DIE FEUERZANGENBOWLE / D 1944 / Helmut Weiss Der gut situierte Schriftsteller Dr. Johannes Pfeiffer (HEINZ RÜHMANN, li.) kehrt aufgrund einer beschwipsten Wette freiwillig auf die Schulbank zurück und wird als Primaner zum Anstifter übermütiger Pennalerstreiche. Szene mit HANS LEIBELT. Regie: Helmut Weiss / DIE FEUERZANGENBOWLE D 1944 Copyright: KPA - Foto: Imago

Kurz & bündig: Gut & Böse

Wissen Sie, wie ich dafür sorge, daß das Gute siegt? Ich bin mir nicht sicher, ob Sie das wirklich wissen wollen. Wenn nicht, dann lesen Sie einfach nicht weiter. Sie können –> hier aussteigen <–.

von Max Erdinger

Ah, Sie sind noch da. Also: Ich lese die Zeitungen und schaue die Nachrichten. Dann weiß ich schon, wer die Guten sind – und dann stelle ich mich dazu, damit die Guten eine Mehrheit haben. Mit dem Dazustellen bringe ich mich ein bei den Guten. Wie bitte? – Sie meinen, ich hätte gerade geflunkert? Ich würde mich gar nicht den Guten beigesellen, damit die in der Mehrheit sind, sondern ich würde es tun, damit ich bei der Mehrheit bin? Meine Güte, Sie sind aber böse.

Jedenfalls ist das mit der Demokratie und der Meinungsfreiheit ganz einfach. Was ja auch das Schöne ist an der Demokratie. Man muß gar nicht viel wissen, weil man auch so eine Meinung haben kann. Dann darf man wählen. Manche sagen auch, man muß. Mal schauen, was die Mehrheit dazu sagt. Dann stelle ich mich wieder bei denen hin und bin in Sicherheit. Sicherheit ist schon wichtig. Weil es böse Leute gibt. Das sind immer die anderen. Zu den anderen würde ich mich nie hinstellen.

Im November 2021 kannte ich den Unterschied zwischen der Ukelele und der Ukraine noch nicht. Das gebe ich gerne zu. Weshalb hätte es mich auch interessieren sollen, daß es da einen Unterschied gibt? Ich habe genügend andere Sorgen. Dann sind die Russen in die Ukelele einmarschiert. Ich habe geschaut, ob man mehrheitlich dagegen sein muß und habe als nächstes meinen Hund blaugelb angemalt. Bei Facebook habe ich gepostet: “I Stand With Ukelele”.

Viele haben mich ausgelacht und gesagt, es heiße “Ukraine”, nicht “Ukelele”. Meine besten Freunde hatten aber ebenfalls “Ukelele” geschrieben. Weil wir immer voneinander abschreiben. Wegen der Einigkeit unter Freunden. Na ja, dann habe ich das ausgebessert und die, die mich ausgelacht hatten, habe ich als “Hater” bezeichnet, die so kindisch sind, daß sie sich über meine Tippfehler oder die anarchische Autokorrektur freuen, obwohl wir heutzutage “alle gemeinsam” mit dieser vermaledeiten Autokorrektur geschlagen sind. Nicht nur meine Freunde und ich, sondern die auch. Die haben halt Glück gehabt, daß sie mit “Ukraine” beim ersten Mal gleich durchgekommen sind gegen die Technik. Außerdem habe ich angezweifelt, daß es wirklich “Ukraine” heißt, indem ich einfach mit “Quelle!?” geantwortet habe. Die sollten erstmal beweisen, daß die Ukele tatsächlich Ukraine heißt. Ich bin ja nicht naiv und glaube denen einfach alles. Also gut, es hieß dann tatsächlich “Ukraine”. Es gibt Quellen.

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Lehrer Lämpel weiß Bescheid – Screenshot Facebook

Nachdem ich nun richtig bei den Ukrainern “standete”, feuerte ich sie auch an. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete ich, ob das auch wohlwollend aufgenommen wird von der Mehrheit. “Ukraine vor, noch ein Tor!”, rief ich. Und dann: “In Moskau bei den Russen regieren blöde Tussen!”. Zwar hatte ich noch immer nicht das Gefühl, daß mich jemand ernstnimmt, aber die Mehrheit klopfte mir wohlwollend auf die Schultern und schenkte mir jede Menge Lutscher. Himbeere, Kirsche, Blutwurst – alle Geschmacksrichtungen.

Daraufhin rasierte ich mir den Schädel und hatte immer einen Lutscher im Mund, weshalb ich heute als der Ukraine-Kojak bekannt bin. Seit die “Bild” vor zwei Monaten titelte “Unser Ukraine-Kojak bei Selenskyj in Kiew” wollen sie mich in jeder Talkshow haben. Jetzt bin ich prominent und alle wollen wissen, wie das ist mit der Ukraine, die gar keine Ukelele nicht ist.

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Kojak – Screenshot “Fernsehserien.de”

Leider ist “Ukraine” jetzt out. Das verstehe ich, auch wenn es mir nicht gefällt. Weil ich tolerant bin. War schon eine schöne Zeit mit der Mehrheit, als “Ukraine” noch die Meinungs-Hitparade anführte. Allerweil führen die bösen Tussen mit 12: 0. Das macht wirklich keinen Spaß mehr. Und ihren Trainer wollen sie auch nicht auswechseln, die Ukrainer. Dieser Selenskyj ist gnadenlos überschätzt worden. Im Grunde sind “wir alle gemeinsam” hinters Licht geführt worden mit dem. So ein Loser.

Aber es bleibt nicht lange langweilig. In der Ukraine ist der Schlußpfiff noch nicht gefallen, da geht es im Nahen Osten gottseidank schon weiter mit einem Spiel zwischen Gut & Böse. Der Mehrheits-Trainer dort hat einen Ruf wie Donnerhall. Mir stinkt das ein wenig. Hätte ich das gewusst, hätte ich gleich auf den Yahoo gesetzt, anstatt meine Sympathien für den Selenskyj zu verplempern, diesen Loser. Der Yahoo gewinnt bestimmt gegen die bösen Plastikenser. “I Stand With Ariel”. Na ja, wenn nicht, muß ich mir halt wieder eine neue Mehrheit suchen, bei der ich in Sicherheit bin. Sicherheit ist schon wichtig. Die Sicherheit habe ich mir immer etwas kosten lassen. Mein Fahrradhelmchen ist das Premium-Modell der Firma “Headbanger”.

Ah, Schongklod kommt gerade aus der Schule zurück. Er ist ein Genie, eine Spitzenbegabung, ein absoluter Schnellmerker. Ich kannte meine Frau erst seit einem Vierteljahr, da kam er schon zur Welt. Der hat noch nie Zeit verplempert. Ganz der Papa. Was hat er denn heute mitgebracht? – Eine Kindergitarre! Das ist ja nett. Er sagt mir gerade, das sei gar keine Kindergitarre, sondern eine Ukelele. Man lernt einfach nicht aus.

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Lehrer Lämpel am Ende – Screenshot Facebook