungen.

Im gegenständlichen Fall geht es um zwei Personen, von denen jede weiß, daß sie Teilnehmer einer Showveranstaltung ist, die dem Zweck dient, eine Illusion aufrecht zu erhalten. Hier ist es die Illusion, daß es die parlamentarische Möglichkeit gebe, auf ritualisiertem Wege der Wahrheit auf die Spur zu kommen, mithin also, den Parlamentarismus der Gegenwart als eine sinnvolle Veranstaltung weiterleben zu lassen im Bewußtsein der “Demokraten” in der “Deutschen Republik”, indem die Opposition Fragen an eine Regierung stellt, von der bereits jeder weiß, daß sie mehr zu verbergen als zu beantworten hat. Die Opposition muß bei ihrer Fragestellung so tun, als würde sie mit einer ehrlichen Antwort rechnen.  Im besten Fall rechnet sie jedoch mit einer entlarvenden Antwort. Es gibt einen verpflichtenden “parlamentarischen Sprachgebrauch”, der bei Verstößen gewisse Sanktionen nach sich zieht, einen Ordnungsruf zum Beispiel. Diesen Sprachgebrauch gibt es wegen der “Würde des Hauses”, die aber heutzutage nur noch als nützliche “Fata Morgana” im Plenarsaal flimmert. Bereits die Unterstellung, der “parlamentarische Sprachgebrauch” diene dem Erhalt der “Würde des Hauses”, ist insofern eine Tatsachenverdrehung, als daß es die angebliche “Würde des Hauses” ist, die per “parlamentarischem Sprachgebrauch” auf eine Fassade reduziert wird. Mehr Schein als Sein.

Ein Haus, in dem der Fragensteller von vornherein weiß, daß er keine ehrlichen Antworten auf seine Fragen erwarten kann, und in dem der Antwortgeber in spe von vornherein weiß, daß er keine geben wird, hat keine Würde. Noch nie hat man jemanden von der “Würde des Kasperletheaters” reden hören. Unterhaltsam ist ein Kasperletheater im Idealfall trotzdem. Regierungsbefragungen im Deutschen Bundestag sind gerade zur Zeit deswegen besonders unterhaltsam in ihrer ganzen Würdelosigkeit, weil man wie ein Punktrichter dabei sein kann, um zu bewerten, wer die Einschränkungen durch “parlamentarischen Sprachgebrauch” auf sozialverträgliche Weise so am besten umschiffen kann, daß er dadurch Sinn & Zweck von “parlamentarischer  Sprachgebrauch” zur Wahrung der “Würde des Hauses” konterkariert, ohne daß er dafür sanktioniert werden könnte.

Was zu sehen gewesen ist

Zu sehen waren also zwei Politiker, von denen jeder wusste, daß er sich an einem Spielchen namens “parlamentarische Demokratie” beteiligt, das genausogut “Hustensaft mit Himbeergeschmack” genannt werden könnte. Steffen Kotré hat Habeck bloßgestellt. Der wiederum wusste, daß er dieser Bloßstellung nichts Glaubwürdiges entgegenzusetzen hat und daß er deshalb auf eine eingeführte und ihrer Dümmlichkeit bereits überführte Sprachregelung (“russischer Angriffskrieg”) wird zurückgreifen müssen, sowie, daß egal ist, wem das alles bereits bestens bewußt ist, weil es wegen der “Würde des Hauses” nichts daran ändert, daß er den “Herrn Minister” geben darf, ohne befürchten zu müssen, daß ihn jemand bezeichnet als das, was er in Wahrheit ist. Eine einzige, unterhaltsame Abgeschmacktheit also.

Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: »Ich, der Staat, bin das Volk.’” — Friedrich Nietzsche

Wenn man eine große Lüge erzählt und sie oft genug wiederholt, dann werden die Leute sie am Ende glauben. Man kann die Lüge so lange behaupten, wie es dem Staat gelingt, die Menschen von den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Konsequenzen der Lüge abzuschirmen. Deshalb ist es von lebenswichtiger Bedeutung für den Staat, seine gesamte Macht für die Unterdrückung abweichender Meinungen einzusetzen. Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates.” – Joseph Goebbels

In unserem Land ist die Lüge nicht nur zu einer moralischen Kategorie geworden, sondern zu einem Grundpfeiler des Staates.” – Alexander Solschinzyn

Sie belügen uns, wir wissen, dass sie lügen, sie wissen, dass wir wissen, dass sie lügen, aber trotzdem lügen sie weiter, und wir tun weiter so, als würden wir ihnen glauben” – Elena Gorokhova

