Bäckereifachverkäuferin - Foto: Imago

Bürokratenrepublik Deutschland: Halbes Brot? – Dreistelliger Betrag

In der Bürokratenrepublik geht es auffallend entspannt zu. Drogendealen im Görlitzer Park zu Berlin? – Kein Problem. Sich auf der Straße festpichen und den ganzen Verkehr lahmlegen? – Keine Nötigung. “Schutzsuchender” messert Deutschen, der Schutz vor ihm suchte? – Psychische Probleme, der Messermann. Ganz armer Kerl. Aber das ist nicht durchgängig so. Es gibt sie schon noch, die brutale Härte des Gesetzes.

von Max Erdinger

Behörden-Irrsinn in Rheinland-Pfalz” titelte die “Bild” am 29.07.2023. “Amt bestraft Bäcker für Verkauf von halben Broten“. Und weiter: “Viele Bäckereien in Rheinland-Pfalz verkaufen keine halben Brote mehr – aus Angst vor saftigen Strafen! Unglaublich, aber wahr: Das ‘Landesamt für Mess- und Eichwesen’ hatte in letzter Zeit Mitarbeiter in geheimer Mission in die Läden geschickt. Die sollten kontrollieren, ob das Brot vor dem Verkauf nochmal gewogen wurde. Falls nicht, bekamen die Bäcker Bußgeld-Bescheide in dreistelliger Höhe!” – Wer in Deutschland einen Laib Brot kauft, kauft gewogenes Brot. Es muß noch einmal vor den Augen des Kunden gewogen werden. Es reicht nicht, daß der Bäcker ein gewogenes Brot in zwei gleichgroße Teile schneidet, um dann die Hälfte des gewogenen Brotes über die Ladentheke zu reichen. Das halbe Brot muß nämlich ebenfalls gewogen werden. Wenn nicht – Bußgeld! Frage: Was bilden sich solche Behörden überhaupt ein? Daß sie nach Recht & Gesetz dazu befugt sind, die Bürger zu terrorisieren? Das sei kein Terror, werden sie wahrscheinlich argumentieren, sondern praktizierter Verbraucherschutz. Und daß sie deshalb “im Recht” seien. Das mag formal zutreffen, geht aber an der Lebenswirklichkeit absolut vorbei. Natürlich kann eine Behörde wie das “Landesamt für Eich- und Messewesen” ebenfalls argumentieren, daß sie sich nach Recht & Gesetz nicht dafür zu interessieren braucht, was an der Lebenswirklichkeit absolut vorbeigeht. Das ist eine bemerkenswerte Erscheinung in der ach-so-“menschlichen Gesellschaft” der “die Menschen”.

Blaulicht Meldung; Bild: © jouwatch
Blaulicht Meldung; Bild: © jouwatch

Anderer Fall: Jemand wurde auf der Autobahn “geblitzt”. Er befand sich in einem Bereich, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit zunächst auf 120 km/h begrenzt war, dann auf 100 km/h und schließlich auf 80 km/h. Im 100er-Abschnitt wurde er mit exakt 120 km/h “geblitzt”. Wochen später erhält er nicht etwa einen Bußgeldbescheid, sondern einen Anhörungsbogen, garniert mit einem “Blitzerfoto”, auf dem niemand als Fahrer zu identifizieren ist. Da, wo normalerweise ein Kopf zu sehen wäre, ist ein überbelichteter, weißer Kreis zu erkennen. Fahreridentifizierung unmöglich. Nun könnte man meinen, die Konsequenz aus einem solcherart unbrauchbaren “Blitzerfoto” wird sein, daß zukünftig einfach bessere Fotos gemacht werden und daß der hier gegenständliche Anhörungsbogen einfach im Papierkorb verschwindet, weil sich die zuständige Verkehrsüberwachungsbehörde denkt, daß ein solcher Anhörungsbogen des lausigen Fotos wegen den juristischen Anforderungen nicht genügt. Weit gefehlt! Für 60 Euro Bußgeld, um die es dabei theoretisch gegangen wäre, bricht die Verkehrsüberwachungsbehörde via diverser Polizeidienststellen einen Papierkrieg vom Zaun, der sich gewaschen hat. Es werden drei potentielle Fahrer ermittelt, von denen natürlich keiner weiß, ob er an diesem Tag zu dieser Uhrzeit in diesem Fahrzeug am Steuer gesessen hat. Zu dritt sei man unterwegs gewesen an diesem Tag und habe sich wegen einer zurückzulegenden Strecke von über 1.300 Kilometern mit zwei Autos beim Fahren abgewechselt. Jeder der drei Fahrer bekommt dann seinen eigenen Anhörungsbogen – und der zuständige Ermittler bei der Polizei bekommt drei identische Antworten. Erst danach ist endlich kommentarlos “Ruhe im Puff”. Niemand bezahlt ein Bußgeld.