“Wertewestliche” Karrieren

Meinereiner hat sich in den vergangenen Tagen verschiedene, sehr ausführliche Dokumentationen zu Gemüte geführt, um längst Bekanntes wieder einmal aufzufrischen und sich Details zu merken. Das war einmal eine Dokumentation mit den Originalaufnahmen aus dem Eichmann-Prozess in Israel 1961. Dann waren es ausführliche Biographien von Erich und Margot Honecker, eine über die Funktionärs-Siedlung Wandlitz, sowie – sehr interessant – die Biographie von Erich Mielke. Eine Doku über den “Vorbeugekomplex” der Stasi, eine über die Vernehmungsmethoden der Stasi, ihre Arbeitsweise, ihre Organisationsstruktur, ihr Dienstverständnis, ihren Alltag, eine mit den Aussagen der von der Stasi Gepeinigten – und eine über den Werdegang sowie den Prozess gegen Dr. Werner Teske, den Stasioffizier, der wegen “Agententätigkeit für den Klassenfeind” zum Tode verurteilt worden war und als letztes Justizopfer der DDR-Diktatur am 26. Juni 1981 per “unerwartetem Nahschuß” in Leipzig hingerichtet wurde. Zwischendurch habe ich mir wieder einmal angesehen, was die Lakaien aus Hitlers nächster Umgebung zu berichten hatten, also Herbert Döhring, Rochus Misch, Traudl Junge und die Haushälterin von Hermann Göring.

Bundesregierung
Die Ampelkoalition 2022 – Screenshot Facebook

Was soll ich noch sagen? Wenn ich einen Blick auf die Ampelkoalition des Jahres 2023 werfe, habe ich im Grunde genommen keine Fragen mehr. Hierzulande scheinen spätestens seit 1918 – mit einer Unterbrechung durch die Zeit der Bonner Republik vielleicht –  Hopfen & Malz verloren gewesen zu sein, wenn es um politische Macht, den Rang von Parteipräferenzen und Realitätsverleugnung – und um das Volk geht, in dem das alles stattfindet. Es ist so gesehen auch gar nicht schlecht, daß man keine Fragen mehr zu stellen braucht. Man braucht keine Zeit mehr mit Antworten von Leuten zu verschwenden, die einen traditions(un)bewußt ohnehin nur anlügen würden. Die Frage- & Antwort-Show mit Steffen Kotré und Robert Habeck im Deutschen Bundestag am 21. Juni 2023 hat das wieder einmal schlaglichtartig belegt.

Das Grundübel wurde von mir schon lange identifiziert: Es ist ein Demokratieverständnis, das auf dem allgemein als “besonders schön und tolerant” verinnerlichten, ersten Axiom der Sozialpsychologie fußt, welches da lautet: Jeder Mensch konstruiert sich seine eigene Realität. Daß dieses zum Dogma geronnene Axiom ein in sich widersprüchliches Postulat ist, geht hierzulande einfach so durch. Wenn jeder Mensch sich seine eigene Realität konstruiert, – wie kann es dann sein, daß diejenigen, die das erste Axiom der Sozialpsycholigie formuliert haben, etwas Allgemeingültiges und Wahres ausgedrückt haben? – Klar: Sie selbst begriffen sich nicht als “jeder Mensch”. Das erste Axiom der Sozialpsychologie ist der Grundbaustein einer stocktotalitären linken Machtkonstruktion. Realität ist eben nicht, was sich jeder selbst konstruiert. Dieses ganze “Für mich sieht es so aus”, “Ich sage mal”, “Das ist eine Frage der Perspektive” (DDR: Frage des Klassenstandpunktes), “Das kann man so oder so sehen”, “Demokraten müssen Kompromisse schließen” und so weiter und so fort, ist nichts weiter, als ein notorisches “Sich-in-die-Tasche-lügen”. In der Sache, um die es geht, die Macht nämlich, kommen mit den je individuellen Realitätskonstruktionen der Masse nur diejenigen voran, die an der Macht und der damit verbundenen Fettlebe interessiert sind. Mit der Wahrheit hat linksgrüne Politik nicht das geringste zu tun; mit Absichten, für die es niemals eine demokratische Mehrheit gäbe, wenn sie offen debattiert werden würden, allerdings alles.

So komme ich also mit zwei wahren Feststellungen, zu denen jede “eigenkonstruierte Realität” samt der daraus resultierenden, individuellen Meinung erläßlich ist, zum Schluß.

Erstens: Die Demokratie ist nicht die Regierungsform der Ukraine und verteidigt wird dort alles mögliche außer “westliche Werte”. Russophobie ist keine Alternative für Deutschland (betrifft Steffen Kotré und die meisten Anderen in der AfD ohnehin nicht, ein paar Wenige leider schon). Zweitens: Es gibt keinen menschengemachten Klimawandel und die Grünen sind so überflüssig wie ein Kropf. Das ist so – und “recht demokratisch” zu debattieren gibt es da überhaupt nichts mehr. Die Dinge sind, wie sie sind. Das ist Realität. Die wiederum ist ein Synonym für Wahrheit. Und an der führt (dauerhaft) kein Weg vorbei.

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