Noch einen gefällig? Jemand bekommt von einer bayerischen Polizeiinspektion zusammen mit einer Vorladung zur Vernehmung die Aufforderung, sich einer präventiven erkennungsdienstlichen Maßnahme zu unterziehen. Die soll an einem Sontag um 20.15 Uhr erfolgen. Anlaß: Eine angebliche Verkehrs-Straftat und die daraus angeblich resultierende Wiederholungsgefahr, welche durch eine präventive erkennungsdienstliche Maßnahme zu bannen sei. Das alles, ohne daß er bei der Begehung der angeblichen Straftat von der Polizei angehalten worden wäre, um wenigstens seine Personalien aufzunehmen. Ohne vorherige Identifizierung seiner Person als Fahrer und ohne irgendein Beweismittel wird ihm vorgeworfen, frühmorgens um 4:50 Uhr in der Gemarkung eines Provinzörtchens schneller gefahren zu sein als erlaubt, wodurch er eine Straßenverkehrsgefährdung herbeigeführt habe. Worin genau diese Straßenverkehrtsgefährdung bestanden haben soll, wird ebenfalls nicht konkretisiert. Es gibt kein Beweisfoto, es gibt keinen Nachweis einer Geschwindigkeitsmessung – nichts. Lediglich eine Polizeimeisterin will beobachtet haben, daß jemand “zu schnell” gefahren ist. Mehr als das Kennzeichen des Fahrzeugs hatte sie nicht. Der “Beschuldigte”, wie er in dem Anschreiben der Polizeiinspektion bezeichnet wird, ist noch nicht einmal Halter des fraglichen Fahrzeugs. Die vorher von der Polizei zur Vernehmung vorgeladene Halterin des Fahrzeugs folgte der Vorladung nicht, hatte keinerlei Angaben zur Sache gemacht, sondern der Polizeiinspektion lediglich eine Kopie ihres Personalausweises übersandt. Vollkommen unklar ist, wie die Polizei überhaupt an den Namen und die Postanschrift des von ihr so bezeichneten “Beschuldigten” gekommen ist. Über das Kfz.-Kennzeichen jedenfalls nicht. Folge: Der auf solch mysteriöse Art “Beschuldigte” erhebt schriftlichen Widerspruch gegen die Vorladung zur Vernehmung als auch gegen die anberaumte “präventive erkennungsdienstliche Maßnahme” bei der fraglichen Polizeiinspektion und reicht gleichzeitig einen Antrag auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs beim zuständigen Verwaltungsgericht ein. Frage: Was soll das? Hat die Polizei nichts anderes zu tun, als aufgrund der vagen Vermutungen einer Polizeimeisterin einen Papierkrieg vom Zaun zu brechen? Hat sie ihre Zeit gestohlen? Hat der Bürger seine Zeit gestohlen, der sich dann damit herumzuschlagen hat?

Ganz generell: Wo leben wir inzwischen eigentlich? In der Bundesrepublik, in der Bürokratenrepublik oder in der Halbbrotrepublik gar? Gab es aus den Innenministerien der Länder oder aus dem Bundesinnenministerium eine Anweisung an die Behörden, sich im Kokolores zu verbeißen und stattdessen bei den ernsthaften Sachverhalten beide Augen zuzudrücken, oder was? Fragen wird man ja wohl noch dürfen.

